Ort: Gewölbe, Köln
Vorband:
St. Catherine ist eines meiner Lieblingsalben des letzten Jahres. „Headbanging in the mirror“, „Into the sky“, „Surreal Exposure“ sind herausragend schöne Songs, die mich im letztjährigen Frühjahr sehr oft auf der ein oder anderen Autofahrt begleitet haben. St. Catherine ist das fünfte Album der Ducktails, einer Indiepopband aus New Jersey. ihre musikalische Reise begann 2009 mit dem Album Landscapes. 2011 sah ich die Band um den ehemaligen Real Estate Gitarristen Matt Mondanile zum ersten – und bisher einzigen – Mal. Damals, im Park unter Olivenhainen, funktionierten die Softindiepopnummern hervorragend und ihr Aufritt wurde einer der besseren des gesamten 2011er Primavera Sound Festivals. Matt Mondanile ist sowas wie der Mastermind der Band. Bereits mit Real Estate machte er schönste Indiepopnummern im amerikanischen Ostküstengewand. Die Ducktails stehen dem wenig nach, der Stil ist nahezu gleich, die Songs vielleicht ein bisschen fluffiger. Bei meiner Googleerecherche zu den Ducktails stoße ich erstmals auf den Begriff hypnagogic pop, ich kann mir nichts darunter vorstellen. Also lese ich den Interneteintrag und lerne:

Hypnagogic pop (sometimes used interchangeably with „chillwave“ or „glo-fi„) is a 21st-century style of pop music or general musical approach which explores elements of cultural memory and nostalgia by drawing on the music, popular entertainment, and recording technology of past decades, particularly the 1980s. The term was coined by journalist David Keenan in an August 2009 issue of The Wire to label a developing trend which he characterized as „pop music refracted through the memory of a memory.

Aha, okay. Schon eher verstehe ich das, was ich noch über die Ducktails lese. Ihre Musik beschreibe den Zustand ‘between waking and sleeping‘. Denke ich ein wenig darüber nach, dann kann ich dem zustimmen. Gerade auf St. Catherine finde ich sehr viele dieser Songs, die irgendwo schwerelos und wie in Watte gehüllt daherkommen. Träumerische, wattebauschige, do-it-yourself Musik. Ich halte das so fest.

Jersey Devil, das aktuelle und St. Catherine nachfolgende Album, kenne ich noch nicht. Die Scheibe der Ducktails ist ein paar Monate alt, ich kam bisher jedoch noch nicht dazu, sie zu hören. Ob der titel, und damit das Album, etwas mit dem komischen Fabelwesen Jersey devil zu schaffen hat, weiß ich nicht. Ich kannte dieses Wesen bisher auch nicht, hätte auch nie von seiner Existenz erfahren, wenn ich nicht nach Jersey devil im Internet gesucht hätte. Macht man das, erscheint als erstes ein Eintrag über dieses kleine Teufelchen.

