Ort: Den Atelier, Luxemburg
Vorband: Zamilska
![Kim Gordon - Luxemburg, 22.10.2024](https://www.pretty-paracetamol.de/blog/wp-content/uploads/2024/10/DSC01270-1100x619.jpg)
Es wurde mal wieder Zeit, den Weg durch die Eifel nach Luxemburg zu nehmen. Noch sind die Wetterlagen so, dass ich nachts nicht von Frost oder überfrierender Nässe überrascht werde. Das heißt es auszunutzen, auch, weil der Kaffee-Pad Vorrat aufgefüllt werden sollte. Also auf ins den Atelier, Kim Gordon gucken. Das letzte Mal ist ja auch schon wieder zwei Jahre her.
Der Zeitplan wird exakt eingehalten. Pünktlich um 20 Uhr betritt Zamilska hinter die Turntables, die in der Bühnenmitte aufgebaut sind. Vor der Bühne stehen zu dieser Uhrzeit vielleicht gerade mal 20 Leute. Auch ich bin erst seit wenigen Minuten im den Atelier.
Solid portion of raw and heavy techno, ranging from noise, electronica to modern world music. ZAMILSKA’S heavy, rhythmic sounds filled with lots of bass.
…sagt Spotify und sie haben Recht. Die polnische Musikerin/ Produzentin/ musikalische Tausendsassa hämmert 30 Minuten ihre Beats in das sich nur zaghaft füllende den Atelier. Flackerlicht und Strobo verkraften meine Augen nicht so gut, daher ist es schwer für mich, permanent auf die Bühne zu schauen. Aber ich möchte auch meinen guten Stehplatz nicht verlassen und so starre ich halt auf den Boden. Der rohe und schwere Technobeat klingt abwechslungsreich; er ist ein bisschen darker und teilweise sehr 80s synthielastig, Zamilskas kurze Set macht durchaus Spaß.
Während der Umbaupause wird es dann voller. Die Galerie im den Atelier bleibt allerdings an diesem Abend geschlossen und auch im Saal ist zu Konzertbeginn noch ordentlich Platz. Es steht sich daher sehr gemütlich, als Kim Gordon und Band erneut pünktlich um 21 Uhr die Bühne betreten. Sind die Luxemburger noch verärgert, weil sie im Sommer beim Siren’s call kurzfristig ihren Auftritt gecancelt hat? (Es war der Tag mit diesem bösen Unwetter und aufgrund des angekündigten starken Sturms bangte Kim Gordon um ihre Anreise nach London und cancelte ihren abendlichen Slot kurzfristig.) Oder lag es an den nicht gerade günstigen Ticketpreisen von 43 Euro? Sei es, wie es ist. Mir ist es so ganz recht, ich musste nicht viel früher vor Ort sein, um einen guten Platz zu erhaschen und ich kann das Konzert über entspannt in einer angenehmen und mehr als ausreichenden Komfortzone erleben. Und der Saal sieht jetzt ja auch nicht leer aus, für Kim Gordon wirkt es nicht peinlich.
Die Stimmung ist euphorisch. Also so euphorisch, wie man mit Mitte Ende 40 plus auf einem Konzert sein kann. Das ist so der Zuschauerschnitt und definitiv bin ich nicht der Einzige, der noch Sonic Youth live erlebt hat. Seit den 1990er Jahren bin ich Team Kim Gordon. Die von ihr gesungenen Sonic Youth Songs mochte und mag ich am meisten. (Auf Platz 2 übrigens die von Lee Ranaldo gefolgt von Thurston Moore Songs). Ihre Stimme hat etwas Beruhigendes und Cooles, finde ich. Ihr Sprechgesang wirkt kühl und zugänglich zugleich. Ich höre Kim Gordons Singstimme sehr gerne.
