Ort: FZW, Dortmund
Vorband:

Es war in vielen Dingen ein spezieller Abend. Nach langer Zeit und vielen Konzerten in den letzten Jahren hatte ich auf dem Weg nach Dortmund so gar nicht das Bedürfnis, unbedingt rechtzeitig um kurz nach acht Uhr da sein zu müssen. So trödelte ich ein wenig herum, tankte noch an einer freien Tankstelle für 1,43 Euro, um an der nächsten Aral festzustellen, dass der Liter hier 1,38 kostet, und zuckelte gemütlich über die baustellengeschwängerte Autobahn. Ich hatte Lust auf Auto fahren und CD hören, einige Neuerscheinungen warteten schließlich darauf, in Ruhe gehört zu werden. Aber nicht, dass das jetzt der Grund für meinen Ausflug nach Dortmund gewesen wäre. Ich war auch ein bisschen neugierig auf die japanischen Mono. Von denen hatte ich schon einiges gehört, also musikalisch als auch aus Erzählungen. Und das klang sehr lohnenswert…
Vor dem FZW standen noch viele Leute. ‚Sind die schon angefangen‘, fragte ich an der Kasse.

‚Ähh, ja, glaube schon. Die Vorband spielt gerade. Oder so ähnlich. Ich weiß nicht, ob das dazugehört.‘

Ich wurde nicht so richtig schlau aus diesen Sätzen, merkte mir aber: die Vorband spielt gerade. Gut, nichts verpasst.
Als ich den kleinen Saal des FZW betrat, lichteten sich die nebulösen Bemerkungen des Kassenmanns. Wabbersounds und Sphärisches klang aus den Boxen. Auf der Bühne saßen zwei Jungs in Gartenstühlen. Vor sich hatten sie auf einem Tisch ein Macbook, ein iPod und ein Mischgerät aufgebaut. Ach ja, und eine über USB angeschlossene externe Festplatte. Im Licht des Monitors klickerten sie mit der Maus oder auf der Tastatur umher. Ab und an nuckelte einer der beiden an seiner Flasche Bier. Ihre „Performance“ war meinen abendlichen Internetsessions sehr ähnlich. Vielleicht haben sie auch einfach eine wav Datei gestartet und ein bisschen rumgesurft.
Als ich um kurz vor neun die Treppen um Saal hinunterging, sah und fühlte es sich gut gefüllt an. Zwanzig Minuten später hatte es sich hinten heraus merklich geleert. Die sehr ruhigen und sehr experimentell-schwerfälligen Sounds schienen nicht jedermanns Sache zu sein.
Das Mono Publikum ist überwiegend männlich. Unaufgeregt und sachlich. Und vor allem diszipliniert ruhig während des Konzerts. Ich bilde mir ein, ein bestimmtes Besuchermuster auszumachen. Mono, oder Archive oder auch Volcano the Bear oder andere Experimentell-Dark-Noise-Kraut-Rockbands ziehen ein spezielles Publikum an. Klar, Songs jenseits der 10 Minutengrenze, dazu noch instrumental und komplex im Aufbau und der Struktur, sind nichts für den schnellen Hörgeschmack. Das kann für den auf Dauer langweilig werden, der sich nicht wirklich mit der Musik auseinandersetzt. Und das bedeutet: Hausaufgaben machen. Und die lauten: Die Alben in aller Ruhe zu Hause hören, mehrfach und dabei die Feinheiten der einzelnen Songs herauszuarbeiten. Denn die gibt es unter all den Gitarren. Beispielsweise ein Glockenspiel, das wie in „Kidnappers bell“ aus dem nichts auftaucht. Investiert man die Zeit, dann erschließen sich einem die Songs und jeder Einzelne entwickelt seine eigene Identität. Dann machen 10 Minuten Songs richtig Spaß.
Live gilt es, eine Voraussetzung zu schaffen. Der Sound muss gut sein, nichts darf in einem Matschknäuel oder schlecht abgemischten Lautstärken untergehen. Und im FZW war die Soundumsetzung perfekt. Daran gibt es nichts zu rütteln. Glasklar die Aussteuerung, und gar nicht so laut, wie ich es erwartet hatte.
Takaakira Goto, Tamaki Kunishi und Yoda spielen mal auf Hockern sitzend, mal stehend ihre Gitarren. Den Schlagzeuger Yasunori Takada sehe ich leider nicht so gut. Ein, zwei Boxen versperren die Sicht.

Ich seh’ nur Haare und hör Gitarren. Toll!!!

Diese kurze Zustandsbeschreibungs muss raus. Das trifft den Abend sehr perfekt. ‚Wenn ich nicht wüsste, wo du bist, jetzt wüsste ich es‘, ließ die Expertenantwort nicht lange auf sich warten. Da war es halb elf, Mono standen seit einer Stunde auf der Bühne und sind gerade bei Song Nummer sechs angekommen. Oh ja, durchschnittlich 10 Minuten hatte ich bis dahin pro Song ausgemacht. Mono Songs (auch die in Stereo … hahaha)* brauchen eben ihre Zeit. Monos Musik ist instrumental. Die japanischen Postrocker arbeiten natürlich mit Laut-leise-Dynamiken und all dem traditionellen Postrock Kram, also gemächlicher Beginn, sich steigernde Gitarrenlautstärke ab dem Mittelteil, dem totalen Ausbruch kurz vor Schluss und einem versöhnlichen, friedvollen Ende. Trotz eines irgendwie gleichen Grundaufbaus der Stücke war keine einzelne Minute langweilig. Neun Songs lang ist die Setlist, neunmal ein ähnliches Prozedere. Kurz Gitarren stimmen, Köpfe nach unten und los.
Als Zuhörer bleibt einem nur der Lärmrausch.

Das Geheimnis von Postrock Konzerten ist es, sich den Songs auszuliefern. Egal ob Mogwai, Godspeed you Black! Emporer oder andere Kollegen, die Menschen sind nicht der Hauptact des Konzertes. Zu sehen gibt es nicht viel, zu erleben im Sinne von Aktionismus eher wenig.
Daher ist ein gutes Postrock Konzert einfach beschrieben: wenn es den Künstlern und der Musik gelingt, einen für 90 Minuten wegdämmern zu lassen, gemütlich dazustehen und zu schwelgen, die Klangstrukturen wirken zu lassen, dann ist es ein gutes Konzert.
Mono schafften dies gestern Abend. Ich war verzückt, gefangen und überhaupt! Ein intensives Konzert!

* Tschuldigung wegen des abgedroschenen und fürchterlichen Wortscherzes. Aber ich musste es irgendwie unterbringen.

Setlist:
01: Ashes in the snow
02: Burial at sea
03: Kidnapper bell
04: Pure as snow
05: Sabbath
06: Yearning
07: Follow the map
08: Halcyon
09: Everlasting light

Kontextkonzerte:
Mogwai – Essen, 11.09.2006
Mogwai – Köln, 29.10.2008

Mogwai – Bochum, 30.06.2009
Volcano the bear – Dortmund, 07.10.2009

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

Schreibe einen Kommentar