Ort: C-Mine Cuulturcentrum (Wiese daneben), Genk
Vorbands: King Hannah, Deadletter, Porridge Radio

King Hannah - Absolutely Free Festival Genk,

Das Lineup und der Zeitplan passten gut zusammen. Warum also nicht für drei Stunden nach Genk fahren? Auch wenn die Wetteraussichten eher bescheiden sind, beim Absolutely Free Festival gibt es Zeltbühnen und wie gesagt, drei Stunden kann man widrige Umstände aushalten. Für den Notfall ein zweites Paar Schuhe ins Auto, und gut.
In Genk bin ich in guten 90 Minuten, King Hannah sollen im 20.40 Uhr die Bühne betreten, im Anschluss (und nach einer einstündigen Pause – in der dann das Nachbarzelt von den Deadletter bespielt wird) dann Porridge Radio. Das Wetter ist dann gar nicht mal so schlecht. Während der Fahrt regnet es zwar und die Wolken über mir sind grau, aber in Genk bleibt die Lage stabil. Kein Regen, nur graue Wolken, die aber alsbald von der Dunkelheit bedeckt werden.

Das Absolutely Free Festival findet auf einer Wiese direkt neben dem Kulturzentrum C-Mine, einer alten Zechenanlage, statt. Es liegt direkt an der Einfallstraße in den Ort, keine Minute von der Autobahnabfahrt entfernt. Ich habe das Festival vor einigen Jahren entdeckt, als Sun Kil Moon hier einen ihrer wenigen Auftritte in weiterer Nähe absolvierten. Das Festival hat seitdem immer ein, zwei gute Namen im Programm, die mich besonders interessieren. In diesem Jahr sind es gar ein paar mehr. Porridge Radio und King Hannah am Samstag, am Tag zuvor aber auch Beak>, Protomartyr und Horse Lords sowie Fat Dog.

Ich hatte mir vorgenommen, an beiden Abenden in Genk zu sein. Dass ich das Vorhaben kurzfristig abbrach, lag einzig und allein am Wetter. Der Freitagabend war vorhersagetechnisch als sehr nass prognostiziert worden, so dass ich es vorzog, die letzten Folgen der dritten Staffel Departure zu sehen. Überdies habe ich Beak>, Horse Lords und Fat Dog in diesem Jahre bereits gesehen; Protomartyr zogen mich dann nicht so an, dass ich unbedingt und unter allen Bedingungen die gut einstündige Autofahrt nach Genk machen muss. Unter jeglichen Bedingungen wollte ich allerdings Porridge Radio am Samstag sehen. Ihr Album Waterslide, Diving board, ladder to the sky finde ich klasse und vor zwei Jahren auf dem Primavera musste ich mit einem Solokonzert der Sängerin Dana Margolin vorliebnehmen, da die anderen Bandmitglieder Einreiseprobleme hatten und nicht rechtzeitig in Barcelona sein konnten. Das Solokonzert war dann auch spannend und bleibt sicherlich einzigartig, aber das Liveeindruck von Porridge Radio als Band fehlte mir noch. Und wie gesagt, mir war das wichtig und so stand – egal wie stark es regnet oder die Schlammdichte auf der Festivalwiese auch sein sollte – der Festivalbesuch am Samstag unumstößlich fest. Da aber zwei Stunden Autofahrt für eine Stunde Konzert in einem Ungleichverhältnis stehen, und da ich auch King Hannah sehr schätze, waren die Liverpudlians als quasi Vorband gleich mit im Boot. Beide Bands spielten nacheinander auf der sogenannten Mainstage, der ‚großen‘ Zeltbühne. Groß in Relation zu den anderen Bühnen.

Mit einer Handvoll leere Batterien fuhr ich also nach Genk. Wie, und warum Batterien? Nun, beim Absolutely Free Festival ist der Name nämlich Programm. Gegen das Abgeben von egal wie vielen, leeren Batterien bekommt man eine Eintrittskarte auf die Festivalwiese. Und da sicher nicht nur ich mindestens eine Batterie pro Jahr verbrauche, ist das ‘Eintrittsgeld’ immer vorrätig. Übrigens, in diesem Jahr wurden beim Absolutely Free Festival insgesamt 1182 kg leere Batterien gesammelt, die 7000 Besucher dort abgegeben haben.

Der Zeitplan für meinen diesjährigen Festivalbesuch ist übersichtlich: King Hannah um viertel vor neun und Porridge Radio um kurz nach 22 Uhr. Dazwischen Friets und ein bisschen im Nachbarzelt vorbeischauen.

Es ist nur eine kurze Parkplatzsuche nötig, um das Kulturzentrum C-Mine finde ich schnell eine Parklücke mit kurzem Fußweg zur Festivalwiese. Die Bodenverhältnisse sind überraschend gut, denke ich, nachdem ich meine sieben leeren AAA-Batterien in den Korb gelegt habe und das Festivalgelände betrete. Die Grasnarbe ist noch da und vor den Bühnen ist der Boden gar trocken. Das zweite Paar Schuhe für die Rückfahrt ist gar nicht notwendig. Ich orientiere mich: Hauptbühne, zweite Bühne, dritte Bühne und Frites-Bude. Schnell erfasse ich die wichtigsten Landmarks. Oder besser gesagt, alle. Neben der Pommesbude gibt es noch einen Veggie-Falafal-nochwas Wagen und einen Getränkestand, das ist es dann. Übersichtlich, cosy, unaufgeregt; das Absolutely Free Festival ist ein kleines, feines Festival ohne Schnickschnack. Es ist halb neun und King Hannah sind bereits zum Soundcheck auf der Bühne. Ich schaue ihnen zu, nebenan spielen die Lambrini Girls. Eine laute und wütend klingende Punkband aus Brighton. Riot-Grrl-esk. 10 Minuten schaue ich ihnen zu, bevor ich zur Hauptbühne wechsle. Nicht, weil es Zeit ist oder es gar schon voll im Zelt wird, ich finde die Lambrini Girls vielmehr nicht so spannend, um noch länger zuzugucken.

