Ort: Rotondes, Luxemburg
Vorband: Karl Larsson
Evan Dando. Wann sah ich dich das erste Mal? 1991? 1992? Und wann war das, als wir dich im Drogensuff um das PC69 in Bielefeld irren sahen? Und wie war das als Vorband von Soul Asylum? Damals liebte ich „Mallo Cup“, „A circle of one“, „Sad girl“ und die feine „Luka“ Coverversion über alle Maßen. Irgendwann in den 2000er Jahren hast du dann ein paar wirklich schlimme Konzerte gespielt. Spontan fällt mir ein Gebäude 9 Auftritt ein, bei dem man Angst um dich haben musste. Das war nicht schön. Da hattest du nichts mehr von dem Alternative Rock Model, das dich in den 1990er Jahren nicht nur als Musiker, sondern auch als MTV IT-Posterboy in den Mainstream spülte und mit It’s a shame about Ray und anderen Alben einen ständigen MTV Soundtrack ablieferte.
Die Rotonde gegenüber dem Hauptbahnhof in Luxemburg ist der vielleicht schönste Konzertort, den ich bisher besucht habe. In dem alten Eisenbahndrehwerk ist ein kleiner Konzertsaal für vielleicht 400 Leute untergebracht, nebst einem Café/ Bar mit vielen schönen Sitzgelegenheiten und was zum Essen gibt es auch. In einer zweiten Rotonde ist eine weitere Veranstaltungshalle untergebracht, auf dem Gelände verstreut stehen Bänke und im Sommer wird das Areal sicher ein einziger Biergarten. Eine wunderbare Lokalität inmitten der Stadt. Der Saal ist modern und technisch tiptop ausgestattet. Benelux eben. Ich beneide unsere Nachbarn sehr um ihre Kulturbezuschussungen und Veranstalter um die zur Verfügung gestellten Fördergeldertöpfe. Was unter diesen Voraussetzungen mit Kultur passieren kann, sieht man, wenn man einen Ausflug ins Nachbarland unternimmt und sich Städte wie Heerlen, Eupen oder Maastricht anschaut. Alles keine großen Lichter, aber alle Städte haben mindestens einen tollen Konzertsaal und/ oder eine Kultureinrichtung mit entsprechendem Equipment. Bei uns wird sowas ja leider nicht ganz so wichtig genommen.
Die Rotonde ist also sehr einladend. Das Ambiente passt und alles andere auch. The Lemonheads waren für 21.30 Uhr angesetzt, Karl Larsson für 20.30 Uhr. Einlass war ab 20 Uhr. Dank gutem Informationsfluss via Facebook wusste ich, dass ich mich nicht hetzen brauchte. Entspannt konnte ich die Fahrt über die Eifel angehen, die, kilometermässig ein Klacks, aufgrund des fehlenden Lückenschlusses der A1 aber zeittechnisch oftmals länger als gedacht dauert.
Pünktlich betritt Karl Larsson die Bühne. Wer ihn nicht kennt oder gerade nicht weiß, woher er den Namen kennt: Karl Larsson war Sänger der schwedischen Band Last days of April, die um die Jahrtausendwende ein paar Hits hatte. Mir sind die ein Begriff und daher wollte ich seinen Auftritt nicht verpassen. Sein Set dauerte nicht allzu lang, war dafür aber – wie ich fand – qualitativ sehr hochwertig. Auf der Akustikgitarre spielt Karl Larsson ein paar Songs und unterhält uns zwischendurch mit kleinen Geschichten ( ‘Hey, das T-Shirt hab ich auch. Ich glaube 1998 tourten wir mit denen…‘.) Das war toll und unterhaltsam. Sein Auftritt wirkt auf mich wie ein typischer elder statesman Auftritt, auch wenn Karl Larsson noch nicht alt ist und seine Band Last days of April noch nicht ad acta gelegt wurde.
In der Umbaupause läuft uns zum ersten Mal Chris Brokaw über den Weg? Was macht der denn hier, die unabdingbare Frage. Da ich zuvor im Internet gesehen hatte, dass Brokaw schon des Öfteren mit Dando Akustikshows gespielt hat (es gibt da dieses tolle Video ihres Covers „Beatuiful“), war mir irgendwie klar, dass er auf dieser Tour zur Band gehören muss. Gehört er auch!
The Lemonheads. Gitarre, Schlagzeug, Bass. Für die Gitarre sind die beiden deutlich Dienstältesten des Quartetts zuständig, am Schlagzeug und am Bass spielen zwei Jungs, die altersmäßig locker Söhne von Dando oder Brokaw sein könnten.
