Ort: Gebäude 9, Köln
Vorband: The dove & the wolf
Googlet man nach Torres, sieht man erstmal nur Fernando. Dem sehr überschätzten spanischen Stürmer mit Spielzeiten bei Atlético, Chelsea und Liverpool gehören die ersten Sucheinträge; weiter unten taucht die Webseite torreslovesyou.com auf, die Homepage der Sängerin Mackenzie Scott. Torres loves you, wie nett.
Torres (nicht Fernando) kenne ich aus Barcelona. Beim Primavera Sound Festival 20015 war ich so fasziniert von der Amerikanerin, dass ich mir gleich zwei ihrer Konzerte anschauen musste: freitags auf dem Festivalgelände auf der Pitchfork Bühne und Sonntagnacht in einem Klub in Barcelona. Damals begeisterte sie mich als Solokünstlerin, die mit ihrer geloopten E-Gitarre die tollsten Songs raushaute. „Sprinter“ und „Strange hellos“ waren meine Höhepunkte der beiden Auftritte, beide Songs begleiteten mich danach noch wochenlang.
Anschließend wurde es etwas ruhig. Ein Kölner Konzert von Mackenzie Scott verpasste ich. Es war aber wohl auch nicht so dolle. Angetreten mit Band, verpuffte die Schönheit der Songs ein wenig, bzw. sie kam im Bandkonstrukt erst gar nicht so stark zur Ausprägung. 2016 gab es nichts neues, im Laufe dieses Jahres veröffentlichte sie ihr drittes Album Three futures, und bot ihr Debütwerk Torres kurzzeitig zum kostenfreien Download auf ihrer Homepage an.
Spielt Torres nachher wohl „Sprinter“ oder den zweiten Song des Albums, das vor ein paar Monaten zum kostenlosen Download angeboten wurde? Ich würde mich über beide Songs im Set sehr freuen.
Im Gebäude 9 ist es überschaubar voll. Der nasskalte November Abend fordert seinen Tribut. Die, die sich auf den Weg gemacht haben, sehen zwei Bands, die sich das Wörtchen Uniformität als Kleidungsmotto vorgenommen haben. Während die Vorband The dove & and the wolf komplett in rot (entweder als Jumpsuit oder in der Kombination Hose/T-Shirt) die Bühne bespielt, ist die farbliche Abstimmung innerhalb der Torres Band nur auf den zweiten, genaueren Blick auszumachen. Was auch an der Farbe Grau liegt, die unscheinbarer daherkommt als das knallige rot der Vorband.
Mackenzie Scott und die Tourkeyboarderin tragen zu ihren grauen Stoffhosen und hellgrauen T-Shirts Schlangenleder Boots. Der Gitarrist und der Schlagzeuger belassen es bei grauen Hosen und Shirts. Zusätzlich tragen Mackenzie Scott und ihr Schlagzeuger schwarze Jacken. Beide Bands haben sich also Gedanken über ihren Auftritt gemacht und die Konzerte vorbereitet. Das finde ich schön, wichtiger als das Drumherum ist bei Konzerten aber die Musik. Keine Frage.
Musikalisch wirkt das Konzert von Torres auf mich dreigeteilt. Zu Beginn spielen sie drei Songs vom aktuellen Album Three futures. Wie so oft ist der erste Song des neuen Albums auch der erste Song im Konzert („Tongue slap your brains out“). Mit dem dritten Stück scheint mir die Band im Konzert angekommen zu sein; die größten Soundprobleme sind geglättet, die Musiker haben sich akklimatisiert. Es folgt ein Block mit den drei Älteren „New skin“, „Honey“ (der zweite Song vom Debüt Torres) und „Sprinter“, bevor Mackenzie Scott wieder zu ihren neueren Stücken zurückkehrt. Die drei Songs stammen vom Vorgängeralbum Sprinter und sie kommen mir vor wie eine kleine musikalische Zeitreise. Ganz klar bilde ich mir ein, einen Unterschied zwischen den alten Sachen und den neuen Stücken herauszuhören. Die Three futures Songs wirken auf mich poppiger und weniger verzweifelt. Während der guten Konzertstunde fällt mir dazu folgendes auf: bei den neuen Songs kommt die Airdrum ins Spiel, während die alten Stücke nur von der Bass- und Snaredrum angetrieben werden. Das Hi-Hat wird relativ spärlich eingesetzt, anderen Becken sind erst gar nicht installiert.
Leider ist der Sound im Gebäude 9 an diesem Abend suboptimal. Mackenzie Scotts Stimme ist fast gar nicht zu hören, sie ist viel zu leise ausgesteuert. Damit geht viel von den Torres Songs verloren, denn diese Leben enorm von der quälenden, anklagenden und leicht verzweifelt klingenden Stimmlage der Sängerin. Schade. Dass Mackenzie Scott ihre ersten Songs in Nashville geschrieben hat und dort lange Zeit lebte, ist ihrer Musik nicht anzuhören. Da ist kein Country drin, vielmehr klingt Torres nach PJ Harvey.
Aufgrund der Soundprobleme, die nie ganz gelöst werden konnten, war es ein zwiespältiges Konzertvergnügen. Die Songs an sich waren top, die Umsetzung war es an diesem Abend leider nicht ganz. Ich freute mich sehr, als ich auf der ausgelegten Setlist den Dreierblock mit „New skin“, „Honey“ und „Sprinter“ entdeckte, schließlich sind das meine favorisierten Torres Songs. Ich ärgerte mich später ein wenig, dass ich die Songs dann im Konzert nicht richtig genießen konnte, weil der Gesang nicht da war und stattdessen die Gitarre vor mir zu laut ausgesteuert wurde.
Die Vorband, zwei in den USA lebende Pariserinnen – was reflexartig die Frage aufwirft: warum? – und ihre amerikanischen Mitmusiker an Bass und Schlagzeug bilden die Band The dove & the wolf. Dreampop mit Singersongwriterelementen nenne ich das mal, was die vier präsentierten. SoKo trifft auf Warpaint. Ja, ich glaube, das passt ganz gut. Ich fand ihre sechs Songs kurzweilig und gut. Aber auch hier galt: der übersteuerte Sound war nicht wegzudiskutieren und trübte das Vergnügen ein wenig.
Kontextkonzerte:
Torres – Primavera Sound Festival Barcelona, 30.05.2015
Pingback: pretty-paracetamol in concert: Torres - Köln, 06.02.2024