Ort: DR Koncerthuset, Kopenhagen
Vorband: Communions
Ein bisschen Elbphilharmonie in Kopenhagen. Auf der Reise nach Kopenhagen lese ich, dass der Bau des Konzerthauses in Kopenhagen einige Parallelen zur Entwicklung der Elbphilharmonie aufweise. Es gab, Bauprobleme, Verzögerungen, Fehlkalkulationen. Das DR Koncerthuset wurde geplant, um einem neuen Stadtteil ein besonderes architektonisches Bild zu geben. Leider wurde bei den Planungen der Untergrund nicht richtig bewertet, so dass man während der Arbeiten feststellen musste, dass der Boden, auf dem das Gebäude errichtet werden sollte, zu weich ist. Die Kosten stiegen und die Bauzeit wurde um zwei Jahre überschritten. Aber genauso wie bei der Elbphilharmonie gerät all das in Vergessenheit, wenn man vor dem Gebäude steht. Es ist ein wahnsinnig schönes Stück Architektur, dass sich gut in die Umgebung, das Konzerthaus ist Teil des Baukomplexes des dänischen Rundfunks, integriert. Ein glücklicher Zufall führte mich hierin: Turn on the bright lights, zweiter Teil.

Nachdem ich vor einer Woche Interpol im kleinen luxemburgischen Den Atelier sehen konnte (und nebenbei bemerkt enorm begeistert war von ihrem Konzert!), war nun ihr Konzerthauskonzert in Kopenhagen an der Reihe. Der sonntägliche Termin schien mir sehr gelegen für einen Städtetrip, und so nahm ich Möglichkeit, mich einerseits ein bisschen in der dänischen Hauptstadt umzusehen und andererseits Interpol in einem eher ungewohnten Ambiente zum zweiten ml auf dieser Tour zu hören. Die Flugverbindungen von Ryanair taten ihr Übriges, damit der drei Tage Trip nicht allzu teuer wird und zeitlich gut organisiert werden konnte. Kopenhagen kannte ich noch nicht, das sollte toll werden. Dass aus dem Städtetrip schließlich ein double-Städtetrip wurde, lag an den horrenden dänischen Hotelpreisen. Aber in Malmö war ich auch noch nicht, so dass ich die schwedische Stadt auf der anderen Seite des Øresund, wo ich eine Nacht verbrachte, auch noch mitnahm. Vom Flughafen liegen beide Städte gleichweit entfernt, zusätzliche Reisestrapazen waren also nicht existent. Köln – Malmö – Kopenhagen – Köln von Samstag bis Montag. Eine runde Sache. Kann man machen.

Das Koncerthuset liegt eine halbe Stunde zu Fuß vom Stadtzentrum entfernt. Man läuft durch eine neumodische urbane Wohnlandschaften, verirrt sich in den Grünflächenanlagen und steht plötzlich, nachdem auch mehrere kleine künstlich angelegte Bäche und Kanäle überquert wurden, vor einem bläulich schimmernden Kubus. Hach, es ist so herrlich modern hier! Das Kopenhagener Konzerthaus ist zeitgemäß und im Innern nordisch minimalistisch eingerichtet. Ich sehe unverputzten Beton, Holztreppen und -verblendungen, die mich ebenso wie die gemütlichen Ledersitzwürfel, der Schokokuchen und das Bier begeistern.  Ich fühle mich ein bisschen an die isländische Harpa erinnert. In meinen Augen ähneln sich die Stile der beiden Bauwerke.
2. Rang, Terrasse A. Was nach einem Sitzplatz weit oben klingt, ist auch weit oben. Als ich kurz nach Konzertankündigung die Tickets kaufte, waren jedoch viele andere schneller als ich und im oberen Rang die letzten freien verfügbaren Plätze. Da der Konzertsaal, der mit einer Akustik des japanischen Klangexperten Yasuhisa Toyota ausgestattet ist, aber nicht so groß ist, ist der zweite Rang zwar weit, aber nicht so weit von der Bühne entfernt.

Zur dänischen Vorgruppe Communions, den Namen habe ich vorher nie gehört, ist der Saal erschreckend leer. Viele blieben draussen, und die, die den Weg in den Konzertsaal bereits gefunden hatten, fingerten an ihren Smartphones herum (das Lichtermeer unten im Konzertsaal war zeitweise beeindruckend) oder hielten ein Nickerchen. Communions sind vier Jungspunde, die just ihr erstes Album Blue veröffentlicht haben. Für mich klangen sie wie eine Mischung aus Britpop, Northern Soul und Mew, die einzige dänische Band, die ich kenne. In meinen Ohren machen Communions irgendwie typisch dänischen Indiepop.

