Ort: Gebäude 9, Köln
Vorband: KOJ

... and you will know us by the trail of deadMajor Label Debüt. Durchbruchalbum. Source Tags & Codes wurde 2002 via Interscope veröffentlicht. Warum die Band nun gerade jetzt damit auf Tour geht, erschließt sich nicht direkt. Letztes Jahr erschien zum 15-jährigen eine aufwendige Vinylbox und eine Doppel-CD Edition von Source Tags & Codes. Im Winter letzten Jahres sollte dann in London ein Albumkonzert folgen, das jedoch von der Band abgesagt wurden. Arbeiten an einem neuen Album wurden unter anderen als Grund genannt. Von einem neuen Album habe ich nichts mehr gehört, dafür wurden aber im Frühjahr ein paar Konzerte angekündigt. Da sie unter dem Label Source Tags & Codes beworben wurden, ging ich davon aus, das Album doch noch einmal live zu hören. Allerdings änderte sich das Bild, je näher die Konzerte rücksten. Da las ich dann, dass das neue Album promotet werden solle. Mist, von wegen Albumtour. Dennoch nannte sich die Tour weiterhin Source Tags & Codes. Es blieb also verwirrend.
Ich war mir nicht sicher, ob ich Trail of dead mit einem neuen Album live sehen möchte, mit Source Tags & Codes allerdings stellte sich dieser Gedanke nicht. Natürlich wollte ich Source Tags & Codes live sehen und hören. Unbedingt sogar. Die Wucht des Albums, die mich damals live auch wegen der zwei Schlagzeuger weggerissen hat, ist zu begeisternd, als dass es nicht ein zweites Erlebnis wert wäre. Nebenbei bemerkt, Source Tags & Codes zähle ich zu einem der besten Alben des letzten Jahrzehntes.

Gut, das Erscheinungsbild der Band hat sich in den letzten Jahren geändert. Die beiden Chefs Conrad Keely und Jason Reece haben öfter ihr Bandpersonal wechseln müssen. Bei dieser Tour ist für mich Gitarrist Aaron Blount der aktuelle Neuzugang. Und auch der Sound war nicht mehr ganz so wuchtig wie früher. Ein Gedanke kam in mir auf: war bei den letzten Konzerten nicht alles etwas weniger wild? Ich glaube schon. Allerdings muss ich erwähnen, dass meine letzten Trail of dead Konzerte im Dortmunder FZW (notorisch halbleer) und in der Bonner Harmonie (glattgebügeltes Fernsehkonzert) nicht gerade vor vollem und enthusiastischem Haus stattfanden. Gerade in der Bonner Harmonie hatte ich nach dem Konzert für mich festgestellt, dass …and you will know us by the trail of dead etwas altersruhiger geworden sind und die wilden Jahre somit vorbei sind.
Zwischen 2002 und 2006 war die wildeste Zeit der Band. Die drei Alben Source Tags & Codes, Worlds Apart und in Ansätzen So divided waren sich stilistisch sehr ähnlich: wild und wüst. Die Songs hatten einen bluesig-molligen Grundton, das Schlagzeug wurde hart durchgeschlagen und der Gesang war eher ein Geschrei. Punk Jahre, denen man nicht anmerkte, dass die Bandmitglieder in ihrer Kind- und Jugendzeit im Kirchenchor sangen.
Live war es dann so, wie man es sich vorstellt, wenn man die Platten hört: wild und wüst. Sehr wild und sehr wüst. Regelmäßig wurde das Instrumentarium zerdeppert und ich erinnere mich an ein Konzert in der Live Music Hall, als ein Teil des Mikrofonständers sehr knapp an mir vorbei ins Publikum flog.

Letzte Woche kam die Entwarnung. …and you will know us by the trail of dead spielen auf ihren Konzerten Source Tags & Codes. Sehr schön!
Das Gebäude 9 ist ausverkauft und ich bin etwas spät dran, um die Vorband komplett mitzubekommen. Es tut sich einiges rund um das Gelände der alten Industriehalle, der alte Baubestand ist größtenteils abgerissen, Rohbauten zeugen von der zukünftigen Bebauung des Areals. Wenn es so wird, wie ich es mir vor meinem geistigen Auge vorstelle, wird das Gebäude 9 zukünftig nicht mehr versteckt im Hinterhof liegen, sondern Teil eines weitläufigeren, offenen Areals sein. Wenn es optimal läuft, wird es hier so ähnlich aussehen wie der Bereich um das Knust in Hamburg.

KOJ nennt sich die Vorband. In großen, selbst zurechtgesägten Holzlettern steht der Schriftzug auf der Bühne. Die drei aus Münster machen gut hörbaren Elektroindiepop. Aber wie gesagt, ich war spät dran.

Zwei Fakten zu …and you will know us by the trail of dead:

1) Die Band aus Texas hat keine ruhigen Lieder.
2) Die Band aus Texas hat auch nach mehr als 15 Jahren immer noch enorme Livequalitäten und bringt so viel Schmackes auf die Bühne, dass kein Auge trocken bleibt.

