Die Band bricht ihren Song nach wenigen Takten. „Welches Stück spielt ihr?“ fragt Troy von Balthazar. „Jonathan was spielst du? Und du, James?“ Nun, jeder hatte eine andere Idee von der ersten Zugabe an diesem Abend. Nachdem das Lachen und Grinsen worüber war, einigten sie sich schließlich auf „One easy pieces“.
Zu diesem Zeitpunkt spielten Chokebore bereits eine gute Stunde alte und ganz alte Sachen. Eine neue CD betourt die Band aus Hawaii nicht, und so ist es eine B- Seiten und rare Tracks Kompilation, die nach Konzertende vom Bühnenrand abverkauft wird. Kurz vorher verschenkte Sänger Troy von Balthazar noch ein paar Poster an die erste Reihe. Ein überaus netter Typ, dieser Troy.
Chokebore, diese kleine feine amerikanische Indieband ist nach längerer Pause zurück und zeigt Bühnenpräsenz. Brüssel war für uns die nächstliegende Station und der ideale Samstagsausflug. Das konnten wir uns nicht entgehen lassen, zumal die Botanique, die Gebäude des ehemaligen botanischen Gartens inmitten eines wunderschönen Parks, ein sehr schöner Konzertort ist.Chokebore erlangten Anfang / Mitte der neunziger eine relative Berühmtheit. Die 1993 gegründete Band aus dem Surferparadies Honolulu veröffentlichte in den Jahren 1993 bis 1998 vier Alben, um dann – nach längerer Pause – Album Nr. 5 2002 folgen zu lassen. Ein Live Album ein Jahr später vervollständigt den Katalog vielversprechender und toller Songs. Und die sollte es, nach guten acht Jahren Pause auch mal wieder live zu hören geben. “Ciao L.A.“ zum Beispiel, den sie in Brüssel gleich zu Beginn spielten. Oder “Geneva“, der auch Eingang auf die Setlist fand. Fünf Songs von „It’s a miracle“ bildeten das Grundgerüst des Abends.
Die Band hat zurzeit ihr Lager in Berlin aufgeschlagen, erfahren wir während des Konzertes. Nun, das erklärt das Berliner Kennzeichen des Tourvans und wirft für mich die bisher unbeantwortete Frage auf, ob Chokebore zu der Gruppe amerikanischer Bands gehört, die in Europa mehr Erfolg haben als in den USA. Derer gibt es einige. Die berühmteste ist vielleicht die Grungeband Citizen Dick, die in Europa sehr bekannt und „zumindest in Belgien groß sind“.
Aber zurück: Chokebore klingen mit ihren schweren Gitarren sehr nach 90er. Sadcore, so die offizielle Bezeichnung ihres Sounds. Langsam nach vorne taumelnd, aber nie fallend, schleppen sich die Töne durch die Songs. Chokebore klingen besonders, sind einzigartig in der Umsetzung der melancholischen und teils depressiven Klangspektren.
Das funktioniert auch noch 2010. Das Publikum in der gut gefüllten Orangerie ist mit der Band gealtert. Ähnlich wie bei anderen Konzerten dieser Generation, Buffalo Tom, Breeders undsoweiter, driften ihre Konzerte schnell in eine Art Klassentreffen ohne Klassenverbund ab.
So war das Durchschnittsalter entsprechend und die Konzertsituation unaufgeregt und entspannt. Hypefaktor null. Das Bandequipment passte sich alterstechnisch an. Ich habe noch nie einen so abgespielten Bass gesehen wie den von James Kroll. Mehrmals mit Panzertape geflickt, der obere Corpusrand vom vielen Bespielen abgewetzt und abgeschabt stand er symbolisch für alles an diesem Abend.
Die Erwartungshaltung ist gleich der solcher Jubiläumstreffen. Selbst wenn die Zeit des aus den Augen Verlierens lang ist, so soll doch nur kurz die aktuelle Sachlage geschildert werden. Wichtiger ist es, in alten Erinnerungen zu schwelgen.
Also Chokebore, spielt den alten Kram und lasst uns Spaß haben. Alten Kram spielen fiel den Hawaiianern nicht schwer, neue Sachen haben sie ja nicht. Und so waren alle glücklich. Wir, weil wir das bekamen worauf wir hofften und Chokebore, weil sie sicher sein können, eine große Fangemeinde hinter sich zu haben.
Ich hatte gehofft, sie würden ihr Set in Brüssel anders starten als in München oder Paris. In meinen Augen ist es eine Verschwendung, das Konzert mit einem solchen Kracher wie „Ciao L.A.“ zu eröffnen. Sie taten es trotzdem und nahmen so nach wenigen Minuten viel vorweg. Der einzige kleine Wermutstropfen.

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Fotos: frank@flickr

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