Ort: Carlswerk Victoria, Köln
Vorband: Charlotte Adigéry

Neneh Cherry

Neneh Cherry has always been a restless musical adventurer. Stockholm-born, she moved to the UK in the late Seventies, where she joined punk band The Slits, became a reggae DJ and duetted with The The. Her own commercial breakthrough came when her 1989 debut album Raw Like Sushi, a thrilling meld of hip hop and pop, became a worldwide hit thanks to tracks Buffalo Stance and Manchild. Now 54, Cherry’s still on her sonic journey, albeit along a mellower trajectory. After an 18-year hiatus, she has released two new solo albums in quick succession in collaboration with electronic music pioneer Four Tet (real name Keiran Hebden), who specialises in fractured beats and woozy atmospherics. (www.Telegraph.co.uk)

30 Jahre nach Raw like sushi und 5 Jahre nach Blank Project – ihrem ersten Album nach 18 Jahren Pause – hat Neneh Cherry just ein weiteres Album veröffentlich: Broken politics.
Vergleiche ich es mit seinem Vorgänger, so wirkt Broken politics soundtechnisch eleganter, ruhiger und triphoppiger als Blank Project, das eher rau, dunkel und basspolternd über mich herfiel.
Ich freute mich damals, dass Neneh Cherry nochmal Musik veröffentlicht, gehört doch Homebrew (iht zweites Album aus den frühen 1990er Jahren) nach wie vor zu meinen Lieblingsplatten und Neneh Cherry zu meinen Lieblingsmusikerinnen.
Überraschend kam für mich 2014 ihr sogenanntes Comeback, obwohl es sich durch die Zusammenarbeit mit The Thing zwei Jährchen zuvor leise ankündigte. Man hätte also ahnen können, dass die Schwedin was im Köcher hat. Blank Project fand ich auf Anhieb toll; es klingt einerseits cool erwachsen aber andererseits noch rau und dunkel, improvisiert und verrückt genug, um nicht wie Comebackplatten anderer Musiker als vertaner Versuch unterzugehen. So wie die Platte wirkte dann auch ihr Stadtgarten Konzert, das sie 2014 nach Köln brachte und mir die Gelegenheit gab, Neneh Cherry erstmals zu sehen, auf mich: spontan, improvisiert und irgendwie unfertig. Aus meiner Erinnerung heraus sag ich mal, es war damals ein ganz schönes Rumpelkonzert, Bass und Synthies dröhnten laut und heftig.
2019 ist das anders. Das aktuelle Album Broken politics dröhnt und rumpelt nicht mehr und genauso ist auch das Konzert. Der Auftritt wirkt mehr elegant als wild, die Bühne hat ein großes Bühnenbild und Neneh Cherry kommt in Begleitung von sechs Musikern, die die Songs musikalisch akkurat und präzise auf die Bühne bringen.
Es ist ein ganz großes Unternehmen, mit dem Neneh Cherry ihre Europatour antritt. Und die Hallen sind größer als vor 5 Jahren. Das Konzert in Köln wurde aus der Kulturkirche ins Carlswerk Victoria hochverlegt, das Berliner Astra ist ausverkauft.

A pro pos Hochverlegung.
Welch‘ ein Aufschrei ging durch die Facebookwelt, als in der Veranstaltung das Venue upgrade bekanntgegeben wurde. Über 60 Kommentare, die sich mehrheitlich darüber ärgerten. Nein, die Kulturkirche solle es doch sein, Fragen nach der Ticketrückgabe wurden gestellt und in den Tagen vor dem Konzert gab es massenhafte Verkäuferangebote. Trotzdem war das Carlswerk Victoria – oder die seelenlose Halle, wie es in den Kommentaren stand – gut besucht. Ich schätze, mehr als 1000 Leute wollten Neneh Cherry und Band sehen. Warum das so ist und woher diese starke neuerlich Verehrung kommt, es ist mir schleierhaft. Broken politics ist ein gutes, aber kein überragend gutes Album. Es belegt keine Chartsposition und auf wdr2 wurden auch keine Tickets verlost. Eigentlich hat sich seit der Blank Project Tour nichts geändert, und doch sind die Leute ganz närrisch auf Neneh Cherry.

