Ort: Bumann & SOHN, Köln
Vorband: ÄDWUD
Am Morgen nach dem Sonic City Auftritt von Omni trafen wir uns im Frühstücksraum des Hotels. Die Band saß an einem Tisch, ich an einem anderen. Sie waren gerade fertig mit frühstücken, ich holte meinen ersten Kaffee. Es ist 2019. Es ist nach meinem zweiten Omni Konzert. Es war diese Art von Treffen, die hinterher irgendwie spektakulärer erzählt werden können, als sie es tatsächlich sind. Seit dieser Zeit beobachte ich die Band aus Atlanta ein bisschen, kaufe ihre Alben und besuche ihre Konzerte. Das Konzert im Bumann & SOHN wird mein drittes Omni Konzert. Seit einiger Zeit freue ich mich sehr darauf. Zurecht, wie der Abend zeigen wird.
Im Vorprogramm wird ÄDWUD aufgeführt. Schnell lerne ich, ÄDWUD ist eine one-man Band. Mir scheint, es gibt eine starke one-man Band Community in Köln und Umgebung. Sah ich doch letztens erst Disso!ver, jetzt also ÄDWUD. Beide Musiker verfolgen irgendwie den gleichen Ansatz: der Apple Computer liefert alle möglichen und notwendigen Sounds außer der Gitarre. Die layert und loopt sich live gespielt über die Laptopsounds, zuzüglich dem Gesang. Ich mag sowas ganz gerne, seit ich vor vielen Jahren mal Mylets gesehen habe.
ÄDWUD. Ed Wood? Nie gehört. ‘Solo artist from the devastating outskirts of Cologne. Everything was recorded at home with shitty equipment – that’s the price you pay – but with a lot of devotion’ lese ich auf seiner Bandcamp Seite. A ha, ich bin gespannt, höre in ein, zwei Songs rein und bin sehr angetan. ‘Okay, ich versuche heute Abend pünktlich zu sein. Könnte interessant werden’, denke ich. Auf Bandcamp sind elf Alben gelistet, die im Zeitraum zwischen 2020 und 2024 entstanden sind. ‘Schon ein großer Output in so kurzer Zeit’, denke ich weiter; sicher trug auch die Pandemie einen Teil dazu bei. Dann ich lese ich noch etwas von Home-Recordings und irgendwas mit Synthie-Sounds. meine Neugierde ist dadurch endgültig so stark geweckt, dass ich mich tatsächlich einigermaßen zeitig auf den Weg mache. Als ich um kurz nach acht im Bumann aufschlage, ist ÄDWUD bereits zugange. Und ich bin nicht der Erste im Saal, sondern der zehnte. Ja, es ist nicht sonderlich voll. Oder andersrum, es ist erschreckend leer. Noch nicht einmal die bei lokalen Vorgruppen übliche Bekanntenclique scheint anwesend. Sehr versprenkelt stehen die Menschen, und immer im respektvollen Abstand zur Bühne. Auch ich orientiere mich in Richtung Tresen, es gibt keine Eile, sich einen guten Platz zu suchen. Den finde ich später immer noch locker und ohne Probleme. Denn es wird nicht viel voller. Omni ziehen später am Abend höchstens 50 Leute. Schade. Damit ist es viel zu leer im Bumann.
Doch nochmal kurz zurück: die Handvoll Songs, die ich von ÄDWUD noch mitbekommen habe, finde ich klasse. Die kleinen Bandcamp Teaser am Nachmittag halten, was sie versprachen.
In der Umbaupause laufen Songs von Preoccupations. ‘Passt gut’, denke ich so nebenbei, als ich mir einen Platz näher an der Bühne suche.
Um kurz nach neun betreten diese Gitarrist Frankie Broyles, Bassist und Sänger Philip Frobos sowie Schlagzeuger Chris Yonker. Untermalt von sogenannter Pausenmusik. Was für ein lustiges Intro, das aber kein Intro ist, wie ich später merke. Denn immer, wenn längere Unterbrechungen drohen (Gitarrenwechsel,…), startet Frankie Broyles per Klick auf eines der Fußpedale diese sehr easy-listening-hafte Fahrstuhlmusik. Es ist immer der gleiche Loop, der abläuft. Auch die Ansagen durch Philip Frobos werden mit ihm untermalt. Post-Punk, Post-Rock. Das sind Omni, das machen Omni. Als ich die amerikanische Band Omni vor einigen erstmals hörte und live sah, war ich sehr angetan von ihrem Gitarrensound. Der klingt rumpelig und rappelig. Ich mag das. Sie beenden ihre Songs sehr oft abrupt, lassen sie nicht ausfaden. Oft ist das überraschend, unterstreicht aber die Zackigkeit ihrer Melodien und führt ihre Songs damit richtig zuende. Das ist kompromisslos gedacht und sehr passend. Ich mag das auch.
Antreiber des Omni Sounds ist eindeutig Gitarrist Frankie Broyles. Im 90° Winkel steht er zu seinen Kollegen und spielt nahezu regungslos die Gitarre. Visuell passt das so gar nicht zu ihrem Sound, der doch eher zum Tanzen animiert. Philip Frobos ist diesbezüglich aktiver, zappeliger. Im Vorbeigehen muss ich erkennen, dass er zwei Köpfe kleiner ist als ich. Philip Frobos ist ein Energiebündel, würde man wohl sagen. Er spielt den Bass wie eine Gitarre, er slapt nicht. Das macht er so energisch, dass er sich irgendwann die Fingerkuppe aufreißt. Natürlich läuft in der anschließenden Verletzungspause wieder diese Fahrstuhlmusik, denn es dauert ein paar Minuten, bis ein Pflaster richtig über der Wunde platziert werden kann und so fixiert ist, dass es weiteren Gitarrenspielminuten standhält.
Es folgen noch eine Handvoll Songs, bevor sie zum Ende hin zu einem irren Cover ansetzen. Sheryl Crow’s „All I wanna do“. Muss man erstmal draufkommen. Und: muss man erstmal erkennen. Sie überführen es so großartig in ihren eigenen musikalischen Kosmos, dass der Song nur sehr schwer wiederzuerkennen ist. Ich musste schon genau zuhören, um irgendwann anhand der Textzeilen auf „All I wanna do“ zu kommen. Der Tipp mit Sheryl Crow kam erst nach dem Song. Es ist eine der besten Songinterpretationen, die ich je gehört habe. Am Abend selber fand ich es noch eher schwach, aber jetzt, nach einigen Stunden und mehrmaligem Hören, bin ich sicher. In der Omni Sprödheit bekommt der Song eine ganz neue Schönheit. Das ist großartig.
This ain’t no disco
All I wanna do – Sheryl Crow
It ain’t no country club either
This is LA
„All I wanna do is have a little fun before I die“
Says the man next to me out of nowhere
It’s apropos of nothing, he says his name is William
I’m sure he’s Bill or Billy or Mac or Buddy
And he’s plain ugly to me
Zugfahren macht an diesem Abend Spaß. Als ich die paar Minuten auf die pünktliche Bahn nach Hause warte, zieht die herbstliche Kälte durch meine Übergangsjacke. Leicht fröstelnd steige ich in die Bahn, es ist ein angenehmes Gefühl.
PS: Ich sollte eine Liste machen, welche Musiker ich schon beim Essen getroffen habe. Da kommen einige zusammen.
Kontextkonzerte:
Omni – Sonic City Festival Kortrijk, 09.11./ 10.11.2019
Omni – Absolutely free Festival Genk, 04.08.2018