Ort: Muziekgieterij, Maastricht
Bands: Eosine, DEAFDEAFDEAF, Heartworms

Heartworms

Ich fahre gerne in die Muziekgieterij nach Maastricht. Das alte Industriegemäuer hat sich in den letzten Jahren zu einem sehr interessanten und schönen Konzertort mit zwei unterschiedlich großen Konzertsälen gemausert. Im großen Saal – und ich weiß jetzt nicht, wie viele Leute hier reinpassen – sah ich Bands wie Archive, Whispering Sons und dEUS. Im kleinen Saal, der vielleicht 300 oder 400 Leute fasst, beispielsweise Justin Sullivan und Swell. Neben den beiden Sälen gibt es ein Café und gute Parkplatzmöglichkeiten in der Nähe. All das hat sich mittlerweile rumgesprochen, bei Konzerten erlebe ich immer mehr deutschsprachiges Publikum und ich sehe immer öfter Autos mit Aachener oder Kölner Kennzeichen auf dem Parkplatz. (Ich nehme nicht an, dass die ins Multiplexkino nebenan gehen.)

Für mich, der in der Nähe von Köln wohnt ist es fast egal, ob ich nach Köln oder Maastricht fahre, um Bands zu sehen. Oft entscheide ich mich aber für Maastricht, die Schönheit des Ortes und der Service des Veranstalters spielen eine nicht ganz unwichtige Rolle. Wer wartet in Deutschland mit einem exakten, vorher veröffentlichten Timetable auf? Wer vom Palladium, Carlswerk oder Gebäude 9 schreibt mir Emails mit aktuellen Verkehrsbaustellen und Hindernissen bei der Anreise? Eine ‘letzte Infomail’ mit Anfangszeiten, Wegbeschreibung, etc. habe ich vom Luxor noch nie erhalten. 
‘Ja und die Benzinkosten? Da zahlste doch drauf.’
Nun, stimmt. Theoretisch. Denn da ist noch ein weiteres Phänomen: der Ticketpreis. Der ist in den Niederlanden manchmal im knapp zweistelligen Eurobereich günstiger (sic!!!) als in Deutschland. Beispiel dEUS: Ticketpreisunterschied 11 Euro. Oder ganz aktuell: Living Colour in Maastricht 35 Euro, in Köln 53 Euro. Da sind die benzinkosten fast oder ganz eliminiert. Und natürlich plane ich, mir Living Colour in Maastricht anzusehen und nicht in der Kantine in Köln.    

Die Konzertreihe 043 oder Zero for Three findet im kleinen Saal statt. Zero for Three, was ist das genau? Auf der Muziekgieterij wird das 043 so beschrieben (Achtung Google Translatorübersetzung):

Genau wie Sie sind wir immer auf der Suche nach „dem nächsten großen Ding“, nach Bands, die Sie begeistern und herausfordern. Die dir diesen Schlag ins Gesicht versetzen, der dich immer wieder kribbeln lässt. Weil wir das ganze Jahr über auf Entdeckungsreise gehen, und nicht nur vor und während des Bruis im September, bekommst du jeden Monat einen Vorgeschmack auf das, was du in der Muziekgieterij sehen und hören wirst. Und vielleicht sogar während Bruis. Drei Bands, die normalerweise den Frühaufstehern vorbehalten sind, können jetzt an einem Abend gehört werden, und das völlig kostenlos!

Okay, und was bedeutet die 043? Nun, das ist die Vorwahl von Maastricht. Ganz simpel.

Die drei Bands für diesen Abend sind Eosine aus Lüttich, DEAFDEAFDEAF aus Manchester und Heartworms aus London. Mich reizten letztere ungemein. Heartworms sah ich vor einem Jahr erstmals live und seitdem bin ich Fan. Aber auch DEAFDEAFDEAF klangen beim Durchhören einiger YouTube Videos sehr interessant. ‘Die klingen ja zeitweise wie die frühen Muse.’ Pünktlich bin ich in der Muziekgieterij und sehe mir die belgische Band Eosine an. Eosine sind ein Quartett aus Lüttich. Sängerin Elena Lacroix ist der Kopf der Band, von ihr stammen die Songs auf ihrer ersten und bisher einzigen EP Obsidian, die u. a. von Mark Gardener produziert und gemixt wurden. Genauso wie Elena Lacroix sind auch die drei übrigen Bandmitglieder Dima Fontaine, Benjamin Franssen und Brieuc Verstraete noch blutjung. Optisch wirken sie wie eine Schülerband. Vielleicht sind sie es auch noch, ich kann das nicht genau einschätzen. Musikalisch wirken sie dagegen erwachsener. Ihr Sound ist eine Art Rockshoegaze, die Gitarren, mit denen sie all ihre Songs ausklingen lassen, sind gnadenlos gut und differieren zwischen Rock und klassischen Shoegaze. Das macht ordentlich Eindruck, ich kannte die Band vorher noch nicht, fühlte mich aber in ihren Sounds direkt sehr wohl. Ich bin gespannt, wie sich Eosine entwickeln.

