Ort: Tivoli Vredenburg, Utrecht
Bands: Eerie Wanda, Death and Vanilla, Bennie Maupin, Atlas Sound, Deerhunter

Deerhunter

Am Sonntag war Festival-Blues. Nachdem Kamasi Washington am Vorabend die größtmögliche Show abgeliefert hatte, war die Luft ein bisschen raus. So viele Reize strömten an den vorherigen drei Tagen auf mich ein, es war beinahe genug für das Wochenende. Hinzu kam, dass an diesem letzten Utrecht Tag kein Konzert dabei war, auf das ich regelrecht hin fieberte. Am Donnerstag freute ich mich sehr auf Ought, am Freitag auf Marissa Nadler, am Samstag Destroyer und Kamasi Washington.
So plätscherte der Tag ein wenig. Sicher, Deerhunter sollten noch spielen, The Pop Group und Ariel Pink auch. Bands und Musiker, die man sich gerne anschauen mag, aber ich eben nicht zwingend ansehen muss.

Death and VanillaUm jedoch nicht gänzlich den Absprung zu verpassen, machte ich mich relativ früh auf den Weg ins Tivoli Vredenburg. Man kennt das ja, wenn man sich an solchen Tagen nicht beizeiten aufrafft, schafft man es überhaupt nicht mehr. Und im Übrigen, mich reizten die holländischen Eerie Wanda ein bisschen, denn das Festivalhandbuch hielt fest:

Like fellow retro-revivalists Allah-Las and Jacco Gardner, Eerie Wanda likes to submerge in sounds from the past. Formed by singer-songwriter Marina Tadic, the group’s elementary psych pop breathes a lush, sparkling aura that recalls Jefferson Airplane and the beatnik 60s folk rock of The Lovin’ Spoonful. Simmering at the hub of this sound is Tadic’s self-possessed Nico-like delivery.

Da las sich nicht so verkehrt. Da ich eh die nachfolgenden Death and Vanilla sehen wollte, kam mir ihr Auftritt zeitlich somit gut gelegen. Dass ich dann doch nicht so viel von ihrem Konzert mitbekam, lag zum einen an der Tatsache, dass mich ihr Pop schlussendlich doch nicht wirklich begeisterte, ich lieber aus dem Fenster der Pandora Bar, in der das Konzert stattfand, schaute oder mich von anderen Sachen ablenken ließ.
Bei Death and Vanilla ließ ich mich nicht so schnell ablenken. Direkt mit ihrem ersten Song machte mich die Band neugierig auf mehr und hielt mich bei der Stange. Der klang sehr schön 1980er Jahre poppig und hatte Qualität. Die Pandora Bar war zwar nach wie vor noch sehr spärlich besucht, aber die, die da waren, waren wegen der Band da. Mit Dream-Pop kriegt man halt Leute. Marleen Nilsson, Anders Hansson und Magnus Bodin aus Malmö gelingt das mühelos, ihre Songs aus Keyboard und Gitarre sind schön und passen irgendwie zur Uhrzeit. Nachmittags nach fünf Uhr mag ich sowas hören, was der Online-Guardian mit

…put baroque pop through a 90s dreampop filter. Their music variously recalls the eerie, haunted ambience of Angelo Badalamenti/Julee Cruise’s Twin Peaks soundtrack, Stereolab/Broadcast’s experimental vision of 50s lounge muzak/exotica and French 60s pop, or the narcotic country-noir of Mazzy Star.

bezeichnet. Dort waren sie vor einigen Wochen die sogenannte Band of the week. Wenn sie auch nicht meine Band of the festival wurden, zumindest gaben Death and Vanilla mir den notwendigen Aufwachkick für diesen Sonntag, so dass ich neugierig in den weiteren Abend blickte.

