Ort: Gebäude 9, Köln
Vorband: Pleil
Clap your hands say yeah dürfen keine 2-Alben-wonder Band bleiben! Dafür mag ich Alec Ounsworth Leiergesang zu sehr, dafür kann ich zu „Satan said dance“ zu gut tanzen, dafür sind die Melodien in „The skin of my yellow country teeth“ zu schön. Man merkt vielleicht, Clap your hands say yeah höre ich sehr gerne, und so mache ich mich nicht gänzlich emotionslos auf den Weg ins Gebäude 9. Es ist der heißeste Tag des Jahres und ich möchte diese Band sehen, um die es nach den beiden großen Alben Clap your hands say yeah und Some loud thunder definitiv zu leise geworden ist.
The tourist nennt sich die aktuelle Platte, die europäischen Festivals und unter der Woche ein paar Klubs werden mit dem neuen Zeug bespielt. Seine Band hat Alec Ounsworth dafür einigermaßen neu zusammengestellt: Keyboarderin, Schlagzeuger, Bassist, von den Ursprungsmitgliedern aus dem Jahr 2005 ist niemand mehr dabei. Und noch viel mehr: The tourist ist eher ein Soloalbum als ein Clap your hands say yeah Produkt. Der Bandleader zeigt hier alleinverantwortlich für Alles.
Auf der Hinfahrt überlege ich, was ich von diesem Konzertabend erwarten darf. Eine warme Halle, sicherlich; ein ruhiges Bier auf dem Heimweg, sicherlich auch. Ein volles Gebäude 9 erwartete ich jedoch definitiv nicht. Ich meine, wer geht 2018 noch zu Clap your hands say yeah Konzerten? Und das auch noch bei bestem Sommerwetter? So bedämelt können außer mir nicht viele sein. „Is this love?“, „In this home on Ice“, „The skin of My yellow country teeth“ oder „Satan said Dance“, die Singles der ersten beiden Alben Clap your hands say yeah und Some loud thunder, sind mittlerweile über 12 Jahre alt und seither hat die Band nicht wirklich viel Aufmerksamkeit erhalten.
Natürlich habe ich mich darüber gefreut, dass die Hits im Programm waren. Nach wie vor höre ich sie sehr gern und relativ oft. Aber auch die neuen Sachen haben Potential. Spontan würde ich sagen, sie sind weniger aufgekratzt und mehr Erwachsenenindie, bei dem Alec Ounsworths Quäken weniger stark hervorsticht. Schade nur, dass sie kaum einer kennt bzw. live kennenlernen möchte. Das Gebäude 9 war halbvoll, als Clap your hands say yeah gegen viertel vor zehn die Bühne betraten. Ich fürchtete schon, dass niemand mehr von draußen in den Saal kommt. Lange Zeit lungerten vielleicht 10 Leute in dem gar nicht so heißen Saal herum.
Ungefähr genauso viele rafften sich auf, um einem Singersongwriter aus Frankfurt zuzuhören. Marco Pleil schien nervös, sage nicht ich sondern der Sänger selbst, wirkte aber nicht so. Die, die im Saal waren, hörten aufmerksam zu. Marco Pleil begleitet sich auf der E-Gitarre und ich falle mit meiner ersten Assoziation direkt auf alles rein: klingt ja wie Billy Bragg.
Nun, es gibt schlimmeres. Die weiteren Songs lassen mich nicht von diesem Gedanken abweichen. Ein bisschen Thees Uhlmann mischt sich ab und an hinzu, ändert für mich aber nichts am Bragg-haften Eindruck. Die Gitarre klingt schmissig und die Texte unterhalten. Ein Songtitel bleibt hängen: „Die Nein-Maschine“. Ha ha, Menschen meinen Alters fällt da doch was ein…
Ich fand den Auftritt schön und er hätte mehr als die wenigen Zuhörer im Saal verdient. So als Rückmeldung an den Künstler. Denn dass man draußen auch der Musik zuhörte, kriegt man drinnen nicht unbedingt mit.
Das Clap your hands say yeah Set erinnerte mich an ihren letzten Auftritt im vorigen Jahr beim Reeperbahnfestival. Wenn ich es noch richtig im Kopf habe, waren einige Songabfolgen identisch. Im Gebäude 9 spielten sie zuletzt vor sieben Jahren, da war ich auch. In welcher Bandbesetzung (und welche Songs) sie damals gespielt haben, weiß ich nicht mehr. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass in Hamburg die Keyboarderin noch nicht zur Liveformation gehörte. Mir fiel sie auf, weil sie direkt vor mir stand und augenscheinlich am meisten Spaß am Konzert hatte: Sie lachte viel und hüpfte wie ein Flummi hinter ihrem Instrument auf und ab. Dieser jugendlicher Esprit steht Clap your hands say yeah sehr gut. Was jedoch nicht heißen soll, dass die Band in die Jahre gekommen ist. Okay, Alec Ounsworth trägt wie eh und je diese zerknitterte Kappe und das hornige Harry Potter Brillengestell, aber den typischen New York Avantgardeindiegroove haben sie immer noch. Beides wirkt zeitlos, auch wenn das eine nichts mit dem anderen zu tun hat. Wenn der Sänger zu „Upon this tidal wave of young blood“ so Talking Heads-artig singt wie sonst nirgends, sind die Mühen und die Hitze des Tages schnell vergessen. Dann mag ich nur noch tanzen. Und wenn Clap your hands say yeah im Anschluss „Over and over (Lost & found)“ anstimmen, geht’s einfach nicht besser.
I heard it from a friend, revolution never happened.
Bevor ich zum Zug eile, störe ich noch den Merch Verkäufer beim facebooken und kaufe das aktuelle Album. Wie nachhaltig die neuen Songs sein werden, wird sich dann im Laufe der nächsten Tage zeigen, wenn ich The tourist das ein oder andere Mal gehört habe. Stand heute sag ich mal, es verschwindet nicht so schnell im CD Regal.
Kontextkonzerte:
Clap your hands say yeah – Reeperbahnfestival Hamburg, 22.09.2017
Clap your hands say yeah – Köln, 14.09.2011 / Gebäude 9