Ort: Rotondes, Luxemburg
Vorband: Ultranothing

FACS,2025,concert,Luxemburg,Rotondes

Als ich vom FACS Konzert in der Rotonde am Luxemburger Hauptbahnhof las, war sofort klar, dass ich da hinfahren möchte. FACS gehört zu einer der wenigen Bands, die ich jederzeit live sehen mag und die ich jederzeit hören kann. Bei FACS habe ich kein sinuskurvenartiges Fanverhalten, da bin ich Fan auf konstant gleichem Level. Sogar bei 30 Grad und Sonnenschein gefällt mir ihr düster Post-Rock. Er wirkt in diesem Ambiente zwar enorm deplatziert, aber er gefällt mir. Das Beispiel kommt mir in den Sinn, weil ich vor einigen Jahren Disappears (FACS Vorgängerband, identischer Musikstil) auf einem Primavera Sound Festival um 17 Uhr nachmittags in praller Sonne bei 30 Grad live gesehen habe. Damals fragte ich vorher, ob die Post-Punk/Post-Rock Gitarren und der eher dunkle und spröde Sound an einem Sonnentag für mich funktionieren kann. Es funktionierte.
Um es nochmal kurz zu erläutern: FACS sind die ex-Disappears Brian Case (Sänger) Noah Leger (Gitarrist) und Schlagzeuger Jonathan van Herik. Nachdem der Bassist Damon Carruesco die Band Disappears aus beruflichen Gründen verlassen hat, gründeten die anderen drei Bandmitglieder kurzerhand eine neue Band: FACS. Anfangs waren sie noch zu viert, Alianna Kalaba hat jedoch vor ein paar Jahren die Band verlassen. Seitdem haben sie sechs Alben veröffentlicht. Das aktuelle Wish Defense wird dieser Tage rausgehauen. Es ist übrigens das letzte Album, bei dem der viel zu früh verstorbene Steve Albini seine Finger mit im Spiel hatte.

FACS release so much great music so often that it’s easy to take them for granted, and a factoid like “the final album worked on by Steve Albini” gives us reason to snap back to attention. They tracked two days with Albini before his death, with Sanford Parker stepping in to finish the album using Albini’s notes. Wish Defense also marks the return of original FACS member Jonathan Van Herik on bass, replacing Alianna Kalaba.

stereogum.com

Um halb neun eröffnet die luxemburgische Post-Hardrockband/Post-Hardcore Ultranothing. Ja, ‘Post Post irgendwas’ (nebenbei bemerkt der Titel einer tolle Dissolver Single) ist an diesem Abend in der Rotonde stark gefragt.
Ultranothing legen gut vor. Ein Brett von einem Kurzkonzert. Ich möchte die Band jedem Fugazi/Shellac/etc. Enthusiasten wärmstens ans Herz legen. ‘Ultranothing is a melancho punk noise band from Luxembourg’ steht auf der Rotondes Homepage. Ich höre zwar mehr screamo als melancho, aber passt schon. Die drei hauen ordentlich einen raus, ohne dabei zu kompromisslos noisy zu sein. Das hat Spaß gemacht. Ich weiß nicht, wie die das in unserem kleinen Nachbarland machen oder was man Nachwuchsmusiker*innen ins Essen gibt. Ich habe aus Versehen – weil im Vorprogramm auftretend – mittlerweile eine Vielzahl an luxemburgischen Indiebands gesehen, und jede wusste mich irgendwie zu überzeugen. Das Reservoir scheint groß zu sein, Ultranothing ist da keine Ausnahme. Auf bandcamp sehe ich, dass die Band genau eine EP veröffentlicht hat. An diesem Abend höre ich alle Songs der EP plus einen neuen Song. Eine gute halbe Stunde spielt das Trio, das mich in dieser Zeit mühelos zu überzeugen weiß.

