Ort: Muziekgieterij, Maastricht
Bands: Householding, Cold Gawd, Soft Blue Shimmer

Das Jahr beginnt. Nachdem mein letzter Konzertbesuch von Anfang Dezember datiert, bin ich ausgeruht und hibbelig genug, um das neue Konzertjahr anzugehen. Ich bin in diesem Jahr extrem spät dran, was ich jedoch nicht tragisch finde. Zum einen leide ich von Jahr zu Jahr weniger unter Konzertdruck, zum anderen gab es auch in den letzten Wochen wieder Schienenersatzverkehre im ÖPNV und das Wetter und die Erkältung waren auch nicht gerade sonderlich einladen, um sich Abende bei Lärm und Krach abseits einer Couch um die Ohren zu schlagen. Aber jetzt, bitte schön, kann es losgehen. Ich stehe wieder zur Verfügung. Zum Beispiel für den Besuch der immer sehr innovativen und wohl zusammengestellten Zero for three Konzertreihe in Maastricht. Dieses kleine, feine, immer ca. quartalsweise stattfindende Minifestival der Muziekgieterij ist mein erster Konzertevent. Zero for three steht dabei zum einen für die Postleitzahl Maastrichts (043), und zum anderen sinnbildlich für den Abend: drei Bands, kein Eintritt. Für diesen Abend haben die Macher die niederländische Band Householding sowie die beiden US-Dreampopper/Shoegazer Soft Blue Shimmer und Cold Gawd in den kleinen Saal des Klubs eingeladen.
Everything is noise, sozusagen. Oder: Willkommen beim Themenabend Shoegaze in der Muziekgieterij.

Ich hatte mich nicht sonderlich gut vorbereitet. So erfuhr ich erst im Vorgespräch während der Umbaupause, dass Cold Gawd eigentlich mehr das Projekt des Sängers Matthew Wainwright ist. Das erste Album The creative pursuits of me and you hat der Multiinstrumentalist im Alleingang eingespielt. Inwieweit das beim aktuellen und zweiten Album I’ll drown on this earth auch der Fall war, und inwieweit die drei Mitmusiker zur Band gehören, seine festen Tourmusiker sind oder ihn nur auf dieser Tour begleiten, kann ich nicht sagen. I’ll drown on this earth erschien im Sommer letzten Jahres. Die Visions schreibt
Trotzdem reizt der bittersüße Kontrast aus herausstechenden Melodien auf der einen und Aufwallungen von mit Noise und Screamo garnierten Gitarreneffekten auf der anderen Seite ohne jeden Spannungsabfall. Dazu kommen neben einer wogenden Dynamik auch bewusst gesetzte Brüche wie der vergleichsweise ruhige, geradezu liebliche Dreampop in “Tappan” oder der elektronische Fokus im Synthie-Song “Nudism”. In der Überwindung von Genre-Grenzen zeigen sich Cold Gawd so vorbehaltlos wie arglos, also ganz dem zeitgenössischen Pop entsprechend. Gleichzeitig merkt man den Kaliforniern ihre Wurzeln im Hardcore jederzeit an. Wahrscheinlich ist es diese Gemengelage, die “I’ll Drown On This Earth” so stark und Cold Gawd für einen baldigen Konzertbesuch so vielversprechend macht.
Envy, Deafheaven sind so Referenzen, die mir in den Sinn kommen. Die Verbindung zum kalifornischen Hardcore/Post-Hardcore klingt tatsächlich durch und ist auch optisch präsent. Ich sehe durch viel Bühnennebel und wenig Licht zwar nicht viel und alles, aber die Musiker machen einen toughen Eindruck. Der Bassist direkt vor mir zum Beispiel ist eine Schrankwand. Musikalisch knüppeln Cold Gawd von Minute eins an ordentlich los. Nach einem kurzen Solointro durch Matthew Wainwright gibt der Schrei des Gitarristen anschließend das Startzeichen für gute 40 Minuten Gitarrengewitter (1990er Jahre Fachbegriff). Der Sound ist dicht und laut, aber nicht zu laut. Wie es sich für ordentlichen Shoegaze gehört, geht der Gesang sehr oft – nein, eigentlich immer, komplett unter. Ich hätte mir das Konzert dennoch lauter gewünscht und irgendwie ist es ein bisschen schade, dass es das nicht ist. Shoegaze muss auch etwas in den Ohren schmerzen, denke ich und erinnere an Mogwai, Ride oder My bloddy valentine Konzerte.
