Ort: La Scène, Malmedy
Vorband: Neroli

Girls in Hawaii - Malmedy, 24.05.2025

‘Am 24.05. spielen Girls in Hawaii in Malmedy.’
Die Nachricht erreichte mich via Twitter, das für mich immer noch nicht X heißt. Ich bin bei dem Nachrichtendienst noch angemeldet, um mit dem ein oder anderen Menschen in Kontakt zu bleiben. (Dies nur zur Information, um der ein oder anderen Frage entgegenzutreten.)
Girls in Hawaii in Malmedy also. Holla, mein Interesse als größerer Girls in Hawaii Sympathisant war damit natürlich direkt geweckt. Der 24.05. stellte sich nach kurzer Recherche als machbarer Konzertbesuchstermin heraus (weil Samstag, und weil Malmedy nicht sehr weit entfernt liegt) und zügig war die Abendplanung bzw. erstmal der Ticketkauf abgeschlossen. Schnell bekam ich weitere Informationen. Es handele sich um ein try-out Konzert und sie würden wohl ein paar neue Songs spielen bzw. live austesten.

Die belgische Band Girls in Hawaii mit dem Eupener Bassisten Daniel Offermann ist gerade auf Try-out-Tour. Eine kleine Tour, bei der neue Songs für das kommende Album vor Publikum getestet werden. „Wir haben es in der Vergangenheit oft anders gemacht und erst die Songs aufgezeichnet, bevor wir sie live gespielt haben. Dabei haben wir aber festgestellt, dass die Songs sich vor Publikum noch weiterentwickeln und einen anderen Drift bekommen. Deshalb wollen wir es jetzt umgekehrt machen. Bevor wir ins Studio gehen, wollen wir die Songs vor Publikum spielen“, sagt Daniel Offermann im BRF-Interview.

brf online

Insgesamt haben Girls in Hawaii fünf solcher try-out Konzerte terminiert. Alle finden abseits der größeren Metropolen statt, zum Beispiel in Charleroi, Hasselt oder Malmedy. Spielorte sind immer kleine Clubs, Hallen mit 400er bis 600er Kapazitäten. In Malmedy spielen sie im Veranstaltungskomplex Intermills. Auf dem Gelände der ehemaligen und sehr bekannten Malmedyer Papierfabrik (1848 wurde hier das erste in Europa auf den Markt gebrachte Fotopapier hergestellt) baute ein Investor in den letzten 10 Jahren den sogenannten Intermills Event und Business Park. Hotel, Restaurant, Kino und das La Scène, ein Veranstaltungsort mit zwei Sälen. David Garrett spielte gestern Abend im großen, 3000 Leute fassenden Konzertsaal, Girls in Hawaii an diesem Abend im 600er Saal Le Foyer.

Ich freue mich und bin gespannt auf das Konzert. Das letzte Mal sah ich Girls in Hawaii vor zwei Jahren. Seinerzeit spielten sie eine Woche lang jeden Abend ein ausverkauftes Konzert im AB in Brüssel. Ich hatte Glück, für einen Abend ein Ticket zu ergattern. Grund waren die Albumshows zum 20-jährigen Jubiläum von From here to there. Genau wie dEUS, die das Jubiläum ihres großen Albums The ideal crash Jahre zuvor auch mit 5 bis 10 ausverkauften AB Konzerten feierten. Das ist eine Gemeinsamkeit von Girls in Hawaii und dEUS, den beiden sicherlich prägendsten Indie-Bands Belgiens der letzten 20 Jahren. Musikalisch sind sie dagegen unterschiedlich unterwegs. Girls in Hawaii haben mehr Pop als Rock. Ihre Songs sind melodiöser, nicht ganz so diy und etwas weniger ruppig. Oder anders: dEUS sind für mich Tocotronic, Girls in Hawaii eher Kettcar. Mit From here to there gelang ihnen 2004 der Durchbruch, „Found the ground“, „Time to forgive the winter“ oder „The fog“ (alles übrigens astreine Anspieltipps) erinnern an Grandaddy oder Will Oldham. Länger war es ruhig um die Band. Fünf Alben haben sie zwischen 2004 und 2017 produziert. Und nun gibt es ein paar neue Songs, die vielleicht auf Album Nummer sechs hindeuten. Wer weiß. In Malmedy stehen immerhin fünf neue Songs auf der Setlist. Fünf. Schon wieder diese Zahl. 5 try-out Konzerte, 5 Alben, 5 neue Songs. Was für ein irrer Zufall.

