Ort: MTC, Köln
Vorband: JOYFULTALK
Viet Cong war aber auch ein scheußlicher Bandname. Dass man sich damit wenig Freunde und viel Ärger einhandeln kann, ist nicht nur fast vorprogrammiert, die Band aus Kanada hätte sich das an 5 Fingern abzählen können. Ein bisschen Rumoren hatten Matt Flegel, Mike Wallace, Scott Munro und Daniel Christiansen sicher beabsichtigt, als sie sich diesen Namen gaben. Dass dann aber wegen ihres Bandnamens Konzerte abgesagt wurden, hatten sie wohl nicht erwartet. Schlussendlich sah die Band ein, der Name ist doof und ein großes Hindernis. Anfang des Jahres wechselten sie dann ihre Identität. Preoccupations steht seitdem in ihrem Musikerpass.
The name „Viet Cong“ had attracted criticism since the band released its 2014 Cassette EP, but it wasn’t until the beginning of 2015 that it began to impact their ability to play music. In February, they were scheduled to play a festival in Melbourne, Australia, only for the promoter to say they couldn’t be booked because of their name. In March, the band was supposed to perform at Oberlin, but the show was eventually canceled by the promoter following protests from a part of the student community. The actual Viet Cong were a notoriously brutal insurgent group that terrorized Vietnamese citizens during the Vietnam War. To the protesters, the idea of appropriating that name to describe moody, tense post-punk was hideously crass. At first, the band pled ignorance. „When we named ourselves, we were naive about the history of a war in a country we knew very little about,“ they said in a statement. „We now better understand the weight behind the words Viet Cong.“ (http://pitchfork.com/thepitch/1110-why-viet-cong-have-changed-their-name-an-interview-with-frontman-matt-flegel/)
Viet Cong sah ich zweimal. Und beide Konzerte waren top. „Continental shelf“ entwickelte sich im letzten Jahr zu einem meiner Lieblingslieder, die Liveversionen von „Continental shelf“, die die Band ordentlich ausdehnte und gleichzeitig zerrupfte, waren der Hammer. Ich wurde Fan der Band und nahm ihren Fortbestand unter neuem Namen beruhigt zur Kenntnis, da auch kurzzeitig Auflösungsszenarien im Raum standen. Viet Cong war ein zu gutes Album, um das letzte dieser Band zu sein. Nun nennen sie sich also Preoccupations, und ihr Zweitwerk trägt wiederum den Bandnamen: Preoccupations.
Das Konzert in Köln wurde verlegt. Ins kleinere MTC. So kam es, dass der Kellerklub nahezu aus allen Nähten platze, als die Kanadier ihr Set begannen. Aufgrund der anfänglichen Leere war ich erst ernüchtert. Kennt denn diese tolle Band niemand? Doch, doch; aber erst im Laufe der Vorband quetschte man sich in das kleine MTC.
Das akribische eindrehen der Glühbirnen in die mitgebrachten Scheinwerfer wirkt beruhigend und bringt indirekt den Lifehack Tipp des Abends mit: Nehme einen 10 Liter Alueimer, stanze ein Loch in den Boden, fixiere dort eine Lampenfassung mit zwei Holzbrettchen, fertig ist der Scheinwerfer. Minuten zuvor hatte die Vorband JOYFULTALK Elektroindie ohne Gesangssamples aber unter Hilfe von Audio- Kassetten dargeboten. JOYFULTALK zeigten sich also enorm hip und vintage. Eine gute halbe Stunde lang wabberte Bodennebel und Effektgerätesounds mit viel Bass durch den Raum. Das war nett anzuhören, stimmte gut ein und war laut. Sehr laut.
Preoccupations setzten da an und hielten die Levels hoch. Also erneut viel Nebel, verzerrte Sounds (nur diesmal aus den Gitarren) Und mit viel Lautstärke. Plus dramatischer Bühnenausleuchtung durch die mitgebrachten Scheinwerferbatterien, die am Bühnenrand hinten und vorne angebracht waren. Stimmungsmässig ergab das ein rundes Bild. Wenig sehen, viel hören.
Zeitweise klingt nur das Schlagzeug deutlich. Alles andere, also Gitarren und Keyboards, verwischt zu einem einzigen Soundmatsch. Auch der Gesang des heiser wirkenden Matt Flegel ist phasenweise kaum wahrzunehmen. Doch das ist 100% so gewollt. Und das ist 1000% großartig. Das schönste Beispiel liefern sie zum Schluss:
Gute 10 Minuten lärmen sie den letzten Song „Death“. Es ist ein demütiger Lärm, kein aggressiv herausgespielter. Die Musiker spielen ihn in Shoegazermanier ohne großartige körperliche Aktivitäten. Nur Mike Wallace, das Schlagzeugtier, das mich an den Foo Fighters Schlagzeuger erinnert, drischt auf die Becken, als ob jede Sekunde die Welt unterginge und er seine Becken zerstören muss, um den Untergang abzuwenden. Als Schlagzeugspiel möchte ich das nicht bezeichnen. Es ist ein einziges draufhauen mit außerordentlicher Intensität. Immer und immer wieder gibt er dem ausfransenden Song noch eine Schleife mit, treibt den Bass zu einer weiteren Wiederholung an: Noch ein Schlagzeugteil, und noch eine Bassantwort. Call and response nennt man diese Art des Zusammenspiels im Jazz. Könnte das Stunden so weitergehen? Gefühlt und spontan möchte ich sagen, ja. Die Band will das aber natürlich nicht. Sie stehen immerhin schon über eine Stunde auf der Bühne und sind kaputt. So formieren sie sich nach einigen Minuten wieder, die Gitarre und schließlich der Refraingesang greifen wieder in das Geschehen ein. „Death“ hat die Kurve noch einmal gekriegt. Ein letztes Mal der Refrain, dann ist Schluss. Nicht nur der Schlagzeuger, der mittlerweile sein T-Shirt ausgezogen hat und mit einem Lächeln in Richtung der ersten Reihe von der Bühne schleicht, ist erledigt. Ich bin es auch. Meine Ohren dröhnen. Das Konzert war laut und wuchtig. Und irgendwie körperlich anstrengend. Toll!
Mit diesem Gitarrengewabber-Soundmatch gewinnt man keinen Blumentopf, aber Herzen. Bravo, Preoccupations!
Kontextkonzert:
Viet Cong – Le Guess Who? – Utrecht, 20.11.2015
Viet Cong – Primavera Sound Festival Barcelona, 29.05.2015
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