King Hannah sind in der Hauptsache Sängerin Hannah Merrick und Gitarrist Craig Whittle. Gemeinsam haben sie im letzten Jahr ihr Debütalbum I’m not sorry, I was just being me veröffentlicht. Im Jahr zuvor erschien bereits die Mini-LP Tell me your mind and I tell you mine, die mich zu ihrem Fan gemacht hat. Songs wie „Meal Deal“, „Crème Brûlée“ oder „And then out of nowhere, it rained“ sind tolle und zeitlose Indiepop oder Indiefolk Songs. Leider hallt es unter dem Zeltdach doch ziemlich, so dass permanent Gesprächslärm von hinten bis an die Bühne schallt. Das nervt in den ruhigen Momenten leicht, ist aber in Summe noch gut zu ertragen. Auch, weil King Hannah sehr viele, sehr laute Gitarrenparts in ihre Songs einbauen. Ich bin überrascht, dass sie so viele psychedelische und krautrockige Gitarrensequenzen in ihren Songs haben. Hatten sie die schon immer? Ich bin mir nicht sicher, an meinen letzten King Hannah Konzertbesuch habe ich nur noch schwache Erinnerungen. Ich meine aber, das war damals noch nicht so. Sei es drum. Die Songs lassen sie schön gitarrenlastig auslaufen und setzen mit einem irren Version von Bruce Springsteens „State Trooper“ eines der Highlights des Festivals. Und diese Band kommt aus Liverpool! King Hannah klingen so sympathisch amerikanisch, man vergisst das sehr schnell.

In der Nachrecherche bemerke ich, dass es noch keinen Wikipedia Eintrag über King Hannah gibt. Unglaublich! Ich lese aber, dass sie in diesem Jahr das Madonna Cover „Like a prayer“ gemacht haben. Leider haben sie es in Genk nicht gespielt. Aber ein Cover reicht auch. Die eigene Songs haben schließlich genug Qualität. Da gilt es, keine Zeit zu verplempern. Wirklich schade ist, dass sie „And then out of nowhere, it rained“ auch nicht gespielt haben. Dabei hätte es thematisch irgendwie gepasst.

Umbaupause. Klingen jetzt alle neuen britischen Bands nach Squid, Fontaines D.C. und Black Midi? Saxophonistin included. Das ist mein Spontaneindruck, nachdem ich die ersten Songs von Deadletter höre. Ich kenne die Band bisher nicht, fühle mich in ihrem modernen Post-Punk allerdings direkt heimisch. Post-Punk, Sprechgesang, Saxophon. Diese Mischung ist im UK scheinbar nach wie vor en vogue.

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Die Friets sind auch gut (das viel mir schon bei meinem ersten besuch hier auf) und alsbald stehen Porridge Radio auf der Bühne.

Wie bereits erwähnt, Porridge Radio als Band sah ich bisher noch nicht. Zum Intro von „Girl von Ipanema“ kommt die Band auf die Bühne. Perfekter Anfang, würde ich sagen. Schnell ist die Band warm und das Publikum da. Im Publikum sind viele wegen der Band hier, das merke ich. Es ist zwar nicht allzu voll unter dem Zeltdach, aber die Umgebungsgeräusche sind deutlich weniger als bei King Hannah. Vielleicht sind Porridge Radio auch einfach nur lauter, ich weiß es nicht. Ihr Debütalbum Rice, Pasta and other Fillers erschien bereits 2016, das wusste ich nicht. Ich habe mich erst mit dem letzten Album Waterslide, Diving board, ladder to the sky in die Band verguckt. Das war im letzten Jahr. Seitdem höre ich das Album fast regelmäßig beim Joggen. Die Songs haben eine Geschwindigkeit, die gut zu meinem Lauftempo harmoniert. Und so tolle Texte. „Splintered“ ist diesbezüglich mein Lieblingssong. Auch „Birthday party“ sticht hervor, 57-mal wiederholt Dana Margolin darin den Ausruf ‘I don’t wanna be loved’. (Habe nicht ich gezählt, sagte mir das Internet). Das Konzert ist sehr gut. Sehr energiegeladen und eindringlich tragen Porridge Radio ihre Songs vor. Dana Margolin springt und hüpft über die Bühne, das wirkt sehr ausgelassen.  Porridge Radio sind eine tolle Liveband, wer sich von ihrer Bühnenpräsenz und empathischen Art nicht mitziehen lässt, hat ein Herz aus Stahl.

Es waren schöne drei Stunden. Friets gut, alles gut.

Setlist King Hannah:
01: A Well-Made Woman
02: State Trooper
03: All being fine
04: Berenson
05: Go-Kart Kid (Hell no!)
06: The moods that I get in
07: Crème Brûlée
08: It’s me and you, kid

Setlist Porridge Radio:
01: Give/Take
02: End of last year
03: Splintered
04: Birthday party
05: Trying
06: Good for you
07: 7 Seconds
08: Sweet
09: Long
10: The rip
11: Back to the radio

Kontextkonzerte:
Absolutely Free Festival – Genk, 04.08.2018
King Hannah – Köln, 04.04.2022 / Helios37
Porridge Radio – Primavera Sound Festival Barcelona, 04.06.2022

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