Ort: Muziekgieterij, Maastricht
Vorband: Kathryn Joseph

Mogwai gehören zu den Guten. – 2006
Die Zeit vergeht rasend schnell. Eine Stunde braucht keine 60 Minuten. – 2008
Es war ein toller Abend mit einer tollen Band! – 2009
Atmosphärisch und musikalisch mein bisher schönstes Mogwai Konzert. – 2022
Mogwai sind episch as always. – 2022
Das sind die gesammelten Fazits zu meinen bisherigen fünf Mogwai Konzerten. Für all die Lobeshymnen, die ich der Band seit knapp 20 Jahren zukommen lassen, sind es eigentlich viel zu wenige. Vor allem die lange Pause zwischen 2009 und 2022 irritiert doch ein wenig. Immerhin haben Mogwai in dieser Zeit vier Alben veröffentlicht und waren mit Sicherheit mit dem ein oder anderen Album auf Tour. Gelegenheiten hat es also bestimmt gegeben, aber es gab einen Grund für meine Mogwai Pause:
…, weil mich ihr Konzert auf dem Primavera Sound Festival vor einigen Wochen so dermaßen überzeugt hat, dass ich heiß auf einen weiteren Mogwai Auftritt bin und ich mir die Schotten durchaus wieder gerne live anschaue. Jahrelang, eigentlich seit ihrem Zinedine Zidane Doku-Soundtrack Zidane: A 21st Century Portrait, hatte ich dazu keine Lust. Ihre Gitarrenwände sagten mir nichts mehr, ihre Konzerte empfand ich als zu langatmig. Doch mit ihrem Primavera Gig haben sie mich wieder gepackt.
Na also. Schönheit never dies, es braucht nur manchmal ein kleine Pause. Zumindest live, denn ihr 2011er Album Hardcore will never die, but you will steht zuhause im CD-Regal. Meine letzten beiden Mogwai Konzerte fanden alle im Festivalrahmen statt, umso mehr freute ich mich, als Ende letzten Jahres das Tourprogramm zur aktuellen Scheibe The Bad Fire mit Maastricht einen Konzertort in meiner Nähe auswies. Ich hatte nämlich große Lust auf ein Mogwai Konzert.
Ich hatte mir vorgenommen, relativ pünktlich in Maastricht zu sein. Nichts ist ärgerlicher, als wegen ein bisschen Trödelei einen guten Stehplatz aufs Spiel zu setzen. Und da ich an diesem Freitagnachmittag keine Termine hatte, klappte es mit dem zeitigen Aufbrechen. Während der Fahrt musste ich nochmal an mein letztes Mogwai Konzert beim Rock Herk Festival zurückdenken. Vor Mogwai spielten Beak> und der Mogwai Sänger (?) Stuart Braithwaite schaute während des Beak>’schen Soundchecks vor der Bühne vorbei. Das nutzte ein Mädchen aus, um schnell nach einem Selfie zu fragen, das sie dann auch bekam und freudestrahlend an die Bühne zurückkehrte. Beak> Gitarrist Billy Fuller bekam das mit und verarbeitete die gesehene Szene direkt in einem Soundchecksongfragment.
She has a selfie with Stu from Mogwai / She has a selfie with Stu from Mogwai
Now she’s jumping up and down, now she’s jumping up and down
Großartig und spaßig. Ich werde das nie vergessen. Auch Beak> gehören zu den Guten.
Als ich gegen halb acht den großen Saal der Muziekgieterij betrete, ist der noch locker gefüllt. In Belgien/den Niederlanden/Luxemburg kommen die Leute sehr zeitnah zu den Konzerten, es ist nicht wie bei uns, wo man zur Einlasszeit vor Ort sein muss, um einen vorderen Platz zu bekommen. Zumindest gilt das bei Shows dieser Größenordnung. Der große Saal der Muziekgieterij fasst ungefähr 1500 Leute, habe ich mir vor dem Konzert sagen lassen. Das Konzert ist seit einigen Tagen ausverkauft. In Deutschland spielen Mogwai auf dieser Tour nur in Hamburg, Berlin und Leipzig; um Köln machen sie einen Bogen. Daher ist es wenig überraschend, dass nicht wenige Rheinländer den Weg nach Maastricht gefunden haben. Mir passt Maastricht ganz gut in den Kram, das Ambiente hier ist einfach das bessere.
Das Vorprogramm bestreitet Kathryn Joseph, eine schottische Singersongwriterin. Die junge Frau kommt mir bekannt vor, ich kann mich jedoch nicht erinnern, ob und wenn wann ich sie schon einmal live gesehen habe. Ihr Keyboard ist mittig am Bühnenrand aufgebaut. Nun sitzt sie da und spielt schöne Songs mit autobiographischen Texten; teils sarkastisch, immer nachdenklich. Ihre Gedanken und Ereignisse, die zu den Songs führten, erzählt sie vorab. Gute 35, 40 Minuten spielt sie ihre Songs. Die sind – auch aufgrund der reduzierten Instrumentierung – ruhig und leise. Aber das Publikum ist aufmerksam und lauscht respektvoll und andächtig. Zumindest in den vorderen Reihen. Von hinten höre ich natürlich das Klappern und Geschnatter von der Bar. Wenn ich so um mich schaue glaube ich, dass Kathryn Joseph an diesem Abend viele neue Fans gewonnen haben dürfte. Und das ist gut.
