Ort: Gloria, Köln
Vorband:

Nina Persson
Anfang der 00er Jahre spielten die Cardigans im E-Werk. Im Publikum standen lauter Pärchen und ich. Ich kann mich so gut an das Konzert der Schweden erinnern, weil es mehrere bleibende Momente hatte. Zum einen war es eines meiner ersten Konzerte, zu denen ich spontan gefahren bin. In der Regel plane ich zumindest drei, vier Tage vorher meine Konzertbesuche (ich habe ja auch noch andere Dinge zu tun). Zum anderen war ich überrascht über die gemütliche leere des Konzertsaales, dass dunkle Erscheinungsbild der Band und über die tolle Stimme von Nina Persson.
So richtig kannte ich bis zu diesem Konzert die Musik der Cardigans nicht, einzig die großen Hits wie „Lovefool“, „My favourite game“ oder „Erase/Rewind“ waren mir geläufig. Aber es reichte, um seinerzeit ins E-Werk zu fahren, eine gewisse Neugierde auf Livemusik verspürte ich schon damals. „Pärchen verpisst euch keiner vermisst euch“, Christiane Rösinger beziehungsweise die Lassie Singers bildeten ungewollt den Soundtrack für mein Cardiganskonzert, aber die Cardigans selbst zelebrierten dieses Statement in ihren bittersüßen Songs so eindrucksvoll, dass ich mich noch an diesem Abend in die Sängerin der Band Nina Persson und ihre melancholische Art verliebte. Damals konnte ich das Konzert nicht so richtig einordnen, in den letzten Jahren kam ich immer mehr zu der Erkenntnis, wie gut es doch war, die Cardigans damals gesehen zu haben. Sie machten Musik, die für mich heute noch genauso schlagkräftig ist wie damals. „I need some fine wine and you, you need to be nicer”, ein Songtitel so hilfreich in der ein oder anderen Lebenssituation, dass er nie aus der Mode kommen kann. Großartig.

