Ort: Bürgerhaus Stollwerck, Köln
Vorband: Gustaf

Sleater-Kinney - Köln, 20.08.2024

Ich gestehe, ich bin Fan. Seit den späten 1990er Jahren und dem zweiten Bandalbum Call the doctor ist das so. Ich habe mich gefreut, als sie 2015 nach gut 10 Jahren Pause mit No cities to love wieder Musik machten. Und zwar so sehr, dass ich in diesem Jahr gleich drei Sleater-Kinney Konzerte besuchte.
Sleater-Kinney sind und waren Corin Tucker und Carrie Brownstein. Lange Zeit am Schlagzeug saß Janet Weiss, lange Zeit auf Tour mit dabei war Kate Harkin. Doch die Zeiten sind vorbei. Janet Weiss trommelt seit gut einem halben Jahrzehnt nicht mehr für die Band und Kate Harkin hat sich nach der letzten Tour 2020 zurückgezogen. So ist 2024 das Sleater-Kinney Lineup nahezu identisch zu meinem letzten Sleater-Kinney Konzert 2020: Neben Carrie Brownstein und Corin Tucker spielt Toko Yasuda je nach Song zusätzlich Melodica oder Keyboards und am Schlagzeug sitzt nach wie Angie Boylan. Neu dabei ist nur Teeny Lieberson, die wahlweise Gitarre oder Keyboard spielt. Alle drei sind übrigens gestandene New Yorker Musikerinnen, die selbst Bands hatten oder in vielen anderen Bands gespielt haben (Teens, Here we go magicTeeny Lieberson) oder mit Musikern auf Tour waren (Blonde Redhead, St. Vincent, Cate le BonToko Yasuda).

Lange Zeit war mir auch nicht klar, ob das Konzert überhaupt stattfinden kann. Im ersten Leg ihrer Europatour mussten Sleater-Kinney die letzten Konzerte Ende Juni krankheitsbedingt absagen. Ich zweifelte kurz, ob sie nochmal zurückkommen, doch in den Medien verdichtete sich schnell die Information, dass sie ab 7. August erst in den USA und später dann auch in Europa wieder Konzerte geben. Der Kölner Termin steht also. Wenn auch an einem anderen Ort. Denn was man wissen muss ist, dass das Konzert gedowngradet wurde. Und zwar deutlich, nämlich aus dem gefühlt fünfmal so großen Carlswerk in das Bürgerhaus Stollwerck. Und das ist erschreckenderweise noch nicht einmal ausverkauft, die obere Galerie bleibt geschlossen und auch im Innenraum steht man luftig. (Was bei den sommerlichen Temperaturen übrigens ganz angenehm ist). Da haben sich die Booker heftigst verschätzt, sag’ ich mal. Aber Sleater-Kinney sind damit aktuell nicht alleine: Auch das The Kills Konzert letzte Woche wurde in eine viel kleinere Location geschoben. Was ist bloß los?!

Im Bürgerhaus war ich länger nicht mehr, ich habe völlig vergessen, wie überteuert das Parken im Rheinauhafen ist. Die Stunde toppt sogar niederländische Parkhauspreise, und obendrauf gibt es keinen Abend- oder einen Veranstaltungstarif. Schade, und Pech für mich, denn ich bin mit dem Auto da. Vom Bahnhof kommt man mit der Straßenbahn nicht sehr einfach in das 2,5 km südlich gelegene Bürgerhaus, um ggfs. kurzfristig auf Zugausfälle reagieren zu können. Dieser Tage muss man sowas ja leider im Hinterkopf haben.

Gustaf eröffnen den Abend. Die beinahe Frauenband (sie haben einen Gitarristen) spielt New York Indierock. Die haben just ihr zweites Album Package Pt. 2 veröffentlicht. Ich kannte die Band nicht, ließ mich jedoch während ihres halbstündigen Sets von ihrem schrammeligen, nervösen Indie-Punkrock überzeugen. Ein guter Start in den Abend. Ich werde Gustaf mal auf meinen Zettel schreiben.