Das The Lemonheads Konzert beginnt im Bandkontext. „Hospital“ und „Down about it“ scheppern durch die Rotonde, dass mir die Ohren brennen. Trotz allen Lärms bemerke ich, dass Evan Dando an diesem Abend etwas schwach auf der Brust ist. Seine Stimme wirkt gepresst, der Gesang ist merklich mit verstärkendem Hall unterlegt. Erkältungswetter auch für Musikstars, nehme ich an. Doch wenn man wie die Lemonheads laut und schnell spielt, fällt der Gesang nicht so ins Gewicht. Ist das an diesen Abend Teil des Plans?
Die ersten fünf, sechs Songs dreschen die vier in einem Rutsch runter. Von Evan Dandos Solokonzerten bin ich dieses hintereinander wegspielen gewöhnt, im Bandkontext wirkt es ungewohnt. Es bleibt wenig Platz zum Luftholen oder applaudieren. Dando legt den Takt hoch an und die Band hat Mühe, seinem Tempo zu folgen. Überhaupt ist es eine Herausforderung, mit Evan Dando zusammen zu spielen. Er bringt Textpassagen durcheinander, spielt Soloeinlagen, wo eigentlich keine hingehören, verkürzt oder verlängert Songs scheinbar wahllos. In Summe wirkt er damit auf der Bühne immer noch so unaufgeräumt wie eh und je. So entwickelt sich nahezu jeder Song zu einer Überraschungskiste. Nicht selten schaute Chris Brokaw irritiert rein, bläst die Backen auf und versucht, irgend möglich mit der zweiten Gitarre nachzukommen.
Von „Hospital“ bis „Great Big No“ ist es ein lupenreines Rockkonzert. Danach markiert ein Strich auf der Setlist wohl den (geplanten) Bruch weg vom Rockkonzert hin zum semi-akustik Solo Konzert. Wenig überraschend steht dann der Schlagzeuger nach „Great Big No“ auf und will gehen, als Evan Dando mit einer Handbewegung anzeigt, dass die Band doch auf der Bühne verbleiben möge. Ich vermute, er fühlt sich stimmlich nicht in der Lage, einen langen Solo-Akustikpart zu spielen. Zwischen den Songs nuschelt er immer etwas von “ach es geht langsam besser‘ und ’so langsam läuft’s‘ in sein Mikrofon. Also bläst Chris Brokaw kurz erneut die Backen auf und haut weiter in die Saiten. Nützt ja nix, mag er gedacht haben.
Erst drei, vier Songs später, als Evan Dando äußerte, seine Stimme wäre jetzt definitiv besser da, durfte die Jugendfraktion (Schlagzeuger und Bassist) die Bühne verlassen. Es bleibt die Ü50 Fraktion zurück, die sich dann an die poppigeren Lemonheads Sachen, ein paar Dando Solosongs und dem ein oder anderen Cover der letzten beiden Alben heranmacht. Die ausgelegte Setlist ist zu diesem Zeitpunkt schon längst mehr Optionsliste als Spielplan.
„Being around“ ist der erste Song des kleinen Akustikintermezzos, das Chris Brokaw zeitweise auf Wink mit Gitarre und Gesang unterstützt. „Bit part“ mit Chris Brokaws zweiter Gesangsstimme – ein guter Ersatz für Juliana Hatfield –, „Hannah & Gabi“, „Hard drive“, „Outdoor type“, die Liste könnte endlos weitergehen. Doch nach “Ride with me” kommt die Band zurück und der nahtlose Übergang in „Stove” und Lärm könnte schöner nicht sein. Einer meiner Konzertmomente schlechthin! Über wieviel songschreiberisches Hitpotential dieser Dando doch verfügt.
‘I need my white guitar.‘
Zwei Songs haben sie noch: „Into your arms“ und das Nick Cave & Bad Seeds Cover „Straight to you“ beenden das Konzert nach guten anderthalb Stunden. Eine Zugabe spielen sie nicht.
Natürlich hat Evan Dando nur einen Bruchteil meiner Lieblingssongs gespielt. Dafür aber vieles, was ich lange nicht mehr live gehört habe und er bei seinen letzten Konzerten ausgelassen hat. Traurig kann ich deswegen nicht sein, haben die Lemonheads doch einfach zu viele Hits und zeigen verantwortlich für zu viele Lieblingslieder.
Tags drauf ich am PC und höre die anderen Coverversionen der letzten beiden Alben. Es riecht nach Prärie, es klingt nach Country. Das ist nicht schlechter als „Luka“ oder „Mrs Robinson“ vor 30 Jahren, nur anders. Evan Dando hat mittlerweile ein kleines Wohlstandsbäuchlein und im März spielen The Lemonheads noch in Lüttich. Ein durchaus erreichbares Konzert.
Kontextkonzerte:
Evan Dando – Berlin, 17.03.2015 / Bang Bang Club
The Lemonheads – Köln, 12.05.2012 / Luxor
The Lemonheads – Esch-Alzette, 27.04.2012 / Rockhal
The Lemonheads – Köln, 03.10.2008 / Gebäude 9
The Lemonheads – Köln, 27.10.2006 / Bürgerhaus Stollwerck
Multimedia:
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