Ort: Gloria, Köln
Vorband:

Digitalism - Köln, 26.10.2011

„Wenn Franz Ferdinand Rockmusik machen, die das Publikum zum Tanzen animiert, dann machen Digitalism Tanzmusik, die die Leute rocken lässt.
Digitalism stammen aus Hamburg. Ismail Tüfekci aka Isi, in Deutschland geborener Sohn türkischer Einwanderer, lernte Jens Moelle aka Jence, in einem Plattenladen namens Underground Solution kennen. Jens arbeitete im Laden und Isi im angeschlossenen Plattenvertrieb. Über ihre gemeinsame Vorliebe für Dance- und Rockmusik fanden die beiden zusammen.
Ihre ersten gemeinsamen DJ-Gigs begannen sie im Jahr 2000, der erste Remix (Seven Nation Army von den White Stripes) fand seinen Weg auf Vinyl und verkaufte sich so gut, dass weitere Veröffentlichungen folgten. Auf dem angesagten französischen Label Kitsuné erschienen diverse Singles, darunter ‚Zdarlight‘ und ‚Pogo‘ und als logische Fortsetzung 2007 ihr Debütalbum ‚Idealism‘, das auf EMI neu veröffentlicht wurde und auch international Beachtung fand. 2008 folgte das Remix Album ‚Hands on Idealism‘, 2011 „I love you, Dude“”

Ich möchte den von der Webseite des Gloria kopierten Textes noch um einen Bandnamen ergänzen, der mir heute Morgen in den Sinn kam und den ich irgendwie passend finde: Zoot Woman.
Das gestrige Konzert erinnerte mich sehr an ein Zoot Woman Konzert, dass ich vor einigen Jahren gesehen habe: Ähnlich viel Gehüpfe, ähnlich fluffige, seicht schöne Tanzmusik und ausgelassene Stimmung. Obwohl es nicht meine unbedingte Lieblingsmusikrichtung ist,macht es mir manchmal unbändigen Spass, auf „Tanzkonzerte“ zu gehen. Immer nur dieses starre Stehen und allerhöchstens leichte Kopfnicken der Indiekonzerte ist zwar altersgerechter und nicht weniger stimmungsintensiv, aber manchmal eben nicht genug. Und Zoot Woman noch Digitalism liesssen mich enttäuscht nach Hause fahren.

„Das Pferd frisst keinen Gurkensalat“. Kleine Sätze von unschätzbarer Wichtigkeit. Hätte Philip Reis vor 150 Jahren nicht ein Gerätes zur Übertragung von Tönen über elektrische Leitungen erfunden, würden manche Abende anders verlaufen. Der gestrige auch.
Welch segensreiche Erfindung, dieses Telefon! Erst recht, weil man damit auch filmen und Fotos machen kann und weil es den Weg kennt, wenn plötzlich ein nicht eingeplanter Autobahnstau vor einem auftaucht und die Ausweichstrecke durch relativ unbekanntes Gebiet rund um die Bonner Straße im Kölner Süden führt.
Dank dieser Erfindung, die die konsequente Weiterführung der durch Carl Friedrich Gauß und Wilhelm Eduard Weber entwickelten Übertragung von codierten Signalen über elektrische Leitungen darstellte, kamen wir zeitig am Kölner Neumarkt (Parkhaus) und am Gloria Theater (Konzerthaus) an.
Zeitig vor Ort sein ist übrigens ein nicht zu unterschätzender Aspekt bei einem ausverkauften Konzert, wenn man den Abend nicht im Gang zum Konzertraum oder sichtversperrt hinter Pfeilern und Getränketheke verleben möchte.
Da beides nicht wirklich Spaß macht war es gut, dass unser Telefon den Weg wusste. Der Abend konnte beginnen und er startete wie so oft bei unseren letzten Konzertbesuchen mit einem DJ-Set. Na ja, kann man so machen, an diesem Abend machte es vielleicht sogar den größten Sinn, allerdings bleibt die Erfahrung, dass spätestens nach 20 Minuten starke Langeweile aufkommt, egal wie technisch gut und musikalisch stilsicher der DJ sein Programm runterdreht. Das war bei New Order, Wu Lyf und vielen anderen Konzerten so und das war an diesem Abend nicht anders. „Wären wir in einer Disco, würden wahrscheinlich alle tanzen“, so unsere Feststellung, „hier wippen wir nur leicht und unterhalten uns mit dem Nachbarn.“ Was spontan die Frage aufwirft, ob das Publikum sich tatsächlich anders verhält, wenn ein DJ vor einem Konzert anstatt in einer Disco auflegt. Ich denke ja, und eh wir diesen Gedanken noch zu Ende führen konnten, war das Set um und die Bühne wieder leer. Schnell wurden zwei Fünfachsteckdosen entfernt, das Pult abgebaut, der Mikrofonständer justiert und die schwarze Decke vom Schlagzeug gehoben. Fertig.
Neben Ismail Tüfekci und Jens Moelle an den Maschinenpulten machte ein Schlagzeuger das Digitalism Live Trio komplett. Ich hatte im Vorfeld bereits darüber gelesen, dass die beiden Hamburger auf ihren Konzerten gerne als „Band“ ausgeben, dass es dann „nur“ zu einem Schlagzeug reichte überraschte mich dann doch. Wenigstens eine Gitarre hätte ich erwartet. Aber auch ohne war alles wunderbar!
Der Sound ballert, die Lightshow ballert, ElectroPowerPop, Konzertfreund, was willst du mehr?! Ordentlich ab ging es im Gloria, Hände flogen, Beine zuckten, et cetera pp. Ich denke, man kann es sich vorstellen.
Nach einer guten halbe Stunde wurde ich unsicher. Bisher gab es keine Atempause im Set, „Forest Gump“ und „2 hearts“ lagen schon hinter uns, aber wann geht denen der Saft aus? Unbegründete Gedanken, in der nächsten Stunde auf keinen Fall. Erstmal kam ein sehr altes Cure Cover: „Fire in cairo“ von der ersten Cure CD „Three imaginary boys“. Gut gewählt, es passt ins Digitalism Gesamtsystem. Das ist nämlich nicht nur bratziger Elektro mit dumpf heftigen Bassbeats sondern auch feingliederiger Elektropop zwischen New Order Stimmen, Modern Wave, Indiepop und Melt!-Festival. Crossover, sagt man wohl.
Leider spielten sie das Air’eske „Just gazin‘“ an diesem Abend. Als downer zum Abschluss hätte es gut gepasst. Aber das war nur ein kleines Haar in der Suppe.

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