DEAFDEAFDEAF - 043 Festival Maastricht, 01.12.2023

DEAFDEAFDEAF können was. Bisher hat die Band aus Manchester genau wie Eosine noch nicht allzu viel Material veröffentlicht. Eine EP und ein paar Singles stehen aktuell auf ihrer Habenseite. Fünf Jungs, Nathan Hill, Ellis Whittle, Jack Findlay, Louis Grayson und Connor Alder. Ihr Sound klingt sehr modern und zeitgemäß, sie sind das, was man als junge, britische Band heutzutage scheinbar unweigerlich ist: DEAFDEAFDEAF sind eine Independent Post-Something Band. Dabei klingen DEAFDEAFDEAF doch anders als Yard Act, Leisure Society, Death Letter und all die anderen, mittlerweile etablierten, britischen Post-Rock Bands. DEAFDEAFDEAF haben mehr Melancholie, der Gesang von Nathan Hill klingt manchmal stark nach Morrissey. Ein bisschen wehleidig, ein bisschen anklagend. Hadern. In Kombination mit nicht allzu zackigen Post-Punk Gitarren macht das eine gute Mischung. Die Songs sind gut, als Anspieltipp empfehle ich das anfänglich sehr an die Editors erinnernde „One by one“.

Setlist DEAFDEAFDEAF:
01: Sweet thing
02: Sick dog
03: Millsbeek
04: Spectre
05: City song
06: Auto love
07: Odes
08: Impulse routine
09: Song 3
10: One by one
11: Nothingness
12: Totally in love

Headliner dieses kleinen Festivals sind, wenn man so will, Heartworms, das Projekt der  Sängerin Jojo Orme. Heartworms sind eine meiner aktuellen Lieblingsbands. Seit ich vor einem Jahr in ihr Konzert auf dem Zeitgeist Festival gestolpert bin, verfolge ich ihre Veröffentlichungen und Konzerttermine. Ich mochte in Nijmegen ihre schweren, stark an The Sisters of Mercy und andere 1980er Jahre Gothic und New Wave Legenden, erinnernden Synthies und Bassläufe, die von The Cure sehr stark geprägt sind („Consistent dedication“ klingt in den ersten Sekunden auffallend nach „A forest“.). Seitdem ist einiges passiert. Heartworms hat sich weiterentwickelt. Die Bühnenperformance von Jojo Orme ist viel ausdrucksstärker und sie selbst viel präsenter geworden, und die Songs  – leider gibt es bisher immer noch kein Debütalbum, stattdessen mehrere EPs und Singles – lassen mich nun mehr an PJ Harvey und Siouxsie and the Banshees denken. Ich höre viel mehr Gitarren als noch vor einem Jahr und sehe viel weniger Bühnennebel. Und Popsongs. „Extraordinary wings“ ist im Vergleich zu den anderen Songs sehr poppig, wie ich finde. Auch der neueste Heartworms Song, „May I comply“, kommt sehr tanzbar herüber.

Wie gesagt, eine Platte gibt es noch nicht. Ich denke, ich bin nicht der Einzige, der sehnsüchtig darauf wartet.

Setlist Heartworms:
01: Intro
02: May I comply
03: 24 Hours
04: Warplane
05: Extraordinary wings
06: Jacked
07: Just to ask a dance
08: Smugglers adventure
09: Consistent dedication
10: Retributions of an awful life

Es hat sich wieder einmal gelohnt, nach Maastricht zu fahren. Wer neue Musik entdecken will, dem kann ich diese 043 Konzertreihe der Muziekgieterij nur wärmstens empfehlen.

Kontextkonzerte:
Heartworms – Zeitgeist Festival Nijmegen, 03.12.2022 / Doornroosje

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