Laut Timetable sind FACS für 21.30 Uhr angesetzt. Sie haben aber scheinbar nach dem zügigen Umbau keine Lust unnötig zu warten und starten unvermittelt nach dem letzten Toncheck ins Programm. Der halbe Saal steht noch im Vorraum und muss sich nun sputen, nicht die ersten Gitarrensequenzen zu verpassen. Neun Songtitel stehen auf den handgeschriebenen Setlistzetteln, die meisten davon stammen vom aktuellen Album Wish Defense. Es könnte daher ein kurzes Vergnügen werden. Da ich Wish Defense noch nicht auf Tonträger zu Hause im Regal stehen habe, besorge ich mir die CD noch rasch vor dem Konzert am Merchstand. Neben dem Sänger von FACS, der sich um den Merch kümmert und mir eine CD aushändigt, steht der Sänger von Ultranothing, die nebenan ihre EP verkaufen. Ich bekomme mit, wie sie sich nebenbei über Shellac unterhalten. ‘Das passt ja in den Abend’, denke ich und verziehe mich rasch wieder. Ich möchte bei der Unterhaltung nicht stören.

FACS starten mit „When you say“ vom 2023 Album Still life in decay. Die Bühne ist spärlich ausgeleuchtet, heller wird es im Verlauf nicht. Bis auf „Talking haunted“ spielen sie alles von der neuen Platte, „Strawberry cough“ und „Take me to your heart“ ergänzen das Set sehr passend. Schade eigentlich, dass sie „Talking haunted“ nicht gespielt haben, stelle ich im Nachhinein fest. Der Track hat einen schönen Cure-esken Bass, der Sprechgesang und die reinschneidende Gitarre sind auf den Punkt gebrachter Post-Punk. „Talking haunted“ ist vielleicht der beste Song der Platte.

Sofort ist alles da und das Konzert entwickelt sich. Trüb und träge schleppen sich die Gitarren, scheppert das Schlagzeug so heftig, dass es während der einen Konzertstunde zweimal nachjustiert werden muss.

So beschrieb ich mein letztes FACS Konzert, datiert auf den 15.11.2018. Zwei Drittel meiner Konzertbeobachtungen von vor sieben Jahren treffen auch auf diesen Abend zu. Nur das Schlagzeug muss nicht nachjustiert werden. Aber Jonathan van Herik ist nach der knappen Konzertstunde fix und fertig. Kaputt stützt er sich mit beiden Armen auf dem Becken ab, nachdem der letzte Trommelschlag verklungen ist. Er hat einen tollen Job gemacht. Immer und immerzu treibt er mit wuchtigen Schlägen den FACS Sound nach vorne, drischt mitunter wie ein Irrwisch auf das Becken. Am linken und rechten Bühnenrand haben sich die beiden Gitarristen platziert, die Bühnenmitte bleibt leer. Während Brian Case mit überkreuzten beinen (coolste Stehpose überhaupt) unaufgeregt seine Gitarre spielt, trägt Noah Leger mehr gekrümmt als aufrecht und oft mit dem Rücken zum Saal stehend den bass. Er ist Team Headbanger und damit das diametrale Gegenstück zu Brian Case hinsichtlich der Bühnenperformance. Nach „Sometimes only“ ist Schluss. Das war es. FACS spielen keine Zugabe. So unscheinbar wie sie auf die Bühne gekommen sind, gehen sie auch wieder. Mein Stehplatznachbar wird davon überrascht. ‘Wie schon vorbei’, murmelt er in sanftem luxemburgisch, als er mit einem neuen Glas Bier in der Hand wieder an seinen Platz zurückkehrt. Ja, schon vorbei. Neun Songs, 45 Minuten. Kurz und schmerzlos.

FACS. Rotondes. Luxemburg.Post-Punk/Post-Rock. Mir gefällt sowas. Gutes Konzert.#facs #conceet #postpunk #postrock #rotondes

Frank (@spiralstairs.bsky.social) 2025-02-13T09:59:32.074Z

Es ist zehn nach zehn, als ich die Rotonde verlasse. Der Parkautomat am Luxemburger Hauptbahnhof auf der anderen Seite der Bahngleise verlangt 2 Euro Parkgebühren. Es war ein guter Abend und gut angelegte 16 Euro.

Leider schaffe ich ihr Konzert in Trier in einer Woche nicht.

Setlist:
01: When you say
02: A room
03: Ordinary voices
04: Wish defense
05: Strawberry cough
06: Desire path
07: Take me to your heart
08: You future
09: Sometimes only

Kontextkonzerte:
FACS – Köln, 15.11.2018 / Gewölbe
Disappears – Primavera Sound Festival Barcelona, 29.05.2015
Disappears – Köln, 04.07.2012 / Gebäude 9

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