Ort: Rotondes, Luxemburg
Vorband: -II-

HEALTHHEALTH aus Los Angeles, und wenn mich jemand fragen würde, wie klingt L. A., ich würde sagen: hör dir HEALTH an, dann weisst du es: wild, wirr, laut, vielschichtig, unübersichtlich. Prog-Metal-Techno-Noise-whatever-Rock.
HEALTH sah ich das erste Mal beim ersten Berlin Festival vor vielen Jahren. Damals hatten sie gerade ihr Debütalbum veröffentlicht und überzeugten mich mit Noiserock und „Die slow“, ihrem großen Hit  vom Nachfolgealbum Get color. In meinen Augen waren HEALTH seinerzeit die perfekte Verbindung zwischen lauterem Progrock a la … and you will know us by trail of dead und dem melodiösen Indierock von, ich sag mal, Death cab for cutie. Ich hörte damals viel HEALTH und Get color wurde für den Moment ein Lieblingsalbum.
Doch wie so oft wurde es nach anfänglicher Euphorie ruhig. Die nächsten Veröffentlichungen,  diese DISCO Remixsachen, fand ich eher mau und als HEALTH sich dann dem Soundtrack schreiben hingaben, waren sie wirklich raus aus einem Blickfeld. Max Payne 3 und GTA, beides ist nicht meine Welt. Videospiele interessieren mich nämlich nicht. (Für beide Videospiele lieferten die Angelenos den Soundtrack).
Erst sechs Jahre nach Get color veröffentlichten HEALTH ihr nächstes reguläres Album, Death Magic. Da war es für mich schon zu spät und ich bekam das null mit. Erst letztens und in der Vorbereitung auf das Konzert bemerkte ich, dass mit Vol.4::Slaves Of Fear noch ein weiteres Album erschien.

Als HEALTH in den Rotondes angekündigt wurden, war klar, dass ich hinfahre. Bei den Lemonheads vor ein paar Wochen war ich erstmals in dem alten Eisenbahnergebäude und ich habe ihn sofort als tollen Konzertsaal schätzen gelernt. Er liegt gut, ist einfach zu erreichen und fein mit Licht und Ton ausgestattet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass hier ein Konzert aufgrund äußerer Umstände blöd sein kann. Also fuhr ich wieder hin. Nach Luxemburg. Überdies schienen HEALTH keine Lust zu haben, in meiner näheren Umgebung ein Konzert zu geben. Ich hatte also keine andere Wahl.
Mittlerweile ist die Band zu einem Trio geschrumpft. Wieso, weshalb, warum, das habe ich nicht mitbekommen und war so leicht verwundert, als ich auf der Bühne nur Aufbauten für drei Musiker entdeckte. So bilden aktuell Benjamin Jared Miller, Jake Duzsik und John Famiglietti die Band.

Die Rotonde ist nicht stark gefüllt, als HEALTH auf die Bühne kommen. Eine Stunde lang werden sie lärmen, so der Plan. Das wies zumindest die Setlist aus. Auf der steht neben den 16 Songs auch der Hinweis

….headline show / 60 minuten.

Und das Konzert dauert dann auch nicht länger als eine knappe Stunde. Ich glaube, sie haben sogar zwischendrin gekürzt und einen Song ausgelassen. Irgendwie schienen HEALTH an diesem Abend unter Motivationsproblemen zu leiden. Ohne Worte verließen sie nach „We are water“ die Bühne, um Sekunden später mit der larifari Bemerkung

Okay, this is the encore

„Crusher“ dranzuhängen. Wie sagt man doch gleich? Das hatte ein Geschmäckle.

Trotzdem oder gerade deswegen. Das Konzert war gut und es war vor allem uneingeschränkt laut und wuchtig. Der Bass lässt von der ersten Sekunde an meine Hosenbeine flattern, soweit das bei einer engen Jeans möglich ist. Ich bemerke sofort: über die Jahre ist der HEALTH Sound härter geworden. Er klingt jetzt mehr nach Nine Inch Nails Industrial Progrock und er ist nah am Metal. Früher waren da Gitarren, wo heute Synthie-Dröhn-Sounds sind. Es wird geheadbangt und ich bemerke, dass ich länger nicht mehr bei einem Konzert war, bei dem geheadbangt wurde.

„Die slow“ zu Beginn des Konzerts sorgt erstmals für einige ‚ahhs‘ im Saal. Der Song, obwohl mittlerweile gut 10 Jahre alt, ist immer noch ein Knüller. Ich könnte auch Evergreen sagen. Er ist noch nicht ganz so techno-noisy wie die späteren HEALTH Sachen. Das gefällt mir persönlich besser, und scheinbar dem ein oder anderen im Saal auch.
Schnell wird aber klar, dass dieser Sound an diesem Abend die Ausnahme ist. „Tears“ vom Max Payne Soundtrack oder „Salvia“ sind da exemplarischer. Düstere, metallische Sounds jagen aus den Boxen, es klingt kalt und technoid. In letzter Konsequenz genau richtig für futuristisch-avantgardistische (Max Payne) oder rasante (GTA) Videospiele. Das passt also.

Für mich gab es im Konzert ein oder zwei Momente, die den Abend besonders machten. „Goth star“ war einer. Jake Duzsik singt leicht versetzt eine Melodie über den Schlagzeugbeat und den poppigen Gitarrensound, die eigentlich so gar nicht passt. Aber gerade dadurch passt sie wunderbar und lässt einen kleinen Hit entstehen. Ähnliches passiert bei „L. A. looks“. Wie ein Elektroindiepopper hebt Jake Duzsik beide Arme und singt tanzend seine Lyriks. Das hat was von Melt! Festivalstimmung und es ist der poppigste Moment des Konzertes. Es ist das erste Mal, dass die Rotonde nicht vor Lärm vibriert. Ist das die Faszination an HEALTH, dieser Gegensatz von brachialen, nahezu technoiden Sounds und ruhigem, unaufgeregtem Gesang? Ich denke ja, um die Frage für mich zu beantworten.

Setlist:
01: Victim
02: Men today
03: Die slow
04: GOD BOTHERER
05: L.A. Looks
06: THE MESSAGE
07: New Coke
08: Tears
09: Salvia
10: Stonefist
11: PSYCHONAUT
12: Goth Star
13: FEEL NOTHING
14: STRANGE DAYS
15: We are water
Zugabe:
16: Crusher

Multimedia:

Kontextkonzerte:
Health – Köln, 17.10.2009 / Gebäude 9
Berlin Festival 2009 – Tempelhof, 08.08.2008

Schreibe einen Kommentar