21.15 Uhr. Stuart Braithwaite, Dominic Aitchison, Martin Bulloch, Barry Burns und Alex Mackay, der Mogwai seit einigen Jahren bei Livekonzerten unterstützt, betreten die Bühne. Im Vorfeld hatte ich gelesen, dass Mogwai bei ihrer Tour hauptsächlich Songs des neuen Albums The bad fire spielen. Das kenne ich natürlich nicht und so hatte ich kurz überlegt, mir das Album wenigstens noch digital zu besorgen, um im Konzert nicht ganz dumm dazustehen. Ich habe es dann nicht getan, weil ich mich dann doch lieber überraschen lassen wollte. Was kann da schon schieflaufen? Und immerhin kenne ich die Single; „Fanzine made of flesh“ ist ein Supersong!
Zu Beginn kommen dann auch direkt die ersten beiden Songs des aktuellen Albums: “God gets you back” und „Hi chaos“. Vier weitere sollen folgen. Somit sind knapp die Hälfte der Setlist neue Songs. Die älteren haben es in sich: „We’re no here“, „I’m Jim Morrison, I’m dead“, „Every country’s sun“ oder das nicht ganz so alte „Ritchie Sacramento“ ziehen ordentlich. Leider spielen sie nichts von meinem Mogwai Lieblingsalbum Happy songs for happy people. Neben dem Zidane Soundtrack, über den ich die Band erst so richtig kennen- und schätzen gelernt habe, ist Happy songs for happy people das Album mit der höchsten Spielzeit in meinem CD-Spieler. Seinerzeit gefiel mir der Albumtitel sehr. Aus heutiger Sicht finde ich ihn nicht mehr so besonders.
Damals wie heute gibt es zwei Möglichkeiten, mit Mogwai umzugehen. Entweder man mag ihre instrumentalen Wall of Sound zu 100% oder man findet ihn sterbenslangweilig. Ein Fantum in Graustufen lassen die Schotten nicht zu.
In der Muziekgieterij stehen nur Wall of Sound Enthusiasten. Ich bin direkt nach den ersten Minuten des Openers im Konzert und nehme es wie im Rausch wahr. Obwohl der Laden ausverkauft ist, steht man in den ersten Reihen sehr locker. Es ist also von dieser Seite her wenig anstrengend, sich dem Soundgewitter hinzugeben. Tontechnisch ist es das auch nicht. Kein Dröhnen, keine übersteuerten Gitarren. Dummerweise hatte ich genau an diesem Abend meine Ohrenstöpsel zuhause vergessen. Als ich das während des Openers bemerkte, wurde ich ein bisschen hektisch, aber schlussendlich reichten mir ein paar Taschentücher in den Ohren. Es ist gar nicht mal so laut wie gedacht (befürchtet) und alles ist sauber ausgepegelt. Im Konzert kann man sehr gut abschätzen, wann wieder ein älterer Track gespielt wird. Jedes Mal, wenn Barry Burns und Alex Mackay ihre Keyboardposition verlassen und auch zu den Gitarren greifen, wird es noisy. Die neuen Songs kommen mir ‘luftiger’ vor, nicht so dicht. Die Single „Fanzine made of flesh“ hat gar eine Art Synthie-Rock, der Gesang Stuart Braithwaites ist dazu durch einen Vocoder stark verfremdet. Das hat was, mir gefällt der Song. Das Ding klingt sehr tanzbar. Dennoch sind es mehr die Kopfnicker Songs, die stärker begeistern. Und wenn ich sehe, wie sich mein Konzertnachbar bei „We’re no here“ Tränen aus den Augen wischen muss, weiß ich, wie es um ihn aussieht. Mogwai Konzerte machen etwas mit einem. Wenn man es zulässt, überwältigen sie einen und lassen einen auch Stunden nach dem Konzert noch nicht los. Ich denke nachts noch lange an das Konzert zurück.
Nach einer guten Stunde verlassen Mogwai die Bühne. Es beginnt die Zugabenzeit, es beginnen über 25 Minuten „My Father, my King“. Allein dieser Song ist das Eintrittsgeld wert. ‘Two parts serenity and one part death metal’, so beschreibt die Musikseite Wikipedia den Song. Ich weiß es nicht, für mich ist er einfach nur ein Biest. Ein großes Biest. Quatsch, ein sehr großes Biest.
Setlist:
01: God gets you back
02: Hi chaos
03: Take me somewhere nice
04: Ritchie Sacramento
05: Hammer room
06: I’m Jim Morrison, I’m dead
07: If you find this world bad, you should see some of the others
08: New paths to Helicon, Pt. 1
09: Fanzine made of flesh
10: Every country’s sun
11: Lion Rumpus
12: We’re no here
Zugabe:
13: Heard about you last night
14: My Father, my King
Kontextkonzerte:
Mogwai – Rock Herk Festival Herk-de-Stad, 16.07.2022
Mogwai – Primavera Sound Festival Barcelona, 11.06.2022
Mogwai – Bochum, 30.06.2009 / Schauspielhaus
Mogwai – Köln, 29.10.2008 / Live Music Hall
Mogwai – Essen, 11.09.2006 / Weststadthalle