Ort: Joriskerk, Venlo
Vorband:

James Walsh,Venlo,Joriskerk,Konzert,2025

Wie schrieb ich am Wochenende unter meinen Videopost zum Konzert: Es macht immer Sinn, auf Solokonzerte von Bandleadern zu gehen. 
Lange Zeit war mir das nicht klar, lange Zeit stand ich diesen Solokonzerten aus verschiedensten Gründen eher skeptisch gegenüber. Ich habe meine Meinung mittlerweile jedoch geändert, der ein oder andere Konzertbesuch überzeugte mich davon, dass Voreingenommenheit falsch war. Und dieser Abend änderte nichts daran. James Walsh tat alles dafür, dass ich meine Meinung so schnell nicht wieder zurückdrehen muss. Das Konzert in der schönen Joriskerk in Venlo war außergewöhnlich gut und die knapp einstündige Anfahrt mehr als wert. Die Erkenntnis des Abends ist zum einen, dass alle Starsailor Hits auch ohne Band funktionieren (vielleicht funktioniert der ein oder andere Song sogar besser. (Spoiler: “Way to fall”)) und zum anderen, dass James Walsh ein sehr sympathischer Zeitgenosse zu sein scheint. So zumindest mein Eindruck.

Die Anreise gestaltete sich unkritisch. Obwohl das Konzert an einem Samstagabend stattfindet, ist die Venloer Innenstadt wenig besucht. Die Außengastronomie (ja, auch im Februar!) am großen Markt ist – verständlicherweise bei knapp über 5 Grad – nicht belegt, aber auch sonst herrscht kaum Trubel. Das wiederum bedeutet, dass die Parkplatzsituation extrem entspannt ist und wir gemütlich fünf Minuten vor Einlass die Joriskerk erreichen. Dort stehen zu meiner Überraschung bereits 15, 20 Leute und warten darauf, die ersten Bankreihen in Beschlag nehmen zu können. Okay, zu dieser Uhrzeit hatte ich mit dem Andrang nicht gerechnet und tatsächlich ergattern wir die letzten beiden freien Plätze in der ersten Reihe. Puh, Glück gehabt. Früher war es mir nicht so wichtig, in den ersten Kirchenreihen zu sitzen und der Sonntagsmesse zuzuhören. An diesem Abend und unter dieser Konstellation ist es natürlich das komplette Gegenteil. Wenn wir uns schon den Samstagabend mit einem Konzert um die Ohren schlagen, dann doch bitteschön mit bester Sicht auf die Bühne. Sonst macht es ja auch keinen Sinn.

Hinzukommt, und das vergesse ich bei solchen Konzerten immer wieder, haben Musiker wie James Walsh in den Niederlanden/Belgien ein ganz anderes Standing als bei uns. Dort sind sie viel größer und immer noch wichtig. Wie viele Konzertbesucher hätte wohl ein James Walsh Konzert in Köln? Doch keine 50, oder?!
In Venlo fasst die Sint Joriskerk knapp 200 Besucher; an diesem Abend ist sie ausverkauft. Ärgerlicherweise ist das auch der Grund, warum so ein Solokonzert nie in Deutschland stattfinden wird. Der Markt gibt es einfach nicht her, bzw. kein Veranstalter geht das Risiko ein, es einfach mal auszuprobieren. Das ist schade, jedoch verständlich. Umso mehr freue ich mich bei solchen Konzertansetzungen, dass ich einen kleinen Standortvorteil habe und einfach auch mal kurz nach Belgien oder in die Niederlande fahren kann.

James Walsh in der Joriskerk in Venlo. Was für ein sehr schönes Konzert mit Starsailor Hits, zwei Covern und Solosachen. #jameswalsh #starsailor

Frank (@spiralstairs.bsky.social) 2025-02-01T23:19:28.979Z

Zurück in die Joriskerk. Das Kirchenschiff ist kurz vor Konzertbeginn endgültig gefüllt. Gut so, es wird also nicht so peinlich wie bei unserem letzten Konzert hier, als Josh Rouse vor vielleicht 50 Leuten spielte.

