Ort: MEZZ, Breda
Vorband: BWANA
Breda, Nordbrabant. Knapp hinter Tilburg, nicht weit von Eindhoven. Laut Wikipedia eine Stadt mit ungefähr 180.000 Einwohnern. Überschaubar, gemütlich. Mitten in der Stadt am Rand der Fußgängerzone liegt das Poppodium MEZZ, ein Konzertgebäude, wie es sie scheinbar nur in Benelux geben kann.
MEZZ is the stage for live music and dance in Breda. The typical building was especially designed for pop music. ‘Hypermodern’ was the header of the newspaper at the opening. A pop venue that has been stranded as a work of art in the center of Breda; like a whale.
MEZZ Homepage
Wenn ich mich richtig erinnere, beherbergt das MEZZ zwei Konzertsäle. Das Blonde Redhead Konzert findet in einem relativ kleinen, vielleicht 600 Leute fassenden Saal statt, der ohne Ecken gebaut ist. Die Bühne ist ellipsenförmig, der Zuschauersaal mit darüberliegender Sitzplatzgalerie ist es auch. Saal und Bühne sind nicht kreisrund – wie z.B. die Rotonde in der Botanique – sondern bilden eine Ellipse. Die Wände sind mit Holz vertäfelt, breite Treppenstufen verleihen dem Raum einen theaterhaften Touch und bieten gute Sicht auch aus den hinteren Reihen. Im Gebäude ist eine Bar/ Restaurant integriert. Natürlich. Wie eine Schlange oder eben ein Walfisch sieht das Gebäude von außen aus. Auch hier: keine Ecken oder Kanten.
Ich bin das erste Mal in Breda, also auch zum ersten Mal im MEZZ. Wäre es nicht so relativ arg weit weg, ich könnte öfter hierhin fahren. Das gesamte Ambiente ist toll, die Lage top! An diesem Freitagabend war die Anfahrt kein Problem. Bei normaler Verkehrslage sind wir in guten 140 Minuten in Breda; manche Fahrt ins Ruhrgebiet dauert länger.
Blonde Redhead geben an diesem Abend eines ihrer letzten Europa Konzerte ihrer Sit down for dinner Tour, Grund genug, sie noch einmal anzusehen. Die letzten Male sah ich sie bei den beiden Primavera Festival (Weekender und Sounds) nur im Festivalrahmen, und an mein letztes Blonde Redhead Clubkonzert habe ich kaum noch Erinnerungen. 2018 war das, glaub’ ich. Es wurde also Zeit, und Breda ist die letzte Möglichkeit, die Band in der weiteren Nähe zu sehen.
Blonde Redhead sind Kazu Makino und die Zwillinge Amedeo und Simone Pace. Seit vielen Jahren ist das so. Sit Down for Dinner heißt ihr aktuelles Album, es ist das erste seit fast 10 Jahren. 23 allerdings,Album Nummer sieben aus dem Jahr 2007, ist nach wie vor ihr Masterpiece. Es ist das Album mit der vierbeinigen Tennisspielerin auf dem Cover. Die Platte kennt glaub’ ich jeder, der Indierock wirklich mag. Songs wie „23“, „Dr Strangeluv“, „SW“ oder „Spring and by summer fall“ sind Klassiker, absolute Klassiker, die heute immer noch gut funktionieren und die immer noch auf jeder Blonde Redhead Setlist vertreten sind. So auch im MEZZ. Wie ich finde, wenig überraschend. Gehört sich doch auch so! Die weitere Songauswahl dagegen verwundert mich schon ein bisschen.
Blonde Redhead beginnen das Konzert mit „Falling man“, und damit interessanterweise nicht mit dem ersten Song des aktuellen Albums. (Ich schätze mal, 99% aller Bands eröffnen mit dem ersten Song vom aktuellen Album ihre Konzerte). „Falling man“ ist gut 20 Jahre alt und ist auf ihrem sechsten Album Misery is a butterfly zu finden. Genauso wie Song Nummer zwei und drei („Elephant woman“ und „Doll is mine“). Zu Beginn steht also eine kleine Hommage an 20 Jahre Misery is a butterfly. Mit „Maddening cloud“ spielen Blonde Redhead später noch einen weiterer Song von Misery is a butterfly. Die weiteren Songs stammen dann vom aktuellen Album Sit down for diner und vom Überfliegeralbum 23. Eine interessante Zusammenstellung, wie ich finde, spielen Blonde Redhead doch damit nur Songs aus drei ihrer insgesamt 10 Alben.
Was mir beim letzten Blonde Redhead Konzert auffiel, und mir jetzt erneut ins Auge sticht: Der Schlagzeug Zwilling – Simone Pace – hat immer gute Laune, mag auch noch so viel schiefgehen. Und an diesem Abend gingen einige Sachen schief. Simone Pace nimmt es mit einem Lächeln, wenn die Gitarre erst nicht so will, wie sein Bruder es möchte und dann noch verstimmt ist und er vier Anläufe braucht, um den Song zu starten („Dr. Strangeluv“). oder wenn Kazu Makino mitten in „Sit down for Diner, Pt.2“ den Song abbrechen muss, weil sie eine Keyboardpassage verdaddelt. ‘Es ist auch wirklich ein langer Song, starten wir noch einmal’, sagt er dann einfach und lächelt. Beim zweiten Versuch klappt es und der Rest des Konzertes geht ohne technische oder menschliche Fehler über die Bühne. Ist ja grundsätzlich auch völlig schnuppe, es liegt kein Drama in verpatzten Gitarrenakkorden oder vergessenen Keyboardnoten. ‘You are human, not a machine’ ruft ein Zuschauer. Ein anderer im Spaß (den jeder so verstanden hat) ‘You should have practised’. Damit ist alles gesagt.
Trotzdem, am Ende hin ist Kazu Makino ganz Japanerin. Tausendmal entschuldigt sie sich für die technischen Patzer, schüttelt gefühlt der gesamten ersten Reihe die Hände und geht irgendwie gar nicht von der Bühne. Ein sehr sympathischer Auftritt der von mir sehr lange sehr unterschätzten Blonde Redhead.
Life changes fast. Life changes in the instant. You sit down to dinner and life as you know it ends.
Joan Didion
Zuvor eröffnete die belgische Band BWANA. BWANA ist das Projekt der Sängerin Friedel Dufait aus Oostende. Auf den ersten Blick möchte ich sagen, eine weitere tolle Band aus Belgien. Vom ersten Augenblick an habe ich mich in ihren Gitarrensound verguckt. In jedem Song anders, in jedem Song brillant. Irgendwo im Intervall zwischen Dream- und Jangle-Pop. Memo an mich: BWANA unbedingt im Auge behalten.
Setlist:
01: Falling man
02: Elephant woman
03: Doll is mine
04: Melody experiment
05: Snowman
06: Dr. Strangeluv
07: SW
08: Sit down for dinner, Pt. 1
09: Sit down for dinner, Pt. 2
10: Spring and by summer fall
11: Maddening cloud
12: 23
13: Rest of her life
Zugabe:
14: I thought you should know
15: Kiss her kiss her
Kontextkonzerte:
Blonde Redhead – Primavera Sound Festival Barcelona, 30.05.2024
Blonde Redhead – Primavera Weekender Benidorm, 17.11./18.11.2023
Blonde Redhead – Köln, 19.08.2018 / Luxor
Blonde Redhead – Köln, 19.11.2007 / Palladium