Ort: Gebäude 9, Köln
Vorband: Shybits

Art Brut - Köln, 23.02.2023

Medimops bietet aktuell das Art Brut Album Bang Bang Rock & Roll für 2,49 Euro zum Kauf an. Ein unverschämt fairer Deal; wer das Debütalbum von Art Brut noch nicht besitzt, sollte sich das Angebot nicht entgehen lassen. Ich kann das Album nur empfehlen, denn auch nach mehr als 15 Jahren können die Songs noch was und Bang Bang Rock & Roll hat – nebenbei bemerkt – no filler. Jeder Song ein Hit, sag ich mal, der 2023 genauso viel Spass macht wie 2005.
Für mich ist es das beste Album des Jahres 2005. Was etwas heißen mag, denn 2005 erschienen aus dem britischen Popkosmos auch A certain trigger, Road to Rouen, Some cities, Stars of CCTV (Hard-fi wurden damit enorm gross) oder You could have it so much better. Es war das Jahr, in dem Bands wie Maxïmo Park und Franz Ferdinand auf sich aufmerksam machten. Die Zeitspanne zwischen 2004 und 2006 waren musikalische Umbruchsjahre. Coldplay wurden langsam aber sicher komisch, Oasis wurden unbedeutend, Blur waren bereits verschwunden. Franz Ferdinand, Bloc Party, Maxïmo Park und Hard-fi (die heute niemand mehr kennt) waren das neue Top of the Pops. The Rakes, Razorlight und die Doves folgten. Und Art Brut. Also für einige, denn Top of the Pops wurden ihre Alben nie.

Nun also dieses Jubiläumskonzert. 15 Jahre Bang Bang Rock & Roll. Wer mitzählt, merkt, dass es eigentlich 17 Jahre sind. 15 Jahre waren es bei der ersten Konzertansetzung vor gut 2 Jahren. Dass das Konzert im Herbst 2020 nicht stattfinden konnte, versteht sich im Rückblick irgendwie von selbst. Doch der Atem der Veranstalter (und der Band) ist lang. Und so spielen Art Brut in diesem Frühjahr die ausstehenden Jubiläumskonzerte.

Noch ein Wort zur CD.
Ich habe das Album wirklich lange nicht mehr gehört und musste mich tatsächlich fragen, welche Art Brut Hits auf Bang Bang Rock & Roll sind und welche nicht. Da ich unterwegs war und die CD nicht zur Hand hatte, schaute ich bei Wikipedia nach. Und da lese ich dann von einem hidden track, den ich definitiv noch nie gehört habe. „Subliminal desire for adventure“ versteckt sich nämlich vor dem ersten Song und zeigt sich nicht am Ende des letzten Songs nach vielen Minuten der Stille; dann hätte ich ihn, wenn ich mal wieder die CD im CD-Spieler vergessen habe, nach einem kurzen Moment des Erschreckens sicherlich einmal wahrgenommen.
„Subliminal desire for adventure” can be found in the pregap of the CD. The first track must be rewound to hear the song.

Um es vorweg zu nehmen, an diesem Abend spielen Art Brut „Subliminal desire for adventure“ nicht. Dafür aber selbstverständlich alles andere: „Formed a Band“ und „My Little Brother“, „Emily Kane“ und „Good Weekend“. Das sind die großen Hits des Albums. Aber auch „Moving to L.A.“, „Bad weekend“, „Modern Art“, „Rusted guns of Milan“, „18,000 Lira“ und „Bang Bang Rock & Roll“ sind mir jetzt noch spontan im Ohr. Nur „Fight!“ und „Stand down“ sagen mir direkt nichts und auch live kommen sie mir nicht wirklich bekannt vor.

2005 waren Art Brut neben Eddie Argos auch Ian Catskilkin und Chris Chinchilla an den Gitarren, Freddy Feedback am Bass und Mike Breyer am Schlagzeug. Von dieser Besetzung ist 2023 nichts mehr übrig. Also bis auf Eddie Argos, Mr. Art Brut itself. Die Bandbesetzung an diesem Abend ist eine komplett andere. Schlagzeug, Gitarre und Bass spielen Art Brut Neulinge. Art Brut 2023 spielen – wenn ich es richtig verstanden habe – erst seit dieser Tour in dieser Form zusammen. Ein Gitarrist gibt an diesem Abend gar sein Debüt, der Schlagzeuger und die Bassistin haben zusammen noch keine 10 Konzerte Art Brut Auftritte absolviert. Es scheint, dass Eddie Argos einfach ein paar seiner Berliner Kumpels gefragt hat, ob sie nicht Lust hätten, mit ihm als Art Brut ein paar Konzerte zu spielen. Das klappt ganz gut. Auch, weil Eddie Argos für Art Brut steht und der Sänger immer noch alle Blicke auf sich zieht.

Ready Art Brut!
Das Konzert ist ein einziger Rückblick. Eddie Argos erzählt Geschichten, die er schon damals erzählt hat und er berichtet von Dingen, die mittlerweile passiert sind. Sein kleiner Bruder sei jetzt Lehrer und überhaupt nicht mehr ‘out of control’.
Es sind die kleinen und mitunter sehr ausufernden Geschichten, die den Abend unterhaltsam machen. Reminiszenzen an die Vergangenheit, sie sind immer und überall zu spüren. Das macht das Konzert sehens- und hörenswert, allerdings eher für die, die Art Brut schon 2005 kannten. Dass das an diesem Abend die meisten sind, ist klar.

Eddie Argos und Band spielen das Album und noch ein paar weitere Songs. „St. Pauli“ oder „Post soothing out“ zum Beispiel, zwei Songs vom Nachfolgealbum It’s a bit complicated. Oder „These animal menswe&r“, der auf einer Bonusplatte Art Brut Bang stronger des Albums enthalten ist.
Kompliziert ist auch mein Resümee des Abends. Einerseits habe ich mich gefreut, Bang Bang Rock & Roll noch einmal live zu hören, andererseits war es irgendwie komisch. Es hat Spaß gemacht, keine Frage, aber es fühlte sich auch ein bisschen an wie ein verkaterter Aschermittwoch. Man schwelgt in den Erinnerungen der Vergangenheit und wird sich insgeheim leider auch darüber klar, dass die Zeit von Art Brut in der Form von 2005 vorbei ist. Seine Mutter würde ihn immer fragen, wann denn das nächste Album erscheine. Und ob er diese tollen neuen Bands kenne: Idles, Yard Act, Sleaford Mods.
Das bisher letzte Art Brut Album Wham! Bang! Pow! Let’s Rock Out! wurde 2018 veröffentlicht. Mal sehen, ob seine Mutter und wir noch ein paar neuere Songs hören wird.

Ready Art Brut?!

Vor Art Brut eröffnete das Trio Shybits.

Shybits is a Berlin based post punk garage rock trio made up of friends Liam from Brighton (Guitar & vocals), Piero from Italy (Bass & vocals) and Meg from South Africa (drums). The fuzzy, feel-good sound is reminiscent of post punk and 90s garage rock and has been described as ‘Beach Boys suntan nostalgia meets Beatlesque Bedroom pop’.

Die Bandcamp Seite der Band beschreibt es vortrefflich. Ich lasse mich durch den harmonischen Duettgesang von Liam und Piero sehr oft an Teenage Fanclub der frühen 1990er Jahre erinnern.

Kontextkonzerte:
Art Brut Art Brut – Köln, 03.05.2013 / Luxor
Everybody was in the French Resistance…Now! – Köln, 22.02.2010 / Blue Shell
Art Brut – Berlin, 15.05.2009 / Lido
Art Brut – Köln, 05.06.2007 / Gebäude 9
Rock am Ring 2006

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