Ort: Gebäude 9, Köln
Vorband:

Haim

„Ihre Eltern haben sicherlich nicht Depeche Mode gehört.“ So oder so ähnlich kann man es auch auf den Punkt bringen, wenn man sich nach einem Haim Konzert verwundert wieder auf den Heimweg macht. Denn das, was die Haim Schwestern Danielle, Alana und Este sowie Schlagzeuger Dash Hutton in den zurückliegenden 40 Minuten auf die Bühne brachten, war alles andere als britische Popmusik. Es war vielmehr aufrichtiger 80er Jahre Frauenrock, den ich so sehr lange nicht mehr gehört hatte. Ist das eigentlich auch der Grund dafür, dass die Schwesternband in sämtlichen Musikzeitschriften über den Klee gelobt wird und all das, obwohl die 2006 zusammengestellte Band noch nicht einmal ihr Debütalbum veröffentlicht hat? Vielleicht.
Ganz bestimmt und nicht nur vielleicht hat es etwas mit der musikalischen Leistung zu tun, die, und das rechtfertigt das seit langem ausverkauft Haim Konzert, ist nämlich sehr, sehr schön und wunderbar anzuschauen. „Haim sollten keine Studioplatte veröffentlichen sondern gleich ein Livealbum herausbringen.“ Noch so ein Fazit nach dem Konzert, das wunderbar passt. Ich habe in letzter Zeit selten en Konzert erlebt, dass mich so gut unterhalten und so kurzweilig war wie dieses im Gebäude 9. Klaro, es war kurz, da haben es Längen schwer, sich auszubreiten, aber es war so was von spaßig und unterhaltsam, dass wohl jeder den Konzertsaal mit einem Lachen in den Augen verlassen hat.
Als ich ihre EP und die paar anderen bisher veröffentlichten Songs hörte, war mein erster Gedanke: The Bangles. Nachdem ich die drei Haims live gesehen habe, möchte ich noch Melissa Etheridge und Alanis Morissette hinzufügen.
Letztere wahrscheinlich eher wegen der Optik. Alle drei Mädels haben lange Haare, die über einen Mittelscheitel gekämmt, einfach so herunterhängen. Das ist hervorragend zum Haare schütteln geeignet, was die drei auch sehr häufig und sehr ausgiebig tun, und erinnerte mich eben an Alanis Morissette. Am schönsten machten sie dies bei ihrem Fleetwood Mac Cover „Oh well“, das etabliert zu ihrer aktuellen Setlist gehört. Dieser alte Gitarrenrockstampfer Song ist so sehr beispielhaft für Haim, dass er sich hervorragend in die eigenen Sachen einfindet. Daher spielen sie es auch nicht als Zugabe, sondern als viertes Stück, quasi in der Mitte ihres Konzertes. Diese Retrogitarren, dieser classic rock, all das ist so amerikanisch 80er und 90er, dass Menschen meines Alters das Herz aufgeht. Wenn man denn auch die Bangles mochte. Oder die hippigen Blind Melon. Wobei ich letztere nur in Ansätzen mit Haim vergleichen möchte.
Sängerin Danielle Haim erinnert mich schon sehr an Susanna Hoffs. Sie ist die sentimentalste von den dreien, bedankt sich mehrfach über den großen Zuspruch und ist sichtlich am meisten angetan vom ausverkauften Gebäude 9. Bassistin Este Haim übernimmt den mehr extrovertierten Part. Mit starken Gesichtsgrimassen spielt sie ihr Instrument, zwingt ihren Tourmanager dazu, ein selbstgemaltes Fanplakat einen ganzen Song lang in die Höhe zu halten, besticht durch lustig verquere Ansagen, stagedivt nach dem letzten Song ohne Schuhe durch die Reihen und schreibt anschließend direkt von der Bühne weg Autogramme. Schwester Nummer drei trägt ein 89er Metallica T-Shirt und spielt neben der Gitarre auch Keyboards. Sie ist die coolste von allen. Dass neben so viel Mädchenalarm das Schlagzeug von Dash Hutton untergeht, ist völlig klar. Erst recht, wenn, wie zu Beginn („Better off“) und in der Zugabe „Let me go“, alle drei wie Berserker auf Trommeln eindreschen. Dann sehen wir nur noch Haare und wirbelnde Trommelstöcke. Schön ist das nur, wenn man auch so was wie 10 drummers drumming mag. Aber es passt.
Es war ein gutes Konzert mit einem interessanten Publikum. So wenig typische „Indiegänger“ habe ich bisher nur bei Sophie Hunger im Gebäude 9 gesehen. Fragte ich mich daheim noch, ob ihr Vorgruppendasein bei den zwei Rihanna Konzerten in dieser Woche in der Lanxass Arena Sinn macht, so würde ich nach dem Konzert sagen: Ja, es macht mehr Sinn als ihr Vorgruppendasein beim Vampire Weekend Konzert, das im Vorraum ebenso per Plakat angekündigt wurde. Zusammengenommen kann man Haim noch drei Mal in Köln sehen, nehme ich ihren Blue Shell Auftritt vom Ende letzten Jahres noch hinzu, spielte und spielt die Band fünfmal in den letzten neun Monaten in der Stadt. Da haben noch nicht mal die Pains of being pure at heart geschafft. Respekt, aber Haim dürfen das (TPOBPAT übrigens auch!).
Der Wirbel um Haim ist gerechtfertigt, die Zeit reif für famose Fleetwood Mac Coverversionen und endachtziger Frauenrockmusik.

Multimedia:

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Paul Peters

    Über die, meines Erachtens, grandiose Vorband hätte man auch mal ein Wörtchen schreiben können: The Naked Hands aus Dresden.

    1. frank

      Hallo Paul,
      die hab ich leider aus zeitlichen Ärgernissen verpasst und nicht gesehen. Waren die gut?

Schreibe einen Kommentar