Kurz vor halb neun betritt James Walsh den Altarraum. Mikrofon und Monitorbox sind direkt vor der Kanzel aufgebaut, etwas Technik zwei, drei Schritte dahinter. Die Gitarre hat er schon angelegt, so dass er direkt starten kann. Mit „Good souls“ und „Fever“ kommen sofort zwei Starsailor Hits. ‘Das geht ja schonmal gut los’, denke ich und merke nebenbei, wie gut Starsailor Songs gealtert sind und wie schön sie in dieser verstärkten Akustikgitarrenversion klingen. Der Pathos ist dabei ein anderer, das Hymnische wird durch mehr Melancholie und Romantik ersetzt. Besonders die sing-a-long Klassiker wie „Four to the floor“ oder „Silence is easy“ wirken so ganz anders. Bei den eh’ schon ruhigen, romantischen Songs wie „Lullaby“ oder „Tell me it’s not over“ ist der Kontrast logischerweise nicht ganz so deutlich spürbar. Ich frage mich aber seit längerem, wie “Tell me it’s not over” mit Band klingt. Ich habe die All the plans CD aus dem frühen Starsailor Spätwerk nicht daheim rumliegen, kann es also nicht schnell nachhören. Im CD-Regal stehen nur die ersten beiden Starsailor CDs, die sicherlich die wichtigeren in der Bandgeschichte sind.

Aber das Konzert sind nicht nur Starsailor Songs. Seit 2009 – nachdem die Band Starsailor auf Pause gelegt wurde – schreibt James Walsh Songs für sich, hat zwischenzeitlich unzählige EPs und im vorletzten Jahr zwei Alben veröffentlicht. Und er schreibt weiterhin. Der Song “Shadow heart”, Nummer drei auf der Setlist, wird zum Beispiel erst nächste Woche veröffentlicht. Auffällig ist, dass die neuern Songs anders klingen. Erwachsener möchte ich sagen, mache es aber nicht, weil es das nicht richtig trifft. „The Lucky strike“ und „Renewal“ sind brandneue Songs, „The greatest story never told“ ist vom 2021 Album Small Illusions. Diese 15, 20 Jahre mehr, oder besser gesagt später, hört man heraus. They sound different.
Doch wer jetzt glaubt, dass diese eigenen Songs niemand hören möchte, der irrt. Sicher gibt es an diesem Abend auch den ein oder anderen, der nur wegen „Alcoholic“ oder „Silence is easy“ hier ist. Aber ehrlich gesagt, ich kann ihn nicht ausmachen. Showstopper sind seine Solosongs und die beiden Coversongs (einmal Dylan, einmal Young) nicht. Das Publikum hört durch die Bank aufmerksam und respektvoll zu. Ein feiner Zug, der allerdings auch nicht allzu schwerfällt. Die Songauswahl passt und harmoniert bestens. Es gibt keine Brüche im Konzert. Klar, Starsailor Songs dominieren die Setlist, da weiß James Walsh schon, was er abliefern muss. Wie ein reines Starsailor Best-of Konzert fühlt es sich aber nicht an. Und das ist auch gut so. Und doch stechen die Starsailor Sachen hervor: “Way to fall” klingt sehr beeindruckend. James Walsh Stimme ist brillant, die minimalistisch gespielte Gitarre steht dem Song außerordentlich gut. Ist es das beste Lied des Abends? Ja, definitiv. Knapp dahinter dann „Tell me it’s not over“, das er gegen Ende des Konzertes spielt. Ich hatte sehr darauf gehofft, es an diesem Abend zu hören. Trotz „Alcoholic“, „Good Souls“, „Fever“, „Silence is easy“, „Four to the floor2 oder „Poor misguided fool“ ist „Tell me it’s not over“ vielleicht mein Lieblingslied der Band. Es kommt spät, als drittletzter oder gar vorletzter Song, aber es ist auf der Setlist. Wow, das macht den Abend für mich runder als rund. Mit „Four to the floor“ verschwindet James Walsh dann ins Dunkel des Bühnenrandes, um Sekunden später für zwei Zugaben ins Licht zurückzukommen. Das Neil Young Cover „Heart Of Gold“ und „Silence is easy“ beschließen um viertel vor zehn diesen schönen und unterhaltsamen Konzertabend.

Ich denke, es macht viel Sinn, sich eines der Starsailor Konzerte im kommenden Herbst anzuschauen. Die könnten gut werden.

Kontextkonzerte:
James Walsh – Hasselt, 14.04.2023 / Café Café
Starsailor – Manchester, 06.03.2020 / O2 Victoria Warehouse
Starsailor – Bochum, 24.10.2015 / Zeche
Starsailor – Köln, 18.11.2003 / E-Werk

Schreibe einen Kommentar