Ort: Nieuwe Nor, Heerlen
Vorband:

Konzert,The Posies,Heerlen,Nieuwe Nor,In meiner Kindheit gab es bei uns kaum Kreisverkehre. Spontan kann ich mich an keinen Kreisverkehr erinnern, den ich als Kind mit dem Fahrrad durchqueren durfte. Diese kreuzungsfreie Straßenführung kannte ich nur aus Urlauben in den Niederlanden. Dort waren sie in den 1980er Jahren bei Straßenplanern äußerst beliebt und auf Ausflugsfahrten entsprechend oft anzutreffen. Der Vorteil dieser Art der Verkehrsführung liegt auf der Hand: ruhiger, stetiger Verkehrsfluss und sicheres Einmünden oder Abbiegen.

In Laufe der letzten 30 Jahren sind die Kreisverkehrsplätze auch bei uns angekommen. Allein vor meiner Wohnungstür befinden sich in einem Abstand von 80 Metern zwei ronds-points. Wenn wir was machen, dann gründlich!
Die Straße der 100 Kreisverkehre ist eine ähnlich konsequente Umsetzung. Ich meine hier die L264, die mich über die Dörfer zur Auffahrt Merzenich und damit auf dem kürzesten Weg zur A4 in Richtung Aachen bringt. Die Landstraße, die mehrere Kreuzungsbereiche aufweist, ist gepflastert mit Kreisverkehren. Was an und für sich eine gute Sache ist, wird für einen Schalt-, Kuppel- und Lenkmuffel wie mich zur Qual. Gefühlt jede Einmündung ist mit einem Kreisverkehr ausgestattet. Das bedeutet jedes Mal: abbremsen, runterschalten, lenken, hochschalten beschleunigen. Welch‘ ein Umstand und was für eine Anstrengung für Fahrer und Motor. Regelmäßig verpasse ich die richtigen Bremsmomente, schalte zu spät oder zu früh und kann mich einfach nicht auf die CD im Autoradio einlassen. Wo ist der Beifahrer mit Gebetbuch, wenn man ihn braucht?
Auf dem Hinweg zum Posies Konzert in Heerlen läuft eine Spain CD. Nach dem letzten Konzert hatte ich schnellstmöglich alle verfügbaren Alben der Band gekauft und bin nun dabei, mich durchzuhören. Spain liefern eine unaufgeregte, ruhige Musik, die sich dadurch ideal als Autofahrsoundtrack eignet.

Was das mit den Posies zu tun hat? Nun, genauso wenig wie der Umstand, dass in Heerlen an diesem Freitagabend Kirmes ist und die Stadt trotz fortgeschrittener Stunde mit freien Parkplätzen geizt.

Um halb neun betrete ich das Poppodium Nieuwe Nor, diesen kleinen, feinen Konzertsaal mit perfekter Haustechnik. Es ist Umbaupause und mich empfängt ein Soundmix einer der 2000er Indie Disco: „Teenage FBI“, „Peace & Quiet“, „PDA“. Fehlen dürfen in diesem Kontext nie die Pixies und die Ramones. Der DJ versteht seinen Job und liefert entsprechend stimmungsfördernde Musik für meine Generation, die im Saal eindeutig die Mehrheit stellt.

The Posies.
Was ist eigentlich aus dem Indiego Projekt geworden, bei dem man eine Dokumentation über Ken Stringfellow unterstützen konnte? Nach anfänglicher Begeisterung habe ich das Projekt der Berliner Filmemacherin Claudia Rorarius aus den Augen verloren. Der Tausendsassa der Band wäre mindestens eine Dokumentation wert. R.E.M., Big Star, Ken Stringfellow war dabei.  Mit Jon Auer gründete er 1988 The Posies. 8 Studioalben später gehen sie auf Jubiläumstour. 30th Anniversary Tour nennt sich das Ereignis, das nicht nur mich nach Heerlen führt.
Der kleine Saal des Nieuwe Nor ist wie geschaffen für ein solches Konzert. Nicht zu groß, aufgeräumt, ohne Brimborium oder Animositäten. Denke ich an Jubiläumstouren älterer Bands, die heute eher sehr tief unter dem Radar fliegen, denke ich immer auch an’s Nieuwe Nor. Das passt irgendwie. Die 23 steht auf einer der Boxen und vielleicht 200 Leute haben sich gegen den Kirmesbesuch und für The Posies entscheiden.