Matt Mondanile kommt alleine. Aus Berichten über die Konzerte in Hannover und Hamburg war ich darüber im Bilde und wenig überrascht, als ich auf der leeren Bühne des Gewölbes nur eine Gitarre und einen Mikrofonständer erblickte. Seine Band hat er auf Festplatte mitgebracht. So entsteht vor jedem Song das gleiche Szenario. Ein kleiner Tip mit dem rechten Fuß auf einen der Klickschalter aktiviert ‘die Band‘, worauf sanft ein Schlagzeugbeat ertönt, gefolgt von digitalen Gitarrenklängen. Irgendwann setzt Matt Mondanile dann mit seiner eigenen Gitarre ein, die er zuvor mit einem Tipp auf ein zweites Pedal freischaltet. Neben den pedalen liegt ein DIN A5 Zettel, schon leicht abgegriffen und verknittert. Darauf stehen die 11, 12 Songs, die Matt Mondanile spielen wird. Bis auf „Surreal Exposure“ und „Headbanging in the mirror“ sind es Songs des aktuellen Ducktails Albums Jersey Devil.
Dieses sei das letzte Konzert der kleinen Deutschlandtour, erzählt er, und das, mit den meisten Zuhörern. ‘Hannover was nice, in a small cafe, Hamburg yesterday not so nice…‘ Ach, und in Köln sei er vorher noch nicht gewesen. Daumen hoch. Matt Mondanile hob im Laufe der guten Stunde übrigens oft den Daumen. Aber wieso letztes Deutschlandkonzert? Was ist denn mit seinem Auftritt beim Way back when in Dortmund in ein paar Wochen? Ist der gecancelt worden oder hat er den nur gerade vergessen? Ich denke nur kurz darüber nach, mehr fesselt mich die Freude darüber, dass ich ihn hier sehen kann. Es ist ein kleiner wahr gewordener Traum, „Headbanging in the mirror“ endlich live zu hören, dass mir ein mögliches weiteres Konzert gerade ein bisschen wurscht ist.

Der Sound von der Festplatte ist gut, die Gemütslage im Gewölbe insgesamt sehr entspannt. Auch wenn es ein bisschen gedauert hat, bis Matt Mondanile auf die Bühne kommt. Nach einer guten Stunde warten betritt er sie und hebt erstmals den Daumen. Das galt dem Mischpultmann, damit dieser die Musik ausschalten möge. Doch der Kollege sieht ihn nicht gleich, so dass der Ducktails Sänger die Bühne wieder verlässt, um ihm mündlich persönlich Bescheid zu geben. Dann klappt’s. Licht aus, Gitarre eingestöpselt, ein erster Tapp auf des Pedal, welches das Playback startet, und Sekunden später setzt Matt Mondanile mit der Gitarre und dem Gesang ein. Seine Stimme, mit viel Hall unterlegt, klingt dabei so schön wie auf Platte und die Gitarre, das einzig live gespielte Instrument, dazu wunderbar.
Schnell bin ich im Konzert. Was mir direkt auffällt: Die neuen Songs sind mindestens genauso gut wie die des Knülleralbums St. Catherine. Die ersten bekannten Töne für mich kommen ab Song 8, nachdem er die zweite Flasche ‘Kölsch‘ (Zitat Matt Mondanile) geöffnet hat und „Surreal Exposure“ anstimmt. Aber die Zeit davor irritierte mich nicht. Manchmal ist es anstrengend, nur unbekanntes Zeugs zu hören. Manchmal kann das sogar sehr ermüdend und sehr langweilig sein. Hier und jetzt war davon jedoch keine Spur, dafür sind die neuen Songs einfach zu gut und zu sehr im vertrauten Ducktails Stil verankert. Es ist und bleibt auch auf dem neuen Album beim Yacht-Pop, den ich an der Band so mag. Ich nenne das mal Yacht-Pop, weil mir der Begriff beim Konzert in den Sinn gekommen ist. Hypnagogic pop ist aber auch okay.

Nach „Surreal exposure“ folgen noch zwei neue Stücke, bevor mit „Headbanging in the mirror“ und der neuen Single „Map to the stars“ die letzten Songs anstehen. Als die zweite Flasche Kölsch geleert ist, ist auch das Konzert nach knapp einer Stunde vorbei. ‘Auf ein paar Shots an der Bar?‘ fragt er in die Runde. Sicherlich findet er noch den ein oder anderen, der einen mittrinkt. Mein Zug fährt in fünf Minuten. Ich finde es ein bisschen schade, dass er nicht „Into the sky“ und „Under cover“ vom feinen The Flower Lane Album im Programm hat. Zwei klitzekleine Wehrmutstropfen, die aber den tollen Abend keinesfalls schmälern. Auch so war es das erwartet traumhafte Konzert! Daumen hoch!

Kontextkonzerte:
Ducktails – Primavera Sound Barcelona, 27.05.2011

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