Nach einer guten halben Stunde verließen sie die Bühne und entschwanden damit auch aus meinem Kopf. So richtig war das nix. Während der Umbaupause, in der unter anderem wieder „Leave them all behind“ und etwas von The Horrors liefen, füllten sich die Publikumsränge. Nun machte die ausverkauft Meldung Sinn.

Interpol starteten an diesem Abend mit dem Album. Das 4-Song Vorgeplänkel verschoben sie in den Zugabenblock, der damit sieben Stücke enthielt.
Vor Beginn des Konzertes habe ich mich gefragt, wie es sein wird, Turn on the bright lights im Sitzen zu sehen. Nach den ersten drei Songs des Konzerts war mir klar, es ist nur schwer erträglich.  Tatsächlich brauchte es das Konzerthaus, um festzustellen, dass die Wucht und der Postpunk von Turn on the bright lights riesengroß ist und ein Stillhalten nahezu unmöglich macht. Nein, es geht nicht, „Obstacle 1“, „PDA“ setzen in mir einen Bewegungsdrang frei, den ich so bewusst bei Interpol Songs noch nicht gespürt hatte. Wie ein Zappelphilipp rutschte ich auf meinen Sitz hin und her, wippte mit den Beinen wie ein Irrer und  fand es fürchterlich, nicht aufstehen zu können. Wie ein Rennpferd in der Startbox scharrte ich mit den Hufen.

Im Parkett verließen derweil viele ihren Platz, um zu tanzen oder um einfach nur in die Luft zu springen. Das taten sie dann im hinteren Bereich, wo sie niemandem der anderen Sitzplatzinhaber die Sicht nahmen. Schön zu beobachten war ein langhaariger Mann mittleren Alters, der mehrmals von seinem aufsprang, nach hinten ran, ein bisschen tanzte, gegen Ende des wieder zu seinem Sitz zurück sprintete, applaudierte und auf den nächsten Song wartete. Das machte er so bei jedem zweiten Lied. Es war herrlich, das mitanzuschauen! Im Laufe des Konzertes taten es ihm immer mehr nach, so dass zur Zugabe die ersten Reihen nahezu leer waren.

Mir blieb diese Möglichkeit verwehrt, der Oberrang hatte nach hinten keine Freifläche und am Sitzplatz stehen wäre enorm unhöflich den hinteren Konzertbesuchern gegenüber. Dafür konnte ich aus meiner erhöhten Position ein paar Dinge beobachten:

  • Die feine Beinarbeit von Daniel Kesssler während seiner Tanzeinlagen zum Beispiel,
  • oder den Keyboarder genauer studieren,
  • oder dem Bassisten beim Posen zuschauen.

Dinge, die mir bei einem normalen Interpolklubkonzert ein bisschen abgehen. Da muss ich ja tanzen.

„Specialist“, ‘almost an album track‘, wie Paul Banks anmerkte, setzte den Schlusspunkt im Albumset. Die Setlist war also im Vergleich zu Luxemburg ein bisschen anders. Vorher hatte ich noch überlegt, ob es, in Anbetracht der Spielstätte nicht eine Idee wäre, gar eine Konzertpause einzulegen. Gut hätten Interpol nach dem Album eine 15 Minuten Pause ankündigen können, um dann im zweiten Block den quasi best-of Teil des Konzertes zu spielen. Der war mit sieben Songs zeitlich nicht viel geringer als das Albumprogramm.

Setlist Zugabe:
Not even jail
Slow hands
Real life
Lights
All the rage back home
The Heinrich Maneuver
Evil

Haben sie aber nicht. War auch nicht weiter schlimm. War auch so ein Spitzenkonzert!

Kontextkonzert:
Interpol – Luxemburg, 19.08.2017 / Den Atelier
Banks & Steelz – Köln, 13.11.2016 / Gloria
Interpol – Primavera Sound Festival Barcelona, 28.05.2015
Paul Banks – Köln, 29.01.2013 / Gloria
Interpol – Dortmund, 22.11.2010 / Westfalenhalle 2
Julian Plenti – Köln, 08.12.2009 / Kulturkirche Nippes
Interpol – Köln, 19.11.2007 / Palladium
Interpol – Köln 11.05.2007 / Kulturkirche Nippes
Pearl Jam – Düsseldorf, 22.06.2007 / ISS dome

Multimedia Interpol:

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