Erster Song. Erster Hit. „Dream all day“ ist der vielleicht größte Hit der Posies. Damit ein Konzert eröffnen, erscheint mutig. Die Posies machen das, auch weil sie in den nächsten Minuten gut nachlegen können. „Any other way“ oder später „Flavor of the month“ und „Solar sister“ sind schönste Indiepopsongs, die auch Dekaden später mühelos ihren Charme verbreiten können. The Posies spielen – passend zum Tourmotto – alles aus den letzten 30 Jahren, was schön und wichtig ist. Einzige Ausnahme: „Going going gone“. Ihren Beitrag zum Reality bites Soundtrack haben sie, soweit ich weiß, aber eh noch nie auf Konzerten gespielt.

Das Konzert macht Spaß. Neben den beiden Gitarristen am Bühnenrand komplettieren Mike Musburger am Schlagzeug und Dave Fox am Bass die Band. Letztgenannter beeindruckt mich mit einem konsequenten Outfit. Nicht nur das T-Shirt ist im schwarz-weißen Schachbrettmuster gehalten, auch die beiden Knöchelschweißbänder besitzen dieses schwarz-weiße Karo. Dagegen kann keiner anstinken. Ken Stringfellow und Jon Auer versuchen es mit Portemonnaieketten, schaffen es aber nicht. Und ich frage mich erneut intensiv und ernsthaft, wozu diese Dinger eigentlich gut sind.
Jon Auer und Ken Stringfellow agieren wie Aufziehmännchen. Einmal angestupst, springen und airkicken sie sich wie wild durch ihre Indiepopsongs, die den Aktionismus irgendwie gar nicht hervorrufen. Melodiös und eher ruhig empfinde ich an diesem Abend ihre Songs, die wilde Rockshow kommt mir dabei nicht in den Sinn. The Posies spielen mehr Popsongs als Rocksongs; das rumspringen und Gitarre hochwerfen irritiert mich. Das Konzert liefert bei genauer Beobachtung ein paar witzig-süße Momente. Da wäre die Frau, die während einer ich-springe-in-die-Luft Eskapade von Jon Auer (von der es im Übrigen sehr viele gab) den aus der Mehrfachsteckerleiste gerissenen Stromstecker wieder einstöpselt und die Leiste sorgsam aus dem Sprungfeld des Gitarristen an den Bühnenrand legt und dafür am Songende ein thumbs-up einheimst. Oder aber das sehr sanfte mit dem Fuß wegschieben eines Fans, der zu Konzertbeginn scheinbar zu nah am Bühnenrand steht. Eine sinnvolle Aktion, wie sich im Lauf des Abends herausstellt. Denn sehr oft kreist der Gitarrenarm in Kopfhöhe über den Bühnenrand.

Seattle. Great scene, great music, great bands. Some got more famous than others…

Jaja, wir wissen Bescheid. The Posies gehören nicht zu den berühmteren Seattle Bands. 7 year bitch auch nicht. Mit deren Sängerin verband sie eine enge Freundschaft. „How she lied by living”, ein Song über die 7 year bitch Sängerin Stefanie Sargent, spielen sie neben „Ontario“, „Throwaway“ und „Burn and Shine“ in der Zugabe.
Danach hängt nur noch eine Saite am Gitarrenarm von Jon Auer. Ende des Konzertes. Die Gitarre liegt am Boden. Ein letztes Photo des geschundenen Instrumentes für den Instagram Account, das war‘s. Konzertende.

Kontextkonzerte:
Nada Surf – Köln, 04.04.2016 / Live Music Hall

Schreibe einen Kommentar