Die ersten zwei Songs wirken auf mich noch nicht ganz, ich brauche etwas, um in das erste Konzert des Jahres hineinzukommen. Dann werden aber sowohl der Ton, als auch die Songs gefühlt besser, und der Auftritt entwickelt sich zu dem, was ich erwartet habe: Er wird sehr gut.
Überraschenderweise beschließen Cold Gawd nicht den Konzertabend. Die Internetankündigungen zuvor wiesen die Band mit einer Spielzeit von 22.30 Uhr bis 23.20 Uhr als quasi Headliner der Veranstaltung aus; am Eingang der Muziekgieterij werden auf den Infotafeln dann allerdings Soft Blue Shimmer für diesen Slot notiert. Ebenso sehe ich dort, dass die erste Band des Abends, die niederländischen Householding, bereits spielen. (‘Now playing’ ist hinter ihrem Namen vermerkt.). Ich bin nicht ganz pünktlich an der Muziekgieterij gelandet, daher nehme ich von Householding nur noch zwei, drei Songs mit. Die Songs klingen gut, es ist klassischer Indierock, der mich – da die Band aus den Niederlanden kommt – an DIRK., Pip Bloom oder Personal Trainer denken lassen. Gegebenenfalls werden wir noch von Householding hören.
Es hat Tradition und es ist Teil des Konzeptes, dass auch immer ein interessanter, heimischer Act zum Zero for three eingeladen wird. Und es hat leider auch Tradition, dass ich diese Bands regelmäßig verpasse.
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Nicht zu spät sein wollte ich bei Soft Blue Shimmer auf gar keinen Fall. Ich gestehe, auf diese Band habe ich mich am meisten gefreut. In den letzten Tagen habe ich einige ihrer Songs gehört und bin dabei immer mehr zum Fan geworden. Soft Blue Shimmer machen sehr schönen shoegazigen Dreampop; sie lassen mich oft an Bands wie die Ducktales (Plinkergitarre), Blonde Redhead (Gesang), Beach House (einige Melodien) oder Warpaint (Bassspiel)denken. ‘Turning dreams into nosie’ steht auf ihrer Bandcamp Seite. Das beschreibt es verdammt gut.
Soft Blue Shimmer ist die Band um Sängerin und Bassistin Meredith Ramond und Gitarrist Charlie Crowley. Die beiden schreiben die Songs und sind – wenn ich es im Internet richtig lese – die Köpfe und ständigen Mitglieder bei Soft Blue Shimmer. Neben den beiden stehen in Maastricht noch ein weiterer Gitarrist und eine Schlagzeugerin auf der Bühne. Soft Blue Shimmer spielen knappe 40 Minuten. Das ist nicht viel Zeit, es reicht aber, meinen bisher guten Eindruck von der Band in einen sehr guten Eindruck zu verwandeln. Live sind sie sehr gut, auch wenn der Gesang teilweise etwas holprig daherkommt. Doch wie heißt es bei den Silver Jews schon: ‘all my favourite singers couldn’t sing.’
Immer wieder stolpere ich beim Hören über diese famose Plinkergitarre, die sich durch viele ihrer Songs zieht. In diesen Momenten haben Soft Blue Shimmer sehr viel kalifornisches Beachfeeling in ihren Melodien. In anderen Momenten wiederum klingen sie melancholischer, verträumter (Obacht Dreampop!) und im Grunde Slowdive-esk. Richtig stark wird ihr Wall of Sound dabei allerdings nicht.
Ihr drittes Album They will leave us with nothing erscheint Ende des Monats. Ich rate dringend, es zu kaufen.
Kontextkonzerte:
Zero for three Festival – Maastricht, 01.12.2023