Ort: Artheater, Köln
Vorband:

The Rural Alberta Advantage - Köln, 10.12.2023

Dieses Konzert hat mich überrascht. Vielleicht war es sogar das überraschendste Konzert des aktuellen Jahres. Ich muss da aber nochmals genau nachdenken, bevor ich mich da endgültig festlege. Überrascht haben mich mehrere Dinge. Zum einen ein fast volles Artheater, wovon ich bei weitem nicht ausgegangen bin, zum anderen die enorme positive und sympathische Erscheinung, die The Rural Alberta Advantage von den ersten Sekunden an den Tag gelegt haben. Und dann war da noch die ausgelassene, gute Stimmung – will sagen das tolle Konzert -, die das Trio aus Kanada ins Artheater zauberte.
Bis drei Tage vor dem Konzert kannte ich nur den Bandnamen. Erst als ich mich einem Ticketgewinn gegenübersah, recherchierte ich etwas und hörte mir ein paar Songs an. Lohnt sich der Weg an einem Sonntagabend? Lohnt es sich, dass ich mich dem Schienenersatzverkehr aussetze?
Was ich so Recherchierte war durchaus interessant: der Schlagzeuger der The Rural Alberta Advantage sei der eigentlich ‘Frontmann‘ der Band. Das liest man ja nicht allzu oft. Meine Neugierde war geweckt. Ferner erfahre ich, dass The Rural Alberta Advantage beim 20. NHL Outdoor Game zwischen den Edmonton Oilers und den Calgary Flames zusammen mit Nickelback das musikalische Rahmenprogramm bestritten haben. Jetzt wurde es noch interessanter….
Natürlich entschied ich mich daraufhin, dass der Weg sich lohnt. Zwar klang mir der ein oder andere Song, den ich auf YouTube anklickte etwas zu folkig, aber dann waren da auch diese eher rockigen und treibenden Indierocksongs, die mich mit ihrem Drive sehr überzeugten und mich endgültig aus dem Sonntagabendwohlfühlraum Wohnzimmer nach draußen drängten.

Auf Schienenersatzverkehr hatte ich aber keine Lust, und so fuhr ich mit dem Auto zum Park & Ride Parkplatz nach Bocklemünd, um von dort aus mit der Tram nach Ehrenfeld zu fahren. Die KVB-App zeigte einen knappen 10 Minutentakt der Bahnen an; es sollte also unkritisch sein und ich sollte nicht allzu lange im winterlichen Nieselwetter stehen müssen. Dass ich dann aber schlussendlich schlappe 40 Minuten auf eine Straßenbahn warten musste, war dann sehr nervig und ärgerlich. Also ehrlich, Konzerte in Köln mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu besuchen, ist derzeit leider eine Katastrophe und enorm unberechenbar. Entweder hat die Regionalbahn Probleme, die Stadtbahnen streiken, Personal ist erkrankt oder es fallen einfach so Züge aus. Dieser Herbst war da ganz schlimm. So schlimm, dass ich gar dreimal das Auto benutzen musste und einmal Hals über Kopf ein Konzert verlassen musste, um noch den letzten Schienenersatzverkehr nach Hause zu bekommen, obwohl es zwei Stunden vorher noch hieß, eine Bahn fährt. Aber gut, ich muss das so hinnehmen. Ich lebe eben nicht in Belgien, wo das mit der Bahn – so mein Gefühl – viel besser klappt.  Dank der KVB verpasse ich die Vorband. Die Ankündigung klang eigentlich ganz interessant. Kanadischer Shoegaze, ich hätte es mir gerne angesehen. Positiv zu bemerken ist, dass immerhin noch eine Bahn kam und ich bin pünktlich zu The Rural Alberta Advantage im Artheater stehe.

Die Band kommt von hinten links hinter dem Vorhang hervor. Amy Cole, Paul Banwatt und Nils Edenloff – mit Gitarre – eröffnen das Konzert direkt vor meiner Nase. Ein paar Sekunden stehen da so, spielen und singen die ersten Noten von „FSHG“, bevor sie in Richtung Bühne weitermarschieren. Na, der Beginn ist ja schon mal famos. Als die drei vorne ankommen, ist der Applaus groß.

Nach zwei, drei Songs haben sie mich. „Don’t haunt this place“ beeindruckt mich sehr. Erstmals fällt mir das Schlagzeug von Paul Banwatt auf. Dessen bretthartes Spiel prescht das Trio immer wieder nach vorne. Wie erwähnt, kenne ich bewusst keinen The Rural Alberta Advantage Song, aber ich fühle ab da und für den Rest des Konzertes sehr heimisch. Bei den Songs fällt mir auf, dass einige von ihnen einen starken regionalen Bezug haben: Der Tornado von 1987 (in „Tornado’77“), der über Edmonton donnerte, oder „Vulcan (Alberta)“ und „Frank (Alberta)“ – beides kleine Siedlungen bzw. Ortschaften in Alberta. Die Band wirkt nicht nur bodenständig, sie ist es offensichtlich auch. Also zumindest, wenn ich nach den Songtexten gehe.

„Terrified” beendet das reguläre Set. Während die Band die Bühne verlässt, bleibt der Refraingesang (‘uhhhohhhoohhaaahh’) des Publikum. Minutenlang, dann holt er die drei Musiker zurück auf die Bühne und ebbt immer noch nicht ab, als sie zur Zugabe ansetzen. So nehmen sie die Melodie von „Terrified“ einfach nochmal auf, spielen ein paar Takte des Songs, bevor sie nahtlos in die erste Zugabe wechseln.
In der Zugabe spielen sie auch ihre beiden Hits vom ersten Album Hometowns: „The Dethbridge In Lethbridge“ und „Four Night Rider“. Ein gutes Finale, auf das sie dann mit „Good night” den Deckel drauf machen. The Rural Alberta Advantage beenden dabei ihr Konzert so, wie sie es angefangen haben. Inmitten des Publikums. Wow, ein großartiger Moment.
Weniger großartig empfinde ich den Moment, als ich die Treppenstufen zu den Straßenbahnen hinunter gehe und einen Blick auf die Anzeigetafel werfe. Eine Wartezeit von 30 Minuten ist dort angeschlagen. Na Bravo, dummerweise läuft das mit den Bahnen heute konsequent schlecht.

PS: da ich erst relativ spät im Artheater war, stehe ich weiter hinten und sehe den ‚Frontmann‘ Paul Banwatt so gut wie gar nicht. Schade.

Setlist:
01: FSHG
02: CANDU
03: Bad luck again
04: Don’t haunt this place
05: 3 Sisters
06: Tornado ’87
07: Vulcan, AB
08: AB Bride
09: Stamp
10: 10ft Tall
11: Don’t wake up
12: White lights
13: Plague dogs
14: Edmonton
15: Frank, AB
16: Brother
17: Terrified
Zugabe:
18: Four night rider
19: Conductors
20: The Dethbridge in Lethbridge
21: Good night

Kontextkonzerte:

Schreibe einen Kommentar