Ort: LuxExpo, Luxemburg
Vorband: Tuys, Interpol

The Smashing Pumpkins - Luxemburg, 28.06.2024

Fünf Stunden stehen ist anders als fünf Stunden stehen vor 10 Jahren. Als die Smashing Pumpkins gegen 23 Uhr mit „Zero“ ihr Konzert beenden, bin ich geschafft. Junge, Junge, die Unaustrainiertheit im Alters zeigt sich in voller Stärke. Ab 18 Uhr stehe ich vor der Bühne, sah erst die luxemburgische Band Tuys, dann Interpol und ab 21 Uhr Billy Corgan und Co. Jetzt muss ich erst kurz durchdehnen, bevor ich Richtung Ausgang gehen kann.

Die Smashing Pumpkins. Nun bin ich endlich an der Reihe. Seit einigen Tagen sind meine Timelines gefüllt mit Smashing Pumpkins Fotos und Videos. Die bisherigen Konzerte der Band in Mönchengladbach, Berlin, Wien und Hannover hinterlassen ihre digitalen Spuren. Das Konzert in Luxemburg ist das letzte in der Reihe, das im mehr oder weniger deutschsprachigen Raum stattfindet. Von Beginn an war es für mich jedoch die erste Option, die Smashing Pumpkins live zu sehen. Ich wollte nicht nach Mönchengladbach ins Hockeystadion, mein Ziel war die Rockhal im Belval in Luxemburg, wo das Konzert ursprünglich angesetzt war. Daher besorgten wir uns rasch Tickets, ein ausverkauft drohte relativ schnell. Und das kam dann auch wenige Tage nach Vorverkaufsstart und sehr schnell kam auch ein Update des Venues.

EXTRA INFO: +++ Due to overwhelming demand, the venue for the concert has been changed from Rockhal to the larger Luxexpo Open Air concert site. All tickets purchased for the initial gig at Rockhal will remain valid for the Luxexpo Open Air concert. There is no need for any action on your part. The date of the concert remains unchanged. +++

Den Atelier Homepage

Okay, also aus indoor wird outdoor, aus der Rockhal in der Nähe der französischen Grenze der Kirchberg im Osten von Luxemburg. Natürlich sind einige nicht zufrieden mit der Verlegung (‘ich  muss jetzt durch das ganze Land fahren’, ‘ich habe Tickets für ein Indoorevent gekauft, nun ist es draußen‘, etc.), ich find’ sie aber ganz gut. Im Gegensatz zu anderen ist es für mich fahrtechnisch besser, allerdings auch wetterabhängiger.
Die LuxExpo ist ein etablierter Open-Air Ort. Seit einigen Jahren veranstalten hier die Den Atelier Leute im Sommer Open-Airs. Fünf oder sechs an der Zahl, immer im Juli/August. Die diesjährige Open-Air Saison sollte ursprünglich in der ersten Juliwoche beginnen (mit den Scorpions), nun wird das Gelände durch die Smashing Pumpkins und Interpol ein paar Tage eher eröffnet.
Um es vorweg zu sagen, das Wetter war top, die LuxExpo ist top! Es ist einer dieser perfekten Sommertage, die auch ich gut finde. Angenehme 22 Grad, Sonnenschein, leichter Wind und abends eine gute Abkühlung auf 15 Grad. Bei diesem Wetter macht alles Spaß, sogar das Autofahren.

Wie erwähnt ist das LuxExpo Gelände ein guter Open-Air Ort. Der Innenraum zwar groß, aber nicht riesengroß, die Bühne so ausgerichtet, dass die ersten Reihen nicht von der Abendsonne belästigt werden, angenehmer Asphaltboden und ausreichend Parkplätze in der Nähe.
Der Konzertbesuch war seit der Ankündigung im Frühjahr eine Pflichtveranstaltung. Auch weil Interpol dabei sind, doch selbst mit einem DJ-Set im Vorprogramm würde für mich kein Weg an diesem Konzert vorbeiführen. Zu lange habe ich die Smashing Pumpkins nicht gesehen; ich kann mich schon gar nicht mehr genau erinnern, wann es das letzte Mal war. 1993 (mit einer Gruppe namens The Verve als Vorband) oder waren sie auch 1996 bei einer Osterrocknacht mit dabei? Egal, es ist schon was länger her. Billy Corgan traf ich zwischendurch einmal solo, vor der Pandemie spielte er in Luxemburg ein überragendes Konzert im Den Atelier. Dieses Konzert änderte meine Sichtweise auf Billy Corgan und auch auf die Smashing Pumpkins. Mein Interesse an der Musik des glatzköpfigen Mannes wurde wieder geweckt und ich hörte danach nach langer Zeit mal wieder Smashing Pumpkins Songs.
Es wäre daher dumm, diese Gelegenheit zu verpassen, und Luxemburg war die nächst gelegene Gelegenheit.
Als wir gegen 18 Uhr durch den Einlass gehen, sind noch nicht allzu viele Besucher vor Ort. In Luxemburg sieht man Konzertbesuche etwas entspannter, man steht nicht stundenlang vorher an, sondern alle einigen sich darauf, erst zur Vorband das Gelände oder die Clubs zu betreten. So sind um diese Zeit größtenteils ausländische Besucher auf dem Gelände.