A pro pos Carlswerk Victoria.
Eine neue Konzerthalle in der Stadt. Oder soll ich besser sagen ein Hallenkomplex. Denn neben dem Victoria gehört auch der kleinere Saal Club Volta zum Carlswerk. Schön sieht sie aus, die Halle und auch die angrenzenden Räumlichkeiten machen einiges her. Urbanisierter Industriecharme, der mich ein bisschen an die das Knust in Hamburg erinnert. Nur ist das Carlswerk Victoria viel größer. Sound und Klima in der Halle sind – zumindest dieses Konzert betreffend -sehr gut. Wunderbar!
Allerdings könnte ein ausverkauftes Konzert andere Erfahrungen bringen. Dann nämlich, wenn man unversehens am anderen Ende der schuhkartonförmigen Halle steht und die Bühne sehr weit entfernt ist. Ich möchte sagen, mir erscheinen die Proportionen Länge und Breite etwas suboptimal. Die Halle ist ein paar Meter zu lang und ein paar Meter zu schmal. Egal. Positiv ist, dass – im Gegensatz zum ähnlich definierten Palladium – keine Pfeiler die Sicht behindern. Durch eine verschiebbare Trennwand könnte man das Carlswerk Victoria auch für kleinere oder nicht ausverkaufte Konzerte attraktiv machen. Das Carlswerk ist ein toller Konzertort.

Leider wirkt das Konzert steril. So richtig funkt es nicht zwischen Publikum und Band. Das ist mein Eindruck aus meiner Position. Und die war nicht so schlecht. Obwohl ich spät dran war, war im vorderen Bereich noch genug Luft und Raum, um mich bühnennah positionieren zu können. Glück gehabt. (Siehe oben).
Doch zurück zum Publikum: Gut, da wäre der 50something neben mir, der nach jedem Lied Jubelschreie von sich gibt und die Songs tänzerisch begleitet, mehrheitlich jedoch ist das Publikum eher ehrfurchtsvoll und wahrt Distanz. Einige gehen gar während der ersten Songs nach hinten. Ist der Bass zu laut? Nein, das kann nicht sein. Der Sound im Carlswerk Victoria ist sehr gut. Waren dann die Erwartungen andere? Ich weiß es nicht. Und welche Erwartungen stellte jeder Einzelne überhaupt an dieses Konzert?
Ich hatte nicht die Erwartung, ein best-of Konzert zu sehen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich damit alleine war. Ich hatte die Erwartung, ein ähnlich dunkles und intensives Konzert zu erleben wie zur Blank Project Tour. Damals war ich sehr begeistert von der Liveumsetzung der neuen Songs, der Wucht der Bässe und der Ausgelassenheit Neneh Cherrys.
Jedoch waren die Bässe an diesem Abend nicht wuchtig, sondern der Sound elegant und jazzig cool. Die sechsköpfige Band, eine Harfe, das Vibration. Es sind nicht mehr nur die Plattenteller und Keyboards von RocketNumberNine, die den Sound zusammenstellen.

Es sind die Songs der beiden letzten Alben, die das Konzert bilden. Im regulären Set taucht nur das altbekannte und an die neuen Songs gut angepasste „Manchild“ auf. Harmonisch schleicht es sich zwischen „Soldier“ und „Natural Skin Deep“. Letztgenannter ist der Song mit dem tollen Saxophon! Ich merke nicht, dass Jahrzehnte zwischen den Songs liegen.
In diesen Momenten neigt sich das Konzert nach 12 Songs dem Ende entgegen. Eine Stunde Spielzeit, das reicht Neneh Cherry. Mir auch irgendwie. So überzeugt wie seinerzeit den Stadtgarten verlasse ich das Carlswerk nicht. Es ist vielleicht die Ballade „Synchronized Devotion“, die mir zu erkennen gibt, dass das hier nichts mit dem Stadtgarten Konzert zu tun hat. Das war ein bisschen unter meinen Erwartungen, enttäuscht oder gar ein vertaner Abend war es aber nicht. Konzertabende können nie vertane Abende sein!
Die ersten Töne der Zugabe höre ich vor der Halle. Der Sound dringt überraschend deutlich durch die Außenwand.

Who’s looking good today?
Who’s looking good in every way?
No style rookie
You better watch don’t mess with me

Setlist:
01: Cheap Breakfast Special
02: Fallen leaves
03: Shot Gun shack
04: Deep vein thrombosis
05: Kong
06: Poem Daddy
07: Blank Project
08: Synchronised devotion
09: Black Monday
10: Natural skin deep
11: Manchild
12: Soldier
Zugabe:
13: Faster than the truth
14: 7 Seconds
15: Buffalo Stance

Kontextkonzerte:
Neneh Cherry – Köln, 07.03.2014 / Stadtgarten
Neneh Cherry – Pop-Kultur Festival Berlin, 27.08.2015

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