Ort: YUCA, Köln
Vorband:
Mir kommen die Tränen. Nachdem sich die letzten Tage langsam aber sicher in Richtung Sommer neigten, ist es nun soweit: mein Heuschnupfen ist wieder da. Ich habe ihn nicht vermisst, aber er ist zurückgekommen, um zu bleiben. Mindestens 3 Monate. Und das treibt in mir die Sehnsucht, mal wieder „Avant gardener“ von der wunderbaren Courtney Barnett zu hören. Dieser Song beschreibt – so deute ich es – einen Asthmaanfall oder Allergieschock, und just diese Zeilen machen aus „Avant gardener“ meine Allergiker Hymne.

Sunflowers, bean sprouts, sweet corn and radishes.
I feel pro-active
I pull out weeds
All of a sudden
I’m having trouble breathing in.

Worüber die Songs der Los Angelinos Cherry Glazerr handeln, weiß ich nicht. Es ist nicht so viel Zeit vergangen, dass ich die Band besser und genauer kennen würde. Ich kenne sie nämlich erst ein paar Stunden. Auf der Suche nach möglichen Konzertbesuchen in dieser Woche stieß ich zufällig auf dieses Konzert. Ein http Link führte mich erst hier hin, dann da hin und schließlich zu Cherry Glazerr. Zwei Videos später war klar, dass sich ein Konzertbesuch sehr lohnen würde, und so entschied ich, ins YUCA zu fahren. Mit einem Wissen von zwei Videos im Gepäck.

Cherry Glazerr seien, so las ich auf der Zugfahrt, eine typische Westküstenindierockband. Hashtag Warpaint, Hashtag Best coast. Bei den beiden Videosongs dachte ich zwar weniger an die genannten Bands, aber zwei Songs sind vielleicht auch kein empirischer Beleg. Ich nehme doch an, dass Cherry Glazerr mehr als vier Songs veröffentlicht haben. Zu viert betreten die noch sehr jung aussehende Band in klassischer Anordnung Schlagzeug, Gitarre, Bass, Keyboard die Bühne. Ihr aktuelles Album Apocalipstick (das wievielte ist es eigentlich? Moment, bisher haben sie mit Papa Cremp (2013) und Haxel Princess (2014) zwei weitere veröffentlicht) ist seit Anfang des Jahres am Start und die kleine Deutschlandtour an ihrer letzten Station angekommen.
Bereits nach den ersten Minuten revidieren meine angelesenes Bild über Stil und Musikrichtung der Band. Live sind Cherry Glazerr weder Best coast (vielleicht ein bisschen in den zwei, drei ruhigen Sachen) noch Warpaint. Sie erinnern mich vielmehr an eine andere amerikanische Indieband mit Sängerin, dessen mittelgroßer Fan ich bin. Während des Konzertes will mir erst der Name nicht einfallen, später dann aber doch: Speedy Ortiz. Cherry Glazerr sind Speedy Ortiz on speed. Oder in der Riot Grrl Variante. Vielleicht auch deshalb die zwei ‘r‘ im Bandnachnamen? Na, das könnte zu weit hergeholt sein.

Auf der Bühne zumindest geht es wild zu. Der Schlagzeuger ist ein Tier, die Sängerin durch ihre extrovertierte Art ein eyecatcher über die gesamten 15 Songs des Konzertes. Gemeinsam mit der Batman-Badelatschen tragenden Keyboarderin hüft, tanzt und hampelt sie umher, wie es Teenager so machen: unbekümmert, unbedarft, Spaß habend. Nur der Bassist hält sich ein bisschen zurück. Kenne ich ihn von irgendwo her? Die Frage beschäftigt mich ein paar Songs lang. Auch via Google bekomme ich auf der Heimfahrt keine Antwort, also vielleicht hat Devin O‘Brien ein Allerweltgesicht.

Spaß hat die Band definitiv! Sogar der Roadie muss ab und an herzhaft lachen. Die gute Laune der Vier bzw. Fünf springt schnell rüber in die ersten Reihen. Es wird viel getanzt oder wenigstens mit dem Kopf genickt. Ein Grinsen trägt aber jeder im Gesicht. Und das nicht nur, weil die Musik so lustig frisch klingt, sondern auch, weil Clementine Greevy (Sängerin) und Sasami Ashworth (die mit den Batman Latschen) sich zwischen den Songs allerlei Unsinn erzählen. Oft geht es dabei um eine Coverversion. So höre ich es zumindest heraus. Vielleicht aber auch nicht. Mein Englisch-Hörverständnis braucht immer eine kleine Anlaufphase, damit ich alles richtig verstehe. Denn während des Konzertes erkenne ich keine gespielte Coverversion. Oder aber mein Musikhorizont ist zu limitiert, so dass ich es einfach nicht erkannt habe. Egal, Cover hin oder her, der Abend funktionierte auch ohne sehr gut. Und er überraschte mich total! Dermaßen viel 1990’s Indievibe hatte ich, nachdem was ich vorher gelesen hatte, nicht erwartet. Musikalisch ist es eine Mischung aus Grunge, Indie- und Westküstenrock, inklusive ein paar Gitarrensoli und manchmal schönen Bassläufen. Das klingt jetzt abstrus, aber ich musste an die Smashing Pumpkins denken.

Nach einer guten Stunde ist die wilde Show vorbei, die sogar die Brille des Schlagzeugers beschlagen ließ, obwohl er sie erst beim Verlassen der Bühne auf die Nase setzte. Ausdampfen auf allen Ebenen.

Kontextkonzert:

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