Ort: Dachterasse Museum Ludwig, Köln
Vorband: Mike Donovan

Body/Head - Köln, 18.06.2013

Dienstag 22.25 Uhr.
‚Ob ich auch ein Foto von Kim und mir machen lassen soll?‘ ‚Mach doch, ich fotografier euch.‘ ‚Nee, ich trau mich nicht. Und manche Wünsche sollte man sich nicht erfüllen.‘

Zuvor.
Die Vorzeichen zu diesem Konzert waren merkwürdige. ‚Du gehst morgen zu Body/Head? (Oder isses heute?) Das hätte ich dir nicht zugetraut!‘ machte mir ein Freund per Mail klar, dass ich ihn damit sehr überrasche, und Guido postete zu meiner Konzertankündigung im sozialen Netzwerk ‚War letztes Jahr im Museum schon nicht wirklich prickelnd.‘
Fein, ich fand es trotzdem immer noch eine sehr gute Idee, mir das aktuelle Bandprojekt von Kim Gordon auf der Dachterrasse des Museum Ludwigs anzuschauen. Auch oder gerade wegen Kim Gordon, meiner allerliebsten Lieblingssängerin, von der ich in letzter Zeit viel ungutes gelesen und gehört hatte.

Noise, so beschreibt man wohl am besten und treffsichersten die Musik, die die Band produziert. Neben Kim Gordon bilden an diesem Abend Gitarrist Bill Nace und Schlagzeugerin Ikue Mori Body/Head. Kim Gordon spielt Gitarre und singt, bzw. formt Töne mit ihren Stimmbändern. Noise, so Wikipedia,

bezeichnet ein Musik(sub)genre, das klassische Elemente der Musik wie den reinen Ton oder den Klang weitgehend bis vollständig durch Geräusche ersetzt. Damit einher geht der Verzicht auf Strukturen wie Melodien oder, je nach Interpret, mehr oder weniger auch auf Rhythmus.

So ist es. Songs im Sinn von Strophe, Refrain, Strophe hatten wir auch nicht erwartet, als wir es uns gegen halb neun auf den zu Sitzhochern umfunktionierten Bierkästen gemütlich machten. Melodien hatte ich ebenso wenig auf meinem Zettel. Ansonsten war es das schon mit meinem Vorwissen und meinen Ahnungen bezüglich Body/Head. Aber es reichte, um mir relativ genaues Bild von dem zu formen, was passieren könnte. Dass Body/Head meine Vorahnungen schlussendlich so radikal umgesetzt haben, überraschte mich dann doch ein wenig.

Eine EP haben Kim Gordon und Bill Nace veröffentlicht, dass das Konzert also nicht sonderlich lang dauern würde, war mangels Material absehbar.
Das Body/Head jedoch nur genau einen Song / Track spielen sollten, wirkte etwas skurril. Als nach einer halben Stunde (so lange dauerte der Song) Stille über dem Dach des Museums einzog, und der Applaus eher respektvoll zaghaft als euphorisch begeistert aufkam, schnallt sich Kim Gordon ihre Gitarre ab, sagt leise ‚Thanks‘ und entstieg dem provisorischen Bühnenaufbau in der rechten hinteren Ecke der Dachterrasse. Nicht nur ich scheine darüber irritiert. Wie jetzt? Ende? Etwas unsicher darüber, was hier jetzt genau passiert, erstarre nicht nur ich kurzzeitig. Der Applaus ließ Body/Head dann jedoch zurückkommen, und sie spielen einen zweiten Song. Der war nicht ganz so üppig wie der erste, verschaffte uns aber das Gefühl, uns nicht gänzlich im Regen stehen zu lassen.
Die Reaktionen nachher gingen schon in Richtung enttäuscht. ‚Kunst halt.‘ war so ein Grundtenor, mit dem man sich das gesehene gut erklären konnte (oder schönreden). So richtig in Worte fassen konnte dieses Konzert kaum jemand. Auch ich war sprachlos, aber – im Unterschied zu den Umstehenden – mächtig begeistert.

Wie kamen sie mir nun vor, diese Dreiviertelstunde? Kurzweilig. Vielseitig. Wunderschön. Genau so, und nicht anders.
Es war zwar ’nur‘ ein Song, aber mittendrin hatte ich oft das Gefühl, mehrere Songs in einem zu hören. Sicherlich waren die Gitarren nicht weit weg von den Sonic Youth’schen Klangexperimenten, aber es war doch anders. Jemand hörte das typische Velvet Underground Schlagzeug heraus, und war begeistert. Ich hörte es nicht. Ich hörte nur sehr oft diese ach so typische Sonic Youth Gitarre. Und so riesig kunstartig kam mir der Auftritt auch nicht vor. Ich fand es nicht sonderlich bemerkenswert, dass Kim Gordon mit ihrer Gitarre an der efeubewachsenen Mauer entlang schrubbte oder den Gitarrenhals an einem Taubengitter scheuerte. Und wenn Lee Ranaldo einen alten Geigenstock zur Hand nimmt, um aus seiner Gitarre Wimmergeräusche und Vibrationsbrummen zu erzeugen, dann verwendet Kim Gordon eben das Mikrofon, um über die Gitarrensaiten zu wedeln und um damit gegen den Gitarrenkörper zu schlagen. So machen sie – also Kim Gordon und Lee Ranaldo – das eben, schon seit Jahren. Bedeutsamer fand ich es da schon viel mehr, dass sie im Zugabensong kurzzeitig Mundharmonika spielte. Eine Mundharmonika ist so ziemlich das letzte Instrument, dass ich spontan mit Kim Gordon in Verbindung gebracht hätte.
Speziell und irritierend war der Auftritt trotz allem. Und genau wie bei mir hinterließ auch bei meinem Konzertfreund der Auftritt mehr Fragezeichen als Antworten. So stammelten wir uns nach Konzertende gegenseitig irgendwas zu Recht. Mit komischen Worten und viel Achselzucken. Scheinbar gab es tatsächlich keine richtigen Worte, mit denen der Auftritt beschrieben werden konnte. Im Gegensatz zu ihm fand ich das Gesehene aber großartig.
Es war erstaunlich, wie die drei in der gesamten halben Stunde nie den Faden verloren haben, (scheinbar) nie von ihrem musikalischen Plan abgewichen sind. Manchmal ist es ja so, dass Bands einen ihrer längeren Songs live durch Improvisationen aufblähen. Sonic Youth haben dies früher regelmäßig getan. Aus 8 Minuten „Diamond Sea“ auf Platte wurden da gerne doppelt so viele Minuten auf einer Bühne. Bei Body/Head hatte ich diesen Eindruck nicht. Mir erschien es, dass der Song eine experimentierfreie Zone war, alles lief in vordefinierten Bahnen: strukturierte Geräusche.
Während mein Konzertnachbar anschließend feststellte, dass er nach diesem Konzert auf der Seite von Thurston Moore stünde, kann ich das von mir nicht sagen. Nein, ich stehe nach wie vor auf der Seite von Kim Gordon. Erst recht nach diesem Abend.
Ein Konzert mit einem bleibendem Eindruck. Und das ist nicht negativ gemeint.

Body/Head war mein Sonic Youth in Häppchen Konzert Teil zwei. Der dritte und letzte Teil dann in ein paar Tagen. Ich freu mich drauf!

Kontextkonzerte:
Sonic Youth – Düsseldorf, 24.04.2009
Sonic Youth – Köln, 26.06.2007

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