Ort: Nieuwe Nor, Heerlen
Vorband: A storm of light

MonoZu „Breathe“ habe ich endgültig verstanden, dass es eine gute Idee, nach Heerlen zu fahren. Es ist der Moment, in dem Gitarrist Takaakira Goto seinen Lederschemmel umschmeißt, sich auf den Bühnenboden kniet und die Gitarre wie ein Gottesanbeter gegen die Hallendecke reckt. Es wummert und dröhnt im Niewe Nor, der kleine Saal flirrt im Blau- und Weißlicht der Bühnenleuchten. Der Druck aus den Boxen ist spürbar. Das Atmen fällt mir schwer, es scheint, als liegen Tonnen auf meinen Lungenflügeln. Mono wirken körperlich. Ich schließe die Augen, lasse die Gitarren auf mich zukommen, bemerke, wie ich unbewusst mit dem Zeigefinger gegen meinen Oberschenkel tippe und leicht den Kopf hin und her wippe. All das passiert wie in Trance, unbewusst. Es ist einfach da und geht nicht mehr weg. Mono funktionieren für mich an diesem Abend sehr gut. Ich hatte das eigentlich nicht erwartet. Nicht an diesem Abend. Der Tag war hektisch. Ich entschied mich erst kurzfristig, ihr Konzert zu besuchen und der alltägliche Kram hielt meine Vorfreude in Grenzen. Nun war ich aber glücklich, hier zu sein.

Die Herbstkirmes in Heerlen liegt in ihren letzten Stunden. Die angrenzenden Cafés und Bars am großen Markt sind gut besucht, die Fahrgeschäftsleiter allerdings merken, dass es an der Zeit ist, nach fünf Tagen endlich einen neuen Spielort aufzusuchen. Es tut sich wenig an der Riesenkrake und am Autoscooter. Aus dem Nieuwe Nor schallen dumpf Gitarrenklänge. A storm of light, zweite Band an diesem Abend nach Jo Quail, sind in der Mitte ihres Sets angekommen. Das Konzert der britischen Cellistin Jo Quail hatte ich noch verpasst, A storm of light höre und sehe ich dagegen immerhin ein paar Minuten. Doch auch Jo Quail hat sich noch nicht ganz für mich erledigt. Ich werde später noch die Gelegenheit bekommen, sie spielen zu sehen. Zu „Halycon“ begleitet die Londonerin Mono auf ihrem elektrischen Cello bei deren Soundeskapaden.

A storm of light, und ich denke, ihre Musik klingt genauso wie es der Name vermuten lässt. Ersetze ich light durch Gitarre, dann habe ich das, was ich höre. Die drei Gitarristen post-rocken bzw. post-metal’n sich durch ihr Set. Das hat was von den jungen Mogwai und/oder anderen Genrebands und ist so schlecht nicht. Als ich nachmittags ein paar Fotos der Band durchschaute, hatte ich das so erwartet. Thematisch passt dieser typisch britisch melodiöse Post-Rock-Metal gut zu Mono und obwohl ich nur die letzten drei Songs mitbekomme, sind meine Ohren danach durchgespült. Es war ein bisschen laut. A storm of light Sänger Josh Graham klingt wie James Hetfield. Manchmal.

Takaakira Goto, Yoda und am Schlagzeug Dahm nehmen nach kurzer Umbaupause hinter ihren Instrumenten Platz. Ich betrachte die Gitarrenpedale und Verzerrköpfe jetzt mal als Instrumente. So sitzen die drei männlichen Bandmitglieder auf ihren Schemeln und überlassen der Bassistin Tamaki das Stehen. Nur einmal wird diese Szenerie durchbrochen: gegen Ende des Konzert spielt Yoda einen Song im Stehen. Soweit die Bühnenperformance von Mono.

„After you comes the flood“, „Death in rebirth“, „Breathe“, „Nowhere now here“, „Dream odyssey“, „Sorrow“, „Meet us where the night ends“, „Halcyon“, „Ashes in the snow“. Neun Songs stehen auf der Setlist. Schönster Songtitel ist für mich „Nowhere now here“, bei dem zum einzigen Mal an diesem Abend das Keyboard bespielt wird und Tamaki die Gitarre eine Gitarre sein lässt. Nowhere now here heisst auch das neue Album, das Mono Ende des Jahres herausbringen. Vier Songs von Nowhere now here  stehen auf der Setlist, ergänzt werden sie durch die älteren „Dream odyssey“, „Ashes in the snow“ und das famose „Halycon“ gegen Ende des Konzerts.

Mit „Halycon“ begann vor Jahren mein Mono Erlebnis, an diesem Abend ist der Zehnminüter das vorgezogene Finale des Konzerts und mit Abstand bester Song des Abends. Bereits zuvor überraschte mich das neue „Sorrow“. Diese manchmal nach Balalaika klingende Gitarre, die Tempowechsel innerhalb weniger Sekunden, das ruhige und hintergründige Schlagzeugspiel, der sich aufbauende Wall of sound, das minutenlange dröhnen der Gitarren und die Rückkehr zur Melodie und Ruhe gegen Ende eines Songs, „Sorrow“ hat all diese typischen Mono Klangstrukturen. Das war schon große Klasse. Wie alles an diesem Abend. Selbst die neuen Songs klangen nicht neu, sondern wie alte Bekannte. Es fiel mir überhaupt nicht schwer, mich in diesem Abend zurechtzufinden und wohlzufühlen. Mono sind einfach eine klasse Liveband. Ich weiß nicht wie sie das machen, aber den Japanern gelingt es, ein Spannungsfeld aufzubauen, dem man sich nur schwer entziehen kann. Mir zumindest gelingt das an diesem Abend genauso wenig wie bei meinen bisherigen Mono Konzerten.
Eigentlich wollte ich meine Augen gar nicht mehr öffnen, sondern mich vollkommen in den Lärm und die Songs fallen lassen, aber ab und an mache ich es doch. Es ist mir schon ein bisschen unheimlich, länger die Augen geschlossen zu haben. Dann schaue ich kurz nach, ob noch alle da sind. Nach einem beruhigenden ‘ja, alles gut‘ gebe ich mich sofort wieder den Soundlandschaften der japanischen Band hin. Ich darf da keinen Moment verpassen.

Mono sind eine grandiose Band. Man muss sie nur machen lassen.

Setlist:
01: After you comes the flood
02: Death in rebirth
03: Breathe
04: Nowhere now here
05: Dream odyssey
06: Sorrow
07: Meet us where the night ends
08: Halcyon
09: Ashes in the snow

Kontextkonzerte:
Mono – Dortmund, 23.03.2010 / FZW
Mono – Köln, 27.11.2012 / Gebäude 9

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