Ort: Zakk, Düsseldorf
Vorband: –
Ende der 1980er Jahre war bei uns auf dem Dorf das Kaufkriterium für eine CD – wir kauften damals CDs, weil wir CD Spieler hatten – klar definiert: hat ein Album mehr als zwei Hits, ist sie uneingeschränkt kaufbar. Es blieb dann nur noch zu klären, wer welche CD kauft und wann wir uns treffen, um anschließend die CDs auf Kassette zu duplizieren und den jeweils Anderen zur Verfügung zu stellen. Kopierschutzdinge waren damals noch ganz weit weg und es war eine gängige Möglichkeit, Geld zu sparen und gleichzeitig eine kleine CD und Kassettensammlung aufzubauen. Überdies war es die beste Nachmittagsbeschäftigung, die wir uns vorstellen konnten. Stundenlang saßen wir vor Denon und Onkyo Anlagen, überspielten CDs, blätterten in Fanzines und diskutierten, welche Leerkastentypen das beste Preis/ Leistungsverhältnis haben. Später, als wir in der Ausbildung waren und damit finanziell etwas besser aufgestellt, verlor sich dieses Ritual. Wir hatten nicht mehr die Zeit, uns nachmittags zu treffen und jeder begann, sein eigenes Leben zu gestalten.
Wäre ich 1992 noch ein Teenager gewesen, Copper Blue hätte definitiv das Kaufkriterium erfüllt. „Hoover Dam“, „If i could change your mind“, „Fortune teller“, „ A good idea“, „Changes“; es sind mehr als zwei Hits auf der ersten (und vorletzten) Sugar Platte. Mehr noch, ich zähle Copper Blue ganz klar zu den TOP 5 Alben der 1990er Jahre. Es ist ein grandioses Indierockalbum, das zudem zur richtigen Zeit veröffentlicht wurde. 1992, das Jahr, als er Punk brach, und ein Jahr nach Nevermind. Plötzlich hörten alle wieder Rock- und Gitarrenmusik. Aus dem brachialen Gitarren-Punk-Independent-Rock wurde der melodiös, seichtere Alternative Rock und Copper Blue passte da verdammt gut hinein. So wurde Copper Blue ein Hitalbum und Bob Mould spielte sich in die Aufmerksamkeit der MTV Generation.
Auch heute noch macht Bob Mould tolle Indierocksongs. Da wäre zum Beispiel „Voices in my head“ vom Patch the sky Album oder „Hey Mr Grey“ von Beauty & Ruin. Aktuell steht bei mir „Sunshine Rock“ sehr weit oben auf der Lieblingsliedskala. Verlernt hat er seit Copper Blue nichts und dennoch laufen seine Alben unter dem Radar. Ich glaube, für jüngere Ohren ist Bob Moulds Indierock einfach zu altbacken und überhaupt, wer hört denn heutzutage noch 1990er Indierock? Es sind Leute wie ich und folgerichtig liegt der Altersschnitt im zakk bei Ü40.
Bob Mould trägt das Sunshine Rock-Flanellhemd, ‘a plaid inspired by Bob Mould new album Sunshine Rock’, wie es heisst. Die Farbkombination ist, im Gegensatz zu den anderen Hemden aus der Kollektion, gut und geschmackssicher gewählt.
Independent clothing company JCRT specializes in hand-designed plaid flannels, and their shirt lines include items inspired by pop culture.
Ich überlege kurz, aber 125 Dollar ist es mir dann doch nicht wert. Wie viele Konzerte ich für dieses Geld besuchen könnte! Und Konzerte sind mir emotional wichtiger als der Besitz eines Hemd in den Farben des Sunshine Rock Albums. Auch wenn es schön ist.
Schöner ist dieses Konzert. Live ist Bob Mould immer noch eine Show! Die Band mit Schlagzeuger Jon Wurster und Gitarrist Jason Narducy hängt einen Song an den nächsten. Kleine Applauspausen bleiben eigentlich nur, wenn eine Gitarre gestimmt wird, Bob Moulds Mikrofonschutz ausgetauscht werden muss (beachtliche dreimal!) oder jemand eine Trinkpause benötigt. ‘Ich bin erkältet‘ sagt Bob Mould – der das kann, weil er seit einiger Zeit in Berlin wohnt – in einer dieser Unterbrechungen. Man merkt das nicht wirklich. Es ist ein beachtliches Tempo, das das Trio vorlegt. „A good idea“ und „Hoover Dam“ werden dabei fast verschluckt, so rasant ist der Konzertbeginn. Gerade das doch eher relativ langsamere „Hoover Dam“ ist anfangs kaum wiederzuerkennen.
Zu Beginn und gegen Ende des Konzert stehen die alten Sachen von Sugar und Hüsker Dü im Vordergrund, der Mittelteil gehört den aktuelleren Bob Mould Songs. Die Mischung ist gut und durch die zeitliche Entzerrung entsteht nie der Eindruck, das hier sei ein Best-of Konzert mit Songs aus der guten alten Zeit, die vielleicht gar nicht so gut war, sondern in der Rückschau nur diesen Eindruck vermittelt.
Am Ende stehen die großen Hits. Ein Hüsker Dü Block mit „Something I learned today“, „Chartered trips” und „New day rising” bilden einen Hüsker Dü Block, den Bob Mould auch bei den letzten Konzerten, die ich sah, so oder so ähnlich spielte.
Zur ersten Zugabe kommt Bob Mould alleine auf die Bühne zurück. So habe ich ihn das letzte Mal über eine Stunde lang gesehen. Solo & elektrisch. „Never talking to you again“, einer von einigen Hüsker Dü Songs an diesem Abend. Manchmal braucht es nicht mehr, um mich zu tiefst zu beeindrucken. „Flip your wig“ beendet dann Minuten später dieses wunderbare Konzert.
Kontextkonzerte:
Bob Mould – Primavera Sound Festival Barcelona, 04.06.2016
Bob Mould – Köln, 07.11.2014 / Gebäude 9
Bob Mould – Primavera Sound Festival Barcelona, 23.05.2013