Die Fahrt durch die Eifel ist einsam. Selbst um kurz nach 5 Uhr nachmittags sind die Straßen teilweise menschenleer. Eine Zeitlang fahre ich parallel zur belgischen Grenze über eine Landstraße. Ich kreuze einen kleinen Stausee, deren Staumauer die Wolken und/oder Nebelschwaden teilt. Es gibt hier viel Wald und kleine Ortschaften. Da ich mein Navi immer noch nicht feinjustiert habe, schickt es mich durch Wohngebiet und über bessere Wirtschaftswege, nur um ein paar Meter zu sparen oder 2 Minuten schneller irgendwo zu sein. So sehe ich Orte, die ich unter normalen Umständen nie gesehen hätte. Das ist interessant, aber vielleicht nehme ich für den Rückweg doch eine andere Route. Der Nebel und Dunst nerven jetzt schon, im Dunkeln brauche ich das in Kombination mit engen Wegen nicht unbedingt.

Der Saal im La Scène heißt nicht nur Le Foyer, er ist auch tatsächlich das Foyer des nebenan liegenden größeren Saals. Als ich die Glastüren des Gebäudes aufmache, um dem Regen zu entfliehen, stehe ich unvermittelt im Konzertsaal. Ticket bitte, Taschencheck. Ich konnte gar nicht so schnell schalten.
Das Foyer ist mit Teppich ausgelegt, ansonsten aber durch die hohen Wände sehr hellhörig. Schon jetzt ist ein permanentes Gesprächsrauschen deutlich wahrzunehmen. Dabei ist der Saal eine halbe Stunde vor Konzertbeginn gerade einmal zu einem Drittel gefüllt.
Neroli, ein Singersongwriterinnen Duo eröffnet den Abend. Viel ist über die beiden Mädels nicht bekannt, auf Spotify und YouTube finde ich genau einen Song. „Carousel“ scheint sowas wie die erste Single der beiden Brüsselerinnen zu sein. Die Geschwister Assia und Lyna haben es schwer, sich gegen das Gesprächsrauschen im Foyer des La Scène durchzusetzen. Wahrscheinlich hört man ihren Indiefolk – der definitiv mehr Aufmerksamkeit verdient hätte – nur in den vorderen Reihen einigermaßen ungestört. Das ist schade und ich notiere, der Saal ist anfällig für Nebengeräusche.