Bennie MaupinJazz. Bennie Maupin war unsere heutige Dosis. Wiederum eine dieser SunnO))) Geschichten.
Im Vorfeld waren wir uns nicht ganz einig, welche Art von Jazz uns erwarten würde. Nach dem deutlich überzogenen Soundcheck, denn wir so nahezu komplett mitbekamen, gab es keinen Zweifel mehr. Der Saxophonist, Klarinettist und Flötist wird uns mit einem wunderschönen unprätentiösen Jazzset verwöhnen, dass sehr klassisch und ausgeglichen daherkommt. Klavier, Saxofon oder Klarinette und Bass. Der große Saal der Vredenburg war zwar nicht so ausgiebig gefüllt wie tags zuvor bei Kamasi Washington, aber man merkte doch erkennbar, dass viele etwas mit dem Namen Bennie Maupin anfangen konnten und sich bewusst dieses Konzert aussuchten. ‘Everything sounds perfect. Think of your audience‘ wurde auch dann der pingelig wirkende Soundcheck von den Rängen aus kommentiert, als die eigentliche Konzertstartzeit bereits um 15 Minuten überschritten war und scheinbar immer noch nicht alles zur Zufriedenheit der Musiker aus den monitorboxen klang. Bennie Maupin winkte zwar mit der Hand kurz ab, verschwand dann aber hinter der Bühne, um kurz danach mit dem Konzert zu beginnen. Als dann das Licht ausging zogen viele ihre Schuhe aus und machten es sich auf den roten und weichen Theaterklappsesseln gemütlich.
Der Jazz, den Bennie Maupin und Band dazu spielten, war der ideale Soundtrack zum wegdösen. Keine wilden soloritte, keine unvorhersehbare Dramatik, ein schöner gleichbleibender ruhiger Geräuschpegel. Nur ein Mal ließ er sich zu einer Ansage hinreißen. Als nächstes Stück würden sie jetzt einen Song spielen, denn man vielleicht kennen könne und an dem er mitgeschrieben hätte: Herbie Hancocks „Butterfly“. Klang diese Ansage ein bisschen sarkastisch? Ach, ich glaube nicht.
Und während alle zu Annette Peacock gingen, schauten wir uns Atlas Sound an.

Atlas SoundAtlas Sound ist ein Projekt des Deerhunter Sängers Bradford Cox. Seit 2007 veröffentlicht er unter diesem Namen seine Musik abseits er Band Deerhunter. Das läuft für Cox nicht anders als bei jedem anderen Musiker, lese ich nach dem Konzert.

„I have ideas that I can’t make work with a five piece rock band…There’s kind of this palette of sounds that I use that I don’t necessarily get to use with Deerhunter.“

Folglich muss ein anderes Musikprojekt her, Atlas Sound. Das stemmt er im Ronda alleine. Auf der Bühne sind zwei Synthesizer aufgebaut, abwechselnd steht Bradford Cox vor dem ein oder anderen. Eine Gitarre hängt dabei um seine Schulter, denn einige der Songs spielt er nur auf der Gitarre. Das Ganze wirkt auf mich etwas Dröge. Lange und alleingelassene Keyboardpassagen oder Gitarrenfeedbacks geben wenig Abwechslung, die Songs wirken dadurch verschroben und arg inszeniert. So richtig Spaß macht mir das Zuhören nicht, allerdings muss ich ausharren. Da sich der Saal immer mehr füllt, wäre ein kurzes Verschwinden vielleicht schon gleichbedeutend mit dem nicht-sehen des Deerhunter Konzertes, das direkt im Anschluss an Ort und Stelle stattfindet. Irgendwie geht dann auch diese knappe Stunde vorbei, sie fühlte sich an wie die uninteressanteste des gesamten Le Guess Who Festivals.

DeerhunterKurz darauf dann Deerhunter. Das Bühnenlicht war nun nichtmehr durchgängig blau, sondern auch manchmal einfarbig rot. Bradford Cox in Bandbesetzung mit Lockett Pundt, Moses Archuleta und Josh McKay. 2013 spielten sie auf dem Primavera Festival drei Konzerte – zwei reguläre und eines als schneller Ersatz für eine kurzfristig ausgefallene Band – mit drei identischen Setlisten. In Utrecht bleibt es bei einem Auftritt, dem letzten des Le Guess Who 2015. In Barcelona sah ich sie nicht, und so wurde ich mit den Worten ‘die machen halt so Indierock‘ belehrt, als ich nach der Musik fragte, die mich erwarten könnte. Nun denn. Leider blieb nichts so richtig hängen, auch dieses Konzert lief komplett an mir vorbei.

In der Nachbetrachtung muss ich leider sagen, dass es für mich nicht der beste Abschluss eines Le Guess Who Festivals war, das mir viele schöne Konzerte beschert hatte. Aber das ist ja meistens so. Headliner sind meistens nicht die besten Auftritte während eines Festivals. Meist sind es doch die kleineren Bands oder in zufällig hineingestolperte Konzerte, die einen am meisten begeistern. Vielleicht hätten mir Deerhunter auch mehr zugesagt, wenn ich sie nicht als 20. Band innerhalb von vier Tagen gesehen hätte, sondern einige Konzerte früher. Denn eine kleine Konzertmüdigkeit und ein Aufmerksamkeitsdefizit nahm ich bei mir schon während des gesamten Sonntags war. Sei es wie es ist, Deerhunter waren so schlecht nicht. Ich kann nur kein Ausrufezeichen hinter ihren Namen setzten, wie ich es bei Kamasi Washington, Ought, Marissa Nadler, Julia Holter oder Destroyer tun muß.

Kontextkonzert:
Le Guess Who? 2015 – Utrecht, 19.11.2015
Le Guess Who? 2015 – Utrecht, 20.11.2015
Le Guess Who? 2015 – Utrecht, 21.11.2015

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