Tuys ist eine Band aus Dudelange und sie eröffnet den Konzertabend. Viel habe ich über die vier Jungs Band nicht zu sagen. Manchmal – so mein Eindruck – versuchen sie zu viele Elemente in ihre Songs zu packen, das fällt mir auf. Im Mai 2018 waren Tuys Band des Monats des Goethe Institut Frankreichs (es gibt die Band also schon länger) und ich glaube, ich habe sie schon einmal live gesehen. In Summe ist ihr halbstündiges Set eine gute Einstimmung auf die beiden weiteren Bands.

Interpol, 28.06.2024

Eine halbe Stunde später stehen Interpol auf der Bühne.
Paul Banks und Kollegen spielen natürlich ihre Hits; und sie spielen „The rover“ vom 2018er Album Marauder sowie „Into the night“ vom aktuellen Album Other side of make-believe. Beide Songs sind ganz nett, aber über „PDA“ und „Leif Erikson“ hätte ich mich mehr gefreut; schade. Schade auch, dass der Sound etwas zu leise ausgesteuert ist. Der Gesang ist arg leise und den Gitarren fehlt ein bisschen an Wucht und Tiefe. Die Musiker selbst scheinen auch nicht ihren besten Tag erwischt zu haben. Interpol kämpfen sich durch ihr Set. Oft fehlt der richtige Ton oder es dauert, bis sie musikalisch in einem Song zusammenfinden. Den besten Übergang in einem Song bietet an diesem Abend „Pioneer to the Falls“. Der musikalische Umschaltmoment in Minute 2:58 (hab’ ich nachrecherchiert) ist großartig. Live noch intensiver als auf Platte. Was für ein toller Song! Er ist mir nie sonderlich aufgefallen, jetzt haut er mich um. Aber so ist das, ab und an entdecke ich bei Konzerten alte Songs neu.
Am Schlagzeug fehlt übrigens Sam Fogarino, neben Paul Banks und Daniel Kessler gefühlt ein Gründungsmitglied von Interpol. Er verpasst die Tour mit den Smashing PumpkinsInterpol supporten den Europa-Slot der Band – aus gesundheitlichen Gründen. Brandon Curtis am Keyboard und Brad Truax am Bass komplettieren das Live Line-up der Band.

Nichtsdestotrotz, wer so eine Vorband hat, braucht sich um eine gute Stimmung keine Sorgen zu machen. Überraschend für mich, dass nach Interpol einige meiner Konzertnachbarn nicht mehr wieder auftauchen.

Setlist Interpol:
01: C’mere
02: Narc
03: Say hello to the angels
04: My desire
05: Obstacle 1
06: Into the night
07: Evil
08: The rover
09: Pioneer to the Falls
10: All the rage back home
11: The new
12: No I in threesome
13: Slow hands

Wie schrieb 2010: ‚Ich rechne nicht mehr mit einem weiteren Album oder gar einer weiteren Tour. Ich glaube, dass Interpol Kapitel ist geschlossen. Und die Band weiß das, und wir werden es bald erfahren.‘
So ein Quatsch, ich habe keine Ahnung von Musik und Bands.

21:00, The Smashing Pumpkins Zeit.
Zum „Atum“ Intro kommen Billy Corgan, James Iha, Jimmy Chamberlin (aus der Urbesetzung der Smashing Pumpkins) sowie Bassist Jack Bates, Katie Cole und Kiki Wong aus dem Backstagebereich auf die Bühne. Jetzt ist der Platz an der LuxExpo voll. Die Stimmung ist erwartungsvoll und gut, die Atmosphäre extrem angenehm und entspannt.
„The everlasting gaze“ und „Doomsday clock“ aus den 2000er Jahren eröffnen sehr, sehr metal-rockig das Konzert. Oh ha, das können die ja auch. Das habe ich ganz vergessen, ich sollte mal wieder Gish intensiver hören. (Von ihrem Debütalbum spielen sie an diesem Abend übrigens keinen Song). Der erste Höhepunkt folgt nach dem U2 Cover „Zoo Station“. (Ich habe keine Ahnung, warum sie das covern.) Zwar ist die „Zoo Station“ Interpretation ganz gut, reicht aber bei Weitem nicht an das nachfolgende „Today“ heran. Natürlich nicht. „Today“ ist an diesem Abend der erste Song von Siamese dream, dem Überalbum der Band, das ihnen das Label ‘The next Nirvana’ einbrachte. „Disarm“, „Mayonnaise“ und „Cherub rock“ sollen noch folgen. Zusammen mit „Tonight, Tonight“, „1979“, „Bullet with butterfly wings“ und „Ava adore“ bilden sie das große Hitgerüst des Konzertes. Schönster und bester Alternative Rock. Jeder, wirklich jeder kennt diese Sachen. Das sind die Songs, die auch heute noch wichtig sind.

