Ort: Harmonie, Bonn
Vorband:

James Yorkston & Nina Persson - Bonn, 12.05.2023

Mit dem Zug nach Bonn. Das hatte ich lange nicht mehr. Genauso wie ein Harmonie Besuch im Bonner Stadtteil Endenich. Auch wenn die Bahnverbindungen im identischen Halbstundentakt fahren, ist Köln doch ein Stück weit attraktiver. Nicht jedoch an diesem Abend. James Yorkston und Nina Persson geben ihr Konzert eben nicht in einem kleinen Kölner Club, sondern in der Bonner Harmonie. Musikalisch passen sie hier gut rein, steht der Laden doch – zumindest in meinen Augen – für ein eher jazziges, ruhiges Programm. Und für (Blues)Rock alter Machart (sprich mit viel Gitarrensoli), was aber nicht in den Yorkston’schen Kontext passt.

In dem kleinen Bonner Vorort sind einige der wichtigsten Bonner Kulturläden beisammen. Auf der Frongasse das alte Rex Kino, das Springmaus Theater und weiter hinten die Harmonie. Seit den 1990er Jahren hat sich hier eine Kulturszene etabliert, nachdem erst das Springmaus Theater hierhin zog und kurz darauf das ehemalige Tanzlokal Harmonie um einen Konzertsaalanbau erweitert wurde. In der Harmonie finden seitdem allerlei Konzerte statt. Der WDR zeichnet hier seine Crossroads Reihe auf und ich war bisher zweimal in der Harmonie. Im Rahmen der Crossroads-Reihe sah ich …and you will know us by the trail of dead und ich besuchte ein Konzert von weiss-ich-gerade-nicht-mehr.

Die S 23 tuckert gemächlich durch den Kottenforst. Früher, so vor 15 Jahren, waren es 5 Haltestationen bis Bonn; mittlerweile sind es bis Meckenheim 5 Stationen. Es ist Zeit, sich über das Konzert Gedanken zu machen. Ich erinnere mich an mein letztes A camp Konzert. A camp ist die letzte (oder aktuelle?) Band von Nina Persson. Das war im Gloria in Köln, vor mehr als einigen Jahren. Ich habe das Konzert als eher trostlos in Erinnerung. Ein nicht mal halb voller Saal, eine ernüchternde Stimmung. Die Cardigans sah ich um die 2000er Jahre ein-, zweimal. Ich erinnere mich definitiv an ein Konzert im E-Werk. Das zweite muss irgendwo bei einem Festival gewesen sein. Nina Perssons Stimme mag ich seit diesen Konzerten sehr.

Von der S- Bahn Haltestelle sind es noch gut 20 Minuten zu Fuß.
Die James Yorkston CD Folk Songs steht zuhause im Regal. The year of the Leopard auch. Wann habe ich die das letzte Mal gehört? Ich weiß es nicht. Gehören die überhaupt mir? Ich glaube, Folk Songs war Teil eines Gewinns. Ein Plattenlabel hatte seinerzeit ein Gewinnspiel publiziert und ich habe als Preis ca. 30 CDs zugeschickt bekommen. Wenn ich richtig liege, war diese CD auch darunter. Man merkt schon, Fan-Boy geht anders. Dennoch dieser Konzertbesuch. Nicht ganz zufällig stieß ich auf dieses Konzert bzw. auf die Zusammenarbeit der beiden Musiker*innen. Anfang des Jahres spielten sie ein Radiokonzert, dessen Videoaufzeichnung ich verfolgte. Und das klang toll. In dem Radiokonzert stellten die beiden ihr Album vor, The great White Sea Eagle. Eine schöne Platte. Eine wirklich schöne Platte mit Herz, Melancholie und Witz. Die Songs wirken leichtfüßig, die James Yorkstons Zusammenarbeit mit dem The Second Hand Orchestra und Nina Persson harmoniert und fügt sich wunderbar zusammen. Es passt einfach super und genauso klingt es. Musikalisch ist es ein Mix aus Folkmelodien, Kammer-Piano-Pop, Violine, Cello und anderem Instrumentenzeugs.

Ein freier Freitagabend und eine vielversprechende Konzertankündigung in der Nähe, warum also nicht ein Konzertbesuch. Auf Violine, Cello und weitere Instrumente musste ich in Bonn allerdings verzichten. Das Second Hand Orchestra samt Instrumenten blieb zuhause, auf der Bühne stehen nur zwei Mikrofone und ein Piano. Weiter links liegt eine Akustikgitarre im offenen Gitarrenkoffer. Es ist ein Abend zweier Musiker. Nina Persson und James Yorkston bestreiten den Abend als Duo. Nina Persson als Sängerin, James Yorkston singt und musiziert am Piano und später an der Gitarre. Die beiden passen in jeder Hinsicht gut zueinander. Ihre Stimmen, die sich perfekt ergänzen, aber auch in ihrer Bühnenpräsenz, in der sich niemand in den Vordergrund drängt.

Nachdem die Schwedin jahrelang mit den Cardigans zu tun hatte, ist es in den letzten Jahren etwas ruhiger um sie geworden. Zwar geben die Cardigans noch ab und an Konzerte, unter anderem spielen sie diesen Sommer ein paar Open-Airs in Belgien, aber das ist es dann auch. Stattdessen arbeitet sie seit einigen Jahren mit anderen Musiker*innen zusammen und hatte auch das Projekt A camp. Das liegt aber schon Jahre zurück. Im letzten Jahr las ich dann, dass sie zusammen mit James Yorkston eine Single aufnahm, „Hold out for love“. Aus einer Single wurden ein Album und nun eine kleine Tour zum Album. Logischerweise präsentieren sie an diesem Abend die Songs von The great White Sea Eagle. Ich glaube, sie spielen das ganze Album. Und sie spielen ein paar andere Sachen.
Zwischendurch geraten sie öfter ins Plaudern: über den Schwiegervater, über Irrfahrten im englischen Nirgendwo und der 3words Navigation, die Geschichte hinter ihrem Song „The harmony“ (‘oh, sie haben diesen Club nach unserem Song benannt’) und noch ein, zwei mehr. Das ist alles sehr unterhaltsam und sehr sympathisch. Das Publikum ist aufmerksam, ruhig und zuhörend. Mehr Musikliebhaber als Laufkundschaft. Der Saal füllt sich zwar erst spät, aber dann sind es gut 200 Besucher, die sich in der Harmonie zusammenfinden. Es ist ein schönes Konzert, ein würdiger Rahmen. Schnell ist eine Stunde, sind 90 Minuten rum. „Hold in for love“ spielen sie zuletzt. Zuvor hebt Nina Persson noch die Setlist vom Boden auf, rollt sie zusammen und steckt sie sich in die linke Tasche ihrer Cordjacke. 
Um viertel nach elf sitze ich wieder in der S 23. Das hat sich sehr gelohnt.

Kontextkonzerte:
Nina Persson – Köln, 25.02.2014 / Gloria
A Camp – Köln, 13.04.2009 /  Luxor

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