Ort: Zoom, Frankfurt
Vorband: Metabolismus
Ist mit mir alles in Ordnung? Manchmal habe ich Zweifel. Seit einer knappen Stunde stehe rechts vor der Bühne in unmittelbarer Nähe zu Thurston Moore, höre das schöne „Burroghs“ und denke: „Der Refrain, dieses oheeohheeohee, erinnert mich an die Kaiser Chiefs.“ Richtig gelesen, die Kaiser Chiefs, diese mal sehr schöne, mittlerweile aber abgehalfterte Fußball-Lad-Gröhlband aus Leeds. Sachen gibt’s, ich wundere mich über mich selbst.
Das Chelsea Light Moving Konzert in der vergangenen Woche beschloss meine kleine Sonic Youth Reihe ohne Sonic Youth. Seit Mitte Juni konnte ich erst Lee Ranaldo und Steve Shelley, anschließend Kim Gordon und zum Abschluss Thurston Moore live erleben. Alles in einem 200 Kilometer Radius. Ich mag meinen Wohnort hierfür, wo könnte ich besser wohnen, um so was mitnehmen zu können.
Noch vor einigen Jahren war Thurston Moore einer meiner unumstrittenen Musikerhelden, ich bewunderte ihn ob seiner Jugendhaftigkeit, ich mochte sein Bühnendasein, mir gefiel sein Gitarrenspiel. Seitdem ich vor einigen Wochen allerdings die Gründe der Trennung von Kim Gordon gelesen habe, sehe ich ihn distanzierter und weniger enthusiastisch. Aber schlussendlich ist das sein Ding, mir als Musikfan sollte das Privatleben etwas egal sein. Mal ganz abgesehen davon, dass ich ein Interview mit Kim Gordon in der Elle las, also eine sehr eindimensionale Sicht auf die Dinge bekam. Thurston Moore hat sich nie öffentlich darüber geäußert, zumindest habe ich nichts davon mitbekommen.
Doch back to the music, denn einzig darum soll es schließlich gehen. Und, darüber gibt es keine zwei Meinungen, Thurston Moore‘s Musikding ist immer noch groß. Im Sommer kaufte ich mir sein Soloalbum „Demolished Thoughts“. Es ist eine wundervolle Platte, gleich einem entspannten abendlichen Sommerspaziergang. Mit Chelsea Light Moving geht er nun rumpeliger zu Werke. Zusammen mit Samara Lubelski, Keith Wood und John Moloney gründete Thurston Moore im letzten Jahr diese Band. Manchmal lese ich “All Star Band“, ich jedoch kenne die drei Mitmusiker und ihre Bandgeschichten überhaupt nicht. Aber glauben möchte ich das gerne.
Schlagzeug, Gitarre, Bass, Gitarre. Damit ähnelte das Setup dem von Moore’s Vorgängerband. Und überhaupt haben Chelsea Light Moving sehr viel Sonic Youth in ihren Songs. Ihr Debütalbum macht diesbezüglich einiges her, aber, und hier ist ein gewaltiger Unterschied wie ich finde, sie putzen so ganz nebenbei noch ordentlicher die Platte. Ich habe das Album in den letzten Tagen wirklich sehr oft gehört, es eignet sich gut als Nebengeräusch beim lernen. Gerade wenn etwas nicht so funzen will, wie es soll, gibt mir ein Song wie „Communist eyes“ den notwendigen Perspektivwechsel auf den Lernstoff. Er ist ein gutes Beispiel dafür, um was sich Chelsea Light Moving Songs gegenüber Sonic Youth Songs erweitern.
Und so war ich sehr gespannt, sie live zu erleben. Ich stellte es mir brachial vor, wie einen großen Tritt in den Hintern. Der wurde mir überdies auch aus München versprochen, wo sich ein Studienkollege Tage zuvor die Chelsea Light Moving’s angesehen hatte. Der war es in Frankfurt aber nicht. Leider. Ich empfand das Konzert als weder brachial noch hinterntretend. „Hi, we are a Band from California called Blag Flag.“ Ja, selbst wenn selbstironisierend Blag Flag und die Minutemen das Moore’sche Ansagemotto des Frankfurter Abends waren, Hardcore war nur Scooter nachts um kurz vor zwei im Autoradio. Chelsea Light Moving waren anders.
Vor Chelsea Light Moving eröffneten Metabolismus und das Jooklo Duo den Abend. Als sich die Vorband in der Welt rumsprach, gab es Zuspruch: ‚jooklo duo, einfach geniessen.‘ Und ‚Oh, dann ist bei euch Metabolismus angetreten. Neid!‘ Gut, ich gab mein bestes, aber der reine Genuss viel schwer. Metabolismus und das Jooklo Duo lieferten für mich schwere Kost ab. Bei sieben Musikern und gefühlten 500 Instrumenten auf der Bühne fühlte ich mich überfordert. Die Musiker performten einen Song, oder besser eine Soundcollage in ihrem 35 Minuten Auftritt. Mir ging das manchmal zu sehr durcheinander, zu bunt zusammengewürfelt erschien mir das Ganze. Gegen Ende, hier war verstärkter Saxophoneinsatz durch Jooklo Aktivistin Virginia Genta angesetzt, empfand ich es „eingängiger“, aber immer noch schwierig. Überdies steigt mir bei Saxophonklängen immer Lisa Simpson in den Kopf, was die Sache an sich nicht leichter gestaltet. Gut, Metabolismus war an diesem Abend nichts für mich. Im Nachhinein hörte ich noch ein paar ihrer Tracks im Internet und war sehr überrascht. Das klang viel eingängiger und rhythmischer als im Zoom. Nicht so experimentell und wirr, eher mit easy listening Ansätzen (auch wenn ich mich jetzt unter Umständen sehr weit aus dem Fenster lehne).
Chelsea Light Moving eröffneten mit “Sleeping where I fall” und “Frank O’Hara hit”. Aber ich wurde hibbelig. Das Konzert war gut, sehr gut sogar, aber irgendwas fehlte mir. Wo war der Tritt in den Hintern, das Drama, der Schweiß, den ich erwartete und der mir zugesagt wurde. So recht spürte ich nichts von all dem. Hier und heute scheint es anders zu laufen: „Alighted“ zum Beispiel empfand ich nicht als so preschend wie auf Platte oder in dem kexp- Video, dass ich am Tag zuvor ausführlichst studiert hatte. Es schleppte sich vielmehr so durch. Das verunsicherte mich, ich begann, das Konzert zu unterschätzen. Immer wieder suchte ich nach dem vermissten Lärm, immer wieder fand ich ihn nicht.
Nach knappen andertviertel Stunden sagte ich schließlich beim rausgehen, dass es das schlechteste meiner drei Sonic Youth Konzerte gewesen sei und erntete dafür einen komischen Blick: ‚Schlechter als body/head? Nein!‘. Oh doch, der Chelsea Abend sprach mich tatsächlich nicht so tief an wie die halbe Stunde Gitarrengedaddel auf dem Kölner Museumsdach. Besser erklären kann ich es leider nicht.
Und auch heute hat sich an dieser Sicht nichts geändert. Lee Ranaldo vor Kim Gordon vor Thurston Moore. Und so unterschiedlich die drei Abende waren, so hatten sie doch vieles gemeinsam: Bei allen hörte ich Sonic Youth Gitarren heraus. Und die klingen bekanntlich immer gut. Es waren also drei wunderbare Abende!
Kontextkonzerte:
Body/Head – Köln, 18.06.2013
Lee Ranaldo – Hasselt, 15.06.2013
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