Source Tags & Code beginnt mit „It was there that I saw you“ und „Another morning stoner“ grandios. In beiden Songs hämmert das Schlagzeug, die Gitarren bauen recht schnell Wände aus Lärm. Alternative-Rock-Prog-Noise, der in „Another morning stoner“ aber durchaus Platz hat für eine feine Melodielinie hat, die eher zum mitschwingenden Tanzen denn zum wilden Hüpfen animiert. Da …and you will know us by the trail of dead an diesem Abend das Album in Reihenfolge spielen, beginnt auch das Konzert mit diesen beiden Welthits. Und wenn ich nach diesen beiden Songs hätte das Gebäude 9 verlassen müssen, ich wäre mit einem breiten Lächeln gegangen. Bereits diese 10 Minuten reichten aus, um mich glücklich zu machen. Sie vermitteln alles, was Trail of dead ausmachen: Wucht und Melodien. In Summe eine Punkattitüde, die im 21. Jahrhundert bisher keine andere Band auf Platte gebracht hat. Conrad Keely und Jason Reece wechseln sich am Gesang/Gitarre und Schlagzeug ab. Auf der Platte ist das so, live ist das ebenso. Die Gesangsparts von „Baudelaire“ and „Monsoon“ übernimmt Keely. Bassist Neil Busch, der 2002 die Songs besungen hat, ist seit Jahren nicht mehr Mitglied von Trail of dead. Seinen Platz hat seit zwei Alben Autry Fulbright II inne.

Die beiden Bandchefs machen also die Drecksarbeit und sind nach einer halben Stunde bereits ordentlich am pumpen. Darunter leidet ein bisschen die Konzentration. Jason Reece verpasst zweimal seinen Gesangseinsatz, Conrad Keely verdaddelt einen Gitarrenpart. Das ist aber vollkommen egal, denn bei diesem Konzert zählen nur die Wucht und der Stakkato Rhythmus des treibend hämmernden Schlagzeugs. Gerade wenn Jason Reece am Mikrofon steht, haut es Trail of dead so richtig weg. Zu „Homage“, Nummer vier auf der Setlist, ist das zum ersten Mal zu bewundern. Da er vorher ordentlich geschlagzeugt hat, kann er kaum singen und presst die Worte in einer Art von Gejapse aus sich heraus.
Zu diesem Zeitpunkt frisst das Gebäude 9 der Band schon alles aus der Hand. Es wird gepogt, gesprungen, gegröhlt und gejubelt. Mit einer tiefen Sehnsucht sauge nicht nur ich die Songs von Source Tags & Code ein. Da Fakt 1) greift, hält diese Sause das gesamte Konzert über an. Hinzu kommt, dass Source Tags & Code ist ein Album ohne Längen ist. Nach den ersten beiden Übersongs ist das Kraftfutter längst nicht aufgebraucht. „How near how far“, „Relative ways“, „Days of being wild“, das Niveau ist und bleibt gleichbleibend hoch. Das macht das Sausen noch einfacher. Das Konzert ist herrlich mit anzusehen und zu erleben. …and you will know us by the trail of dead kloppen sich durch die Songs des Albums, die 45 Minuten Nettospielzeit der Platte brauchen sie dafür nicht.

This was the album, now we are playing songs from another album.

Worlds apart mit „Will you smile again“ und „Cauterwaul“ sind für viele sicherlich die logische Fortsetzung. Auch für die Band. Beide Songs fegen wie nichts durch den Raum. Irgendwann steht Jason Reece mitten im Saal und pogt sich singend durch die Menge. Er ist klatschnass geschwitzt und ich bin froh, dass ich nicht da stehe, wo er sich herumbewegt.

Die Zugabe ist ganz altes Brot. „Richter scale madness“ vom Debütalbum …and you will know us by the trail of dead. Conrad Keely steht vor der Bühne, Teile der ersten Reihe auf der Bühne. Ein wahnsinniges Konzert, das ich von der ersten bis zur letzten Minute genieße und das nun einen tollen Abschluss findet.

Bereits während des Konzertes beschließe ich, unbedingt bis zum Ende zu bleiben und den 23.05 Uhr Zug sausen zu lassen. Ich muss dieses Konzert bis zum Ende sehen. Als Conrad Keely später dann drei Meter entfernt neben mir steht, ärgere ich mich nicht über meine Entscheidung. …and you will know us by the trail of dead sind so gut an diesem Abend, wie ich sie lange nicht mehr gesehen habe.
‘No fun‘ steht auf der Schlagzeugtrommel. Das kann ich nicht glauben. Hier und jetzt hat jeder Spaß.

Himmel war das gut!

Setlist:
01: It was there that I saw you
02: Another morning stoner
03: Baudelaire
04: Homage
05: How near how far
06: Heart in the hand of the Matter
07: Monsoon
08: Days of being wild
09: Relative ways
10: Source Tags & Codes
11: Will you smile again?
12: Caterwaul
13: Aged dolls
14: A perfect teenhood
Zugabe:
15: Richter scale madness

Kontextkonzerte:
… and you will know us by the trail of dead – Bonn, 23.03.2013 / Harmonie
… and you will know us by the trail of dead – Köln, 18.10.2012 / Gebäude 9
… and you will know us by the trail of dead – Duisburg, 05.10.2012 / Grammatikoff
…and you will know us by the trail of dead – Esch-Alzette, 13.04.2011 / Rockhal
…and you will know us by the trail of dead – Düsseldorf, 27.03.2011 / zakk
…and you will know us by the trail of dead – Bochum, 11.07.2009 / Zeche
…and you will know us by the trail of dead – Köln, 14.05.2009 / Live Music Hall
…and you will know us by the trail of dead – New York, 12.11.2006 / Irving Plaza

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