Um fünf vor neun läuft der erste Kim Gordon Song aus den Boxen. Mit „Bangin‘ on the Freeway“ startet die heiße Vorkonzertphase. Im Laufe des Songs werden die Visuals eingeblendet und das Licht abgedunkelt. Leider ist die Leinwand im hinteren Bühnenbereich nicht ganz so opulent, so dass die Videoprojektionen nicht superstark zur Geltung kommen. Es folgt ein zweiter Kim Gordon Song vom Band, der dann nahtlos in das Konzert einführt. Die Band steht mittlerweile auf der Bühne und übernimmt mit „Bye Bye“, dem ersten Livesong des Abends. Jetzt spielt Kim Gordon Gitarre, später legt sie diese für den einen oder anderen Song beiseite. Ich sag mal, das Verhältnis steht bei zwei Drittel ‘ohne Gitarre’ zu einem Drittel ‘mit Gitarre’. Ich hatte vorher keine richtige Vorstellung über die Dauer des Konzerts, einige ältere Setlisten wiesen Spielzeiten von einer Stunde auf, allerdings sind darunter auch Festivalauftritte. Die Setlist, die vor Beginn an den Musikerstationen verteilt wird, zeigt 15-16 Songs, was für mehr als eine Stunde sprach. Die ersten Songs sind dann allerdings alle sehr kurz, was eher für einen kurzen Abend spricht. Es werden schlussendlich 70 Minuten, inklusive Zugabe.
Drei Musiker*Innen hat Kim Gordon mit nach Europa gebracht. Ihre Namen verstehe ich leider nicht, Kim Gordon nuschelt sie vor dem letzten Song unverständlich durchs Mikrofon. Ich vermute, es ist die Band, die Kim Gordon in den letzten Monaten unterstützt hat, also mit Sterling Laws am Schlagzeug, Sarah Register an der Gitarre und am Keyboard sowie Camilla Charlesworth am Bass und am Keyboard.
„Air BnB“ flasht. Der Song vom ersten Album No home record ist für mich der Song des Abends. Dieser Song, aber eigentlich auch das gesamte Konzert kommen den typischen Sonic Youth’schen Indierocksongs sehr nahe. Und letzteres finde ich etwas überraschend, denn die aktuelle Platte The Collective hat ja durchaus intensiver Elektro-Beats vorzuzeigen. Doch live schimmern die nicht so stark durch. Es sind mehr die rauen, aber nicht allzu elegischen Gitarren (wie zum Beispiel in den Songs des Ex-Ehemanns Thurston Moore), die an diesem Abend dominieren und mich deutlich an Sonic Youth erinnern. Mal ganz abgesehen von der Sprechstimme Kim Gordons, mehr Sonic Youth Memorabilia geht ja gar nicht.
Es ist ein knackiges, ein kurzes Konzert. Und ein verdammt starkes. Kim Gordon macht zu jeder Zeit eine gute Figur, dass sie mehr als doppelt so alt wie ihre drei Mitmusiker*Innen merkt man auf den ersten Blick nicht. Klar, ihre Bewegungen sind etwas langsamer geworden, ihr typischer Gitarrenhüftschwung ist nicht mehr ganz so agil wie vor 20 Jahren, aber grundsätzlich hat sie eine beneidenswerte Fitness. Gegen Ende des Konzerts klettert sie gar auf eine der Boxen im hinteren Bereich der Bühne. Das rauf und runter dauert ein bisschen. Jetzt merkt man, dass Kim Gordon mittlerweile über 70 Jahre alt ist.
Zum Schluss und als zweite Zugabe spielen sie „Grass Jeans“. Ich hatte den Song bisher völlig unterschätzt. Er bildet ein würdiges Finale und ist mit Abstand der poppigste Song des Abends.
22.15 Uhr, Ende des Konzerts.
Kontextkonzerte:
Kim Gordon – Primavera Sound Festival Barcelona, 02.06.2022
Body/Head – Köln, 18.06.2013 / Dachterrasse Museum Ludwig