Nach einigen Wechseln am Schlagzeug sind Girls in Hawaii heute die Brüder Lionel und Brice Vancauwenberge, Antoine Wielemans, Daniel Offermann und Bryan Hayart. Das ist identisch mit der Formation, die ich bei meinem letzten Konzert gesehen habe. Ich wusste nicht so recht, was mich erwartet. Ein Blick auf die Setlist vom Tag zuvor in Hasselt deutet allerdings den Weg in eine – wie ich finde – gute Richtung. Drei Hände voll Songs, ein Drittel neu, zwei Drittel Hits. Das passt doch. In Malmedy kommen dann sogar noch drei weitere Songs hinzu, denn anders als in Hasselt (zumindest nach Setlist.fm Angaben) spielen Girls in Hawaii an diesem Abend eine zweite Zugabe.
Die Stimmung ist von Anfang an sehr gut. Das Publikum im erwartbaren Alter Ü40 ist guter Dinge, und die Band scheint Spaß an ihren Clubkonzerten zu haben. Allerdings wirkt der Bühnenaufbau mit den an der Rückwand angebrachten großen Scheinwerfer leicht überdimensioniert. Darüber hinaus ist aber an diesem Abend alles stimmig.
Zu Beginn wechseln sich alte und neue Songs ab. „The Fog“ als Opener passt – nicht nur wetterbedingt – perfekt und die beiden neuen Songs „Drifting in the summer rain“ sowie „Goddess“ hinterlassen bei mir einen schönen Eindruck. Es sind typische Girls in Hawaii Songs, sag’ ich mal. Die weiteren neuen Songs können später das hier gesetzte Level leider nicht ganz halten. Auch das Konzert hat in der Mitte einen kleinen Hänger. „I.H.R.N.“ und „Monkey“ ziehen mir an diesem Abend nicht die Schuhe aus. Gut, dass danach mit „Misses“ und „Switzerland“ zwei meiner Girls in Hawaii Lieblingslieder auf der Setlist stehen, und so das Loch schnell vergessen lassen. Jetzt saß auch jeder der vier Gitarristen mindestens einmal am Keyboard. Das Instrument, das leicht erhöht neben dem Schlagzeug positioniert ist, ist das ‚Bäumchen wechsel dich‘ Instrument der Band. Lionel und Brice Vancauwenberge, Antoine Wielemans und Daniel Offermann,jeder darf hier mal Platz nehmen und einen oder mehrere Songs lang Keyboard spielen. Es folgt mit „El Dorado“ ein weiterer neuer Song, bevor die Band die Bühne unter großem Jubel verlässt.
Die erste Zugabe beginnt mit dem letzten neuen, unbekannten Song und endet mit einem sensationellen „Rorschach“. ‘Wow, was für ein grandioses Finale’, denke ich. Ich rechne nicht mit einer weiteren Zugabe und packe meinen Ohrenstöpsel bereits ein, als Girls in Hawaii sich doch noch für weitere drei Songs blicken lassen. Okay, keine Einwände. Erst recht nicht bei „9 A.M.“. Ein Spitzensong, aber die „Rorschach“-Version kann an diesem Abend nichts toppen. Das gelingt auch nicht dem abschliessenden „Flavor“, dass sie sehr wild auf die doppelte Spielzeit ausdehnen. Ein würdiger, wenn auch für den Abend ein etwas untypisches Finale eines sehr schönen Konzertes in einer alles in allem wunderbaren Umgebung.
Liebe Girls in Hawaii, ich freue mich auf ein neues Album.

Die Rückfahrt wird trotz meiner Routenanpassung noch etwas unheimlicher als die Hinfahrt. Der Bodennebel hängt nun tief über den Straßen. Das Sichtfeld ist stark begrenzt. Es ist 9 Grad kalt, der Nieselregen enorm eklig. Es gibt immer noch viel Wald und ab und an tauchen im Nebel fahl beleuchtete alte Steinkirchen auf. Es ist ungemütlich.

Entering a blurry maze
With my car, a winter day…
Here I am, lost again
In the fog, white and grey…
The ghosts dance, between trees

Setlist:
01: The Fog
02: Drifting in the summer rain
03: Time to forgive the winter
04: Goddess
05: This farm will end up in fire
06: Not dead
07: Fontanelle
08: I.H.R.N.
09: ??
10: Monkey
11: Misses
12: Switzerland
13: El Dorado
Zugabe I:
14: Landslide
15: Guinea Pig
16: Rorschach
Zugabe II:
17: 9 A.M.
18: Organeum
19: Flavor

Kontextkonzerte:
Girls in Hawaii – Brüssel, 16.12.2023 / AB
Girls in Hawaii – Köln, 16.02.2018 / Gebäude 9
Girls in Hawaii – Köln, 23.01.2014 / Gebäude 9
Girls in Hawaii – PIAS Nites Festival, Brüssel 15.03.2014

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