Ort: Luxor, Köln
Vorband: Niklas Paschburg

Blonde RedheadAus mir heute nicht mehr nachzuvollziehenden Gründen besitze ich eine Blonde Redhead CD. Ich vermute, dass 23 seinerzeit relativ verbreitet war und in den Musikmagazinen hochgelobt wurde, wie sonst sollte ich auf die Idee gekommen sein, 23 zu kaufen? Beziehungsweise viel spannender ist die Frage, warum