Die Cardigans jedoch kamen aus der Mode, sie legten sich für unbestimmte Zeit still und ihre Bandmitglieder Nina Persson, Peter Svensson, Magnus Sveningsson, Bengt Lagerberg und Lars-Olaf Johansson kümmerten sich um andere Projekte.
Nina Persson zum Beispiel gründete eine neue Band: A Camp. Zwei Alben wurden mit Niklas Frisk und Mark Linkous produziert und auf der Tour zum zweiten Album Colonia besuchte ich ihr Konzert im Luxor in Köln. Was nicht nur namentlich gut passte, sondern auch musikalisch. So super dramatisch schlecht schien der Abend nicht gewesen zu sein (ich las gerade nochmals nach – wofür habe ich so einen Konzerte-Erinnerungen-Blog) und ich fürchte, ich habe mich seinerzeit erneut in diese Frau verliebt. Zumindest für die Sängerin schien es eine gute musikalische Zeit nach den Cardigans zu geben.
Nach dem Konzertabend wurde es für mich ruhig um Nina Persson, ich hörte natürlich noch ab und an die Cardigans („I need some fine wine…“ undsoweiter), aber wesentliche Neuigkeiten vernahm ich nicht. Bis ich Ende letzten Jahres von einem neuen Soloalbum las. Soweit so gut, näher beschäftigt habe ich mich mit dieser Nachricht jedoch nicht. Meine einzige Handlung bestand darin, mir ein Konzertticket für den Konzertabend im Kölner Gloria zu kaufen. Rezensionen lesen, Blognachrichten auswerten oder gar den Albenstream abhören? Nee, so groß war die Neugierde nicht und schließlich würde es ja immer noch reichen, das irgendwann mal zu machen. Spätestens beim Konzert würde ich ja die neuen Sachen hören.
Je näher der Konzerttag rückte, desto lauter wurden aber die Stimmen darüber, dass das aktuelle Nina Persson Album Animal Heart doch eher schwächer ausgefallen sei. Von vielen Seiten kam das Gespräch immer wieder auf diesen Abend und auf die Frage, ob schon jemand das Album gehört hätte. Nee, und das sei ob der Kritiken wohl auch besser so, war der Grundtenor.
Gut, die Konzertzeichen stehen suboptimal, als ich um kurz vor neun ein sehr leeres Gloria betrat. Himmel, viel los ist wirklich nicht und prompt vielen mir die schlechten Kritiken zum Album wieder ein. Dann muss wohl was dran sein, dachte ich so, als ich mich, langsam akklimatisierend, in Richtung Bühne bewege. Die Vorband hatte ich verpasst, aber wie ich im Umbaupausengespräch erfahre, dabei nichts wirklich Weltbewegendes. Es war also die richtige Entscheidung, erst nach dem Fußball hierhin zu kommen.
Meine Erwartungen sind eh gering. Zwar schrecken mich die schlechten Plattenkritiken zu Animal Heart nicht gänzlich ab, aber etwas stimmungsdämpfend wirken sie doch. Am Morgen hörte ich die aktuelle Single „Animal heart“, sie bestätigte meine Vorabmeinung ein wenig, ließ aber auch etwas Hoffnung auf einen nicht zu poppig seichten Belanglosabend. So schlecht finde ich „Animal Heart“ nicht.
Leider wurden meine Hoffnungen nicht erhört. Nina Perssons Auftritt ist extrem zäh und langatmig. Nicht nur wir haben zu kämpfen, es scheint, als ob auch die Band mit den schwachen Liedern zu kämpfen hat, als ob sie genau weiß, dass sie damit keinen Staat und kein Konzertpublikum der Welt überzeugen kann. Ist der Beginn noch fluffig und annehmbar („Animal Heart“), so flacht es im Verlauf stark ab. Zeitweise komme ich mir vor wie auf einer dieser trostlosen Musikveranstaltungen in anonymen Mehrzweckräumen von Altersheimen oder Bingospielhallen, in denen in einer Ecke eine Bühne steht, notdürftig ein paar Dekoelemente aufgestellt wurden und in lockeren Stuhlreihen drei Hände voll Menschen dem Konzert lauschen. So steril, so wenig sagend kommen mir einige Passagen des Konzertes vor. Wo war nur die lässige Bittersweetness, das dramatisch Schöne der Cardigans und A Camp?
Der so markante Gesang von Nina Persson ist komplett weg. Ihre Stimme klingt nicht mehr nach Popmelancholie mit Ecken und Kanten, sondern weichgespült. Selbst die A Camp Songs (unter anderem „I can buy you“), die die Band in das Konzert einstreut, wirken auf mich glattpoliert. Dass sie in dieser Variante trotzdem die Höhepunkte des Konzertes ausmachen, sagt viel aus. 18 Songs stehen auf der Setlist, aber nach 8 Stücken ist die Luft bereits dermaßen raus, dass nicht nur ich mich nach einem guten Song sehne. Bis auf zwei große Nina Persson Fans in der ersten Reihe und einem mittelgroßen neben mir wirkt das Gloria wie in Schockstarre. Stimmung möchte nicht so recht aufkommen. Es war ein komisches Ambiente, das weder die Band noch wir ablegen konnten.

„We are a kind of a Band“ sagt Nina Persson irgendwann, wohlwissend, dass sie eigentlich ein Soloprodukt ist und die Musiker um sie herum (Gitarrist, Bassist/Keyboarder, Schlagzeuger und Keyboarderin) nur eine Liveband sind. Als zur zweiten Zugabe „This is heavy metal“ Nina Persson und die Keyboarderin nochmals zurückkehren, wirkte es auf mich denn auch eher wie ein Chef/Angestelltenverhältnis zwischen den beiden. Die Angestellten machen ihren Job jedoch gut, keine Frage. Für das Besondere sind sie nicht vorgesehen.
Das blieb bei Nina Persson. Die Schwedin wirkt allerdings angeschlagen, so, als fühle sie sich nicht sonderlich wohl in der Rolle der Hauptfigur. Oder auf einer Bühne vor einem wenig begeisternden Publikum. So genau kann ich das nicht ausmachen. Vielleicht ist sie auch einfach nur erkältet und nicht ganz fit.
Sei es wie es war, wenig überzeugende Songs und ein ernüchternder Auftritt ergeben in der Summe dann leider kein gutes Konzert.

Gestern Abend dann kam ich noch mal kurz ins grübeln darüber, warum ich hier bin. Doch es wurde mir die, zugegeben eher rhetorische Frage, schnell beantwortet. „Weil Nina Persson die schönste Sängerin der Jetzt- Zeit ist.“ Richtig, und sie allein hat den gestrigen Abend verzaubert.

So schrieb ich über das A Camp Konzert vor guten 5 Jahren (Himmel, schon 5 Jahre!). Für den gestrigen Abend kann die Begründung leider nicht mehr ganz und so einfach hergenommen werden.
Was ist in den letzten 5 Jahren bloß passiert?

Kontextkonzerte:
A Camp – Köln, 13.04.2009  Luxor

Video:

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

Schreibe einen Kommentar