Später scheint Corin Tucker die schlechte Luft im Bürgerhaus Stollwerck so ganz und gar nicht zu behagen. Gleich zu Beginn erwähnt sie mit klagender Stimme die Hitze im Raum, während Carrie Brownstein später eine 0,5 l Wasserflasche während eines Gitarrensolos ihrer Sleater-Kinney Gefährtin in einem Rutsch leert. Die beiden großen Ventilatoren am Bühnenrand sorgen auch eher für eine post-Konzert Erkältung als für erfrischende Luft. Die schwüle Luft macht träge. Mich und scheinbar auch Sleater-Kinney. Beide haben anfangs Mühe, ins Konzert zu kommen. Mir ist der Sound zu leise und nicht wuchtig genug, Sleater-Kinney wirken nicht frisch.
Die Eröffnung mit gleich drei neuen Songs en bloc macht es grundsätzlich nicht einfacher, einen Funken Stimmung auf die Bühne überspringen zu lassen und hochzuziehen. Die ersten 25 Minuten sind aus meiner Sicht nicht wirklich berauschend. Das Konzert fühlt sich nicht gut an, es wirkt wie ein ganz normaler Arbeitstag, routiniert und heruntergespult. Die zwei Ansagen klingen standardisiert, das sich aneinander Anspielen von Corin Tucker und Carrie Brownstein wirkt wie ‘steht bei diesem Song auf der Agenda’.
Doch Sleater-Kinney berappeln sich, was auch damit zu tun hat, dass sie ab der Mitte des Sets Hitblöcke einbauen. Die alten Smasher ziehen mehr und lassen die Stimmung hochkochen, was ein wenig auf die Band abfärbt und das Konzert besser werden lässt. Es ist ein Geben und Nehmen, wobei das Publikum ein bisschen mehr gibt als Sleater-Kinney. So mein Eindruck.
Richtig rein ins Konzert komme ich trotzdem nicht. Songs wie „One more hour“ oder „All hands on the bad one“, was sie auch ganz merkwürdig spielen, gehen komplett an mir vorbei. Das ist völlig irre, sind das doch Sleater-Kinney Lieblingssongs! Macht mir die Luft doch mehr zu schaffen und ich nehme das Konzert komplett falsch wahr? Gut finde ich, dass sie meinen derzeitigen Jogging-Hit spielen: „Jumpers“ ist neben einigen anderen Hits Teil der Setlist. Ich hatte darauf gehofft, dass sie zu der Setlist greifen, die „Jumpers“ enthält. Sie machen es! Jeden Abend spielen sie “Jumpers” nicht, sie wechseln bei den Hits und älteren Songs ordentlich durch. Nur die Sachen von Little rope, sie spielen bis auf zwei, drei Songs alles vom aktuellen Album, bleiben unangetastet. 

Um halb elf ist das Konzert vorbei. Theoretisch könnte ich jetzt noch in den Club Bahnhof Ehrenfeld gehen. Dort haben Arrested Development ihr Konzert immer noch begonnen. Aufgrund schlechter Straßenlagen müssen sie den ursprünglichen Beginn von 20.30 Uhr erst um eine Stunde, dann um 2 Stunden verschieben. Erst um kurz vor elf Uhr ging es in Ehrenfeld los. Dummerweise ist der Club ein Stück weit weg, praktisch passte es daher nicht gut. Und eigentlich reicht auch ein Konzert pro Abend. (Ähh, nein!)

Fazit: Konzert im Sommer in nicht-klimatisierten Räumen machen wenig Spaß, weder für die Band, noch für das Publikum.

Kontextkonzerte:
Sleater-Kinney – Berlin, 18.03.2015 / Huxley’s neue Welt
Sleater-Kinney – Antwerpen, 21.03.2015 / Trix
Sleater-Kinney – Primavera Sound Festival Barcelona, 29.05.2015
Sleater-Kinney – Brüssel, 21.02.2020

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