Ort: MTC, Köln
Vorband: winter
Kaum aus dem Urlaub zurück und direkt wieder ein Konzertbesuch. Noch etwas leicht ermattet bewege ich mich an diesem Montagmorgen in das Kölner MTC, um die amerikanische Teenieband Cherry Glazerr zu sehen. Die Band um Clementine Creevy debütierte 2014 mit dem Album Haxel Princess, aktuell stehen vier Alben auf der Habenseite. Das aktuelle Album, I don’t want you anymore, erschien vor einem Jahr. Cherry Glazerr sind also keine Newcomer, obwohl ich sie aus irgendwelchen Gründen in dieser Kategorie verortet hatte. Das Konzert wurde aus dem Kölner Luxor gedowngradet. ‘Zurecht’, denke ich beim Blick ins halb so große MTC. Der Kellerclub ist vielleicht halb voll. Der Downgrade scheint in Ordnung zu sein. Ein paar übliche Verdächtige haben sich hierhin verloren, ansonsten zieht die Band ein doch sehr junges Publikum.
Gegen 20 Uhr betritt die Vorband die kleine Bühne des MTC.
winter. In Kleinbuchstaben. Die Band klingt wie eine typische, britische Independent Band aus den frühen 1990er Jahren. Melancholische Gitarren, Shoegaze, hier ein bisschen The Sundays, dort ein bisschen Kitchen of Distinction. Und damit ist schon alles gesagt. Natürlich empfinde ich das als sehr hörenswert und toll. Und genauso empfinde ich es als sehr erstaunlich, dass dieses Genre in den letzten Jahren so stark aufpoppte und zu einem Thema bei jungen Bands und Publikum wurde. Manchmal denke ich, Dreampop/Shoegaze ist aktuell erfolgreicher ist als zu seinen Ursprungszeiten. Bedenke man nur, das Slowdive nahezu jedes Konzert ausverkaufen und viele junge Bands sich dem Shoegaze oder Dreampop verschreiben. Auch winter tun das, und sie machen das gut. Mir gefällt ihr Set, mir gefallen Gesang und Gitarren. Dass winter aus dem sonnigen Los Angeles kommen, ist dabei nur eine Randnotiz. Ihre aktuelle EP ...and she’s still listening ist eine Empfehlung.
Dann Cherry Glazerr. Warum eigentlich habe ich im Vorfeld Cherry Glazerr mit Jen Cloher verwechselt. Noch bis gestern dachte ich, ich würde die Australierin sehen und so habe ich mich entsprechend auf ein Jen Cloher Konzert vorbereitet. Erst am Vormittag merkte ich dann, upps, da läuft gedanklich bei mir was falsch. Ich habe keine Ahnung, wie ich die beiden durcheinanderbringen konnte.
Musikalisch lässt sich auch der Cherry Glazerr Sound sehr leicht definieren: Gitarrenrock à la 90er-Jahre Grunge/Indierock. Die Gitarren krachen ordentlich, das Konzert macht von der ersten Minute an Spaß.
Fünf Songs spielen sie vom aktuellen Album, der Rest ist älteres Material. Alles passt gut zusammen, die Haare fliegen wie vor 30 Jahren. Also nicht meine, die der Musiker*innen natürlich. Es ist eine 1990s Grunge/Indierock Show, musikalisch als auch klamottentechnisch. Der Gitarrist links sieht aus wie James Iha, die Bassistin trägt den Style einer Bridget Fonda aus Singles. Da mich diese Ära musikalisch stark geprägt und sozialisiert hat, gefällt mir das Konzert sehr. Manchmal macht es Spaß, an alte Sachen erinnert zu werden. Cherry Glazerr machen das geschickt, sie zitieren klug. Live ist das nicht so stark zu hören, aber auf Platte bemerkt man, dass sie zu den Gitarren hier und da ein bisschen Indiepop, Synthiekeyboards oder gar Streicher hinzufügen. („Golden“, „I said that I love you“, „Wild times“).
Nach einer guten Stunde verlassen die vier Musiker die Bühne. Es ist ein kurzes, aber knackiges Konzert. für eine Zugabe kommen sie nochmal zurück: „Territorial pissings“ von Nirvana. Besser hätten sie ein Cover nicht auswählen können. Fun fact: Die Schnittmenge von winter und Cherry Glazerr heißt übrigens Sasami Ashworth. Die ehemalige Bassisten von Cherry Glazerr wirkt auch bei dem eine oder anderen winter Song mit.
Setlist:
01: Touched you with my chaos
02: That’s not my real life
03: Told you I’d be with the guys
04: Ready for you
05: Juicy socks
06: Wasted nun
07: Had ten dollaz
08: Isolation
09: Big bang
10: Eat you like a pill
11: I Don’t want you anymore
12: Soft like a flower
13: Daddi
14: Distressor
15: Ohio
16: Nurse ratched
17: White’s not my color this evening
18: Stupid fish
Zugabe:
19: Territorial pissings
Kontextkonzerte:
Cherry Glazerr – Köln, 16.05.2017 / Yuca