Mit Billy Corgan, James Iha und Jimmy Chamberlin bilden seit langer Zeit wieder dreiviertel der Originalbesetzung die aktuellen Smashing Pumpkins. Über Jahre hinweg war der Sänger einziges Stammmitglied der Band, nun fehlt nur noch D’arcy Wretzky zum vollständigen Smashing Pumpkins Glück. Die Bassistin verließ bereits in den 1990er Jahren die Band und wurde über die Jahre durch prominente Bassisten ersetzt: Melissa auf der Maur von Hole und Nicole Fiorentino von der Band Veruca Salt besetzten diese Position. Seit einigen Jahren ist Jack Bates der Bassspieler der Band. Neuer dabei ist Kiki Wong, die zweite Gitarristin, Ich nehme sie allerdings kaum wahr, sie steht auf der mir abgewandten Bühnenseite und durch die mehr als zwei Meter hohe Bühne sehe ich sie nur ganz selten. Die Winkel sind aus meiner Position zu ungünstig. Auf der mir zugewandten Bühnenseite entdecke ich ein bekanntes Gesicht: Katie Cole, die schon beim Billy Corgan Solokonzert die backing vocals sang und ab und an Akustikgitarre spielte, ist wieder mit dabei. Die Australierin hat bei den Smashing Pumpkins einen identischen Job.

‘We must never be apart’ – „Ava adore“ spielen sie in einer irren Version. Anfangs ein bisschen Joy Division, später Hip-Hop Sounds. Billy Corgan balanciert dazu am Bühnenrand, läuft von links nach rechts und hält das Mikrofon in Richtung Menge. ‘We must never be apart’ hallt es auf die Bühne. Überhaupt, der Bandleader ist guter Dinge. Er scherzt mit James Iha, erzählt die ein oder andere Anekdote. Von der ihm oft nachgesagten Griesgrämigkeit ist an diesem Abend weit und breit nichts zu spüren.
Mit „Spellbinding“, „That which animates the spirit“ und „Springtimes“ spielen sie auch Songs vom aktuellen Album Atum. Hier klingen sie nicht nach 90s Alternative Rock, ich höre eher härtere und metallastige Gitarrensounds heraus. Diese Songs kenne ich nicht, grundsätzlich kenne ich keine Songs aus dem Spätwerk der Smashing Pumpkins. Nach Adore, das ich bereits nur halbherzig kenne, habe ich das komplette Interesse an der Band verloren. So war mir zum Beispiel nicht klar, dass die Smashing Pumpkins (in welcher Konstellation die Band auch immer in dieser Zeit zusammengespielt hat – auch die ganzen Personalwechsel waren mir nicht bewusst) in den letzten 20 Jahren sechs Alben veröffentlicht haben. Die Songauswahl dieser Tour liegt aber schwerpunktmäßig auf den älteren Sachen. Ich sage, Gott sei Dank.

„Cherub rocks“ und „Zero“ beenden diesen – in meinen Augen überragenden – Abend. Jetzt leuchtet die Bühnenkonstruktion in grünen, blauen und roten Farbtönen. Das sieht toll aus und greift die Farben des Tourplakates auf. Der Kreis zwischen Konzertankündigung und Konzertende schließt sich. Was soll ich sagen? Das Konzert habe ich so nicht erwartet, ich bin schwer beeindruckt. Sagenhaft, dass mich eine alte 1990s Band noch so begeistern kann.

Setlist The Smashing Pumkins:
01: The everlasting gaze
02: Doomsday clock
03: Zoo Station
04: Today
05: Thru the eyes of Ruby
06: Spellbinding
07: Tonight, Tonight
08: That which animates the spirit
09: Ava Adore
10: Disarm
11: Springtimes
12: Mayonnaise
13: Bullet with butterfly wings
14: Empires
15: Beguiled
16: 1979
17: Birch grove
18: Gossamer
19: Jellybelly
20: Cherub rock
21: Zero

Kontextkonzerte:
Billy Corgan – Luxemburg, 21.06.2019 / Den Atelier
Interpol – Kopenhagen, 27.08.2017 / DR Koncerthuset
Interpol – Luxemburg, 19.08.2017 / Den Atelier
Banks & Steelz – Köln, 13.11.2016 / Gloria
Interpol – Primavera Sound Festival Barcelona, 28.05.2015
Paul Banks – Köln, 29.01.2013 / Gloria
Interpol – Dortmund, 22.11.2010 / Westfalenhalle 2
Julian Plenti – Köln, 08.12.2009 / Kulturkirche Nippes
Interpol – Köln, 19.11.2007 / Palladium
Interpol – Köln 11.05.2007 / Kulturkirche Nippes
Pearl Jam – Düsseldorf, 22.06.2007 / ISS dome

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