Ort: Luxor, Köln
Vorband: Kristofer Åström

A camp - Köln, 13.04.2009

Da steht er nun, alleine, die Gitarre hängt ihm lässig von der Schulter. Kristofer Åström, im ersten Leben Frontmann der Post-Hardcore Band Fireside. 100% Indiekompatibilität. Krawatte und Sakko gerade so, dass es nicht zu sonntäglich erscheint. Die Haare den Hauch von konfus, der auch am österlichen Familientisch noch akzeptiert werden würde. Das hat Stil, das sieht gut aus. Reicht natürlich nicht an Nina Persson ran, aber immerhin.
Als Solokünstler spielt er die Karte, die vor ihm schon andere Frontmänner von Grunge-/ Rock- oder Alternativebands gespielt haben. Singer-/ Songwriter- Krams. Bedächtige, leicht melancholisch daherrauschende Kompositionen. Soundtrack für geschundene Thekenhocker Herzen. Melodien, die einem das letzte Bier noch trübseliger erscheinen lassen. Neben der akustischen und elektronischen Gitarre durfte die Mundharmonika, die Mitte des gut halbstündigen Sets zum Einsatz kam, nicht fehlen. Da wurde der Folkgedanke konsequent zu Ende gedacht. Aber er wurde leider nicht neu erfunden, und so waren die Songs doch sehr vorhersehbar und das Set erschien auf Dauer ein wenig dröge. Gute Songs entdeckte ich doch. Ausgerechnet das Mundharmonikastück gefiel mir besonders. Ausgerechnet deswegen, weil Singer-/ Songwriter nun nicht ungedingt meins ist, und der Mundharmonikaeinsatz für mich der Doktortitel in Singer-/ Songwritertum ist. (Ausnahme: es sei den, es spielt Elliott Smith (was bedauerlicherweise nicht mehr möglich ist), oder es singt Laura Veirs. Das ist beides sehr klasse.)

Betont man A camp eigentlich mit ‚A‘ gleich dem unbestimmten Artikel oder mit ‚A‘ wie in A-Team?
Ich weiß es nicht, doch da dies kein Hörblog ist sondern einer zum aktiven Lesen schreibe ich weiterhin A camp und jeder Leser soll sich seine Aussprache selber suchen. Da habe ich es einfacher als die Michael Steinbrechers dieser Welt. (höre auch: Grafite aka Grafitsch aka Grafit).
Das Neben- oder Freizeitprojekt der Cardigans Sängerin Nina Persson existiert bereits seit 1997. Ich kenne es erst seit Anfang des Jahres, als ich mir meine Konzertplanung für die nächsten Wochen zurechtsuchte. Und als ich erfuhr, dass beautiful Nina Persson etwas mit A camp zu tun hat, war die Entscheidung schnell gefallen. Gestern Abend dann kam ich noch mal kurz ins Grübeln darüber, warum ich hier bin. Doch es wurde mir die, zugegeben eher rhetorische Frage, schnell beantwortet: ‚Weil Nina Persson die schönste Sängerin der Jetzt- Zeit ist.‘
Richtig, und sie allein hat den gestrigen Abend verzaubert.
Nina über die volle knappe 80 Minuten Distanz; die Musik von A camp über gute zweidrittel der Zeit. Mit Colonia hat die Band um Nina Persson, ihrem Ehemann Nathan Larson und Niklas Frisk gerade ihr zweites Album veröffentlicht. Es ist ein Pop Album mit dem, was dazugehört. Liebliche, eingängige Melodien mit gediegener Rock-Begleitung. Beste Unterhaltungsmusik. Ein zwei Hits finden sich auch: zum Beispiel Track 4, „Love has left the room“, perfekter Schwedenpop in großer ABBA Manier. Oder das schöne „Golden teeth and silver medals“, Dieser kitschige Schmachtfetzen, gestern im Duett mit Kristofer Åström. Am Ende des Songs stehen beide händchenhaltend nebeneinander auf der Bühne. Das beste Stück des Abends, das die gesamte A camp Herrlichkeit visualisiert. Der CD und Konzertopener „The Crowning“ und die Single „Stronger than Jesus“ gehören ebenso zu den Hits des Albums und zu den Stärken des Konzerts. Zwischendrin gibt es aber auch eine leichte Talwelle im Mittelteil („Walking the cow“, „I’ve done it again“). Doch mit einer Nina Persson wird es augentechnisch nie langweilig. Es ist wie Greta Garbo in einem Kinofilm zuzuschauen. Ganz in schwarz gekleidet steht sie am Bühnenrand. Im Haar ein schwarzer Federschmuck, schwarze Wimperntusche und Lidschatten. Divaesk, faszinierend. Ich kann gar nicht anders, ich muss ihr beim singen zusehen. Und noch ein Augenklimpern, dann schwingen die Arme sanft nach oben, und sie dreht die rechte Schulter sanft Richtung Publikum. Traumhaft!
Natürlich wirken die theatralischen Gesten übertrieben. Aber nie affektiert. Und eh man sich versieht, ist schon wieder ein Song vorbei. Aber es bleiben noch genug übrig.
Später erfahre ich, dass auch die beiden Nebenmänner Niklas Frisk und Nathan Larson einen Blick wert gewesen sein sollen. Wildlederschuhe mit schwarzer Lederkappe an den Füssen und interessante Tanzbewegungen des ganzen Körpers.
Was mir noch auffiel: Nathan Larsons Gitarrenspiel kann seinen früheren Job bei der semiberühmten Rockband Shudder to think nicht verbergen. Es hat immer noch diese gewisse Grunge-/ Rockattitüde, die sich im Klang der A camp’schen Popsongs besonders unterhaltend macht. Und so sind A camp denn auch ein ganz besonderer Augengenuss.
‚We love you‘, sagt Nina Persson am Ende des regulären Sets. Es klingt billig und abgedroschen, aber viele im Luxor werden gedacht haben: ‚I love you, too!‘

Setlist:
01: The crowning
02: Love has left the room
03: Frequent flyer
04: Angel of sadness
05: Rock ’n‘ Roll ghost
06: Golden teeth & Silver medals
07: Here are many wild animals
08: Walking the cow
09: I’ve done it again
10: Bear on the beach
11: I signed the line
12: Algebra
13: I can buy you
14: Chinatown
15: My America
16: Stronger than Jesus
Zugabe:
17: Song for the leftovers
18: Boys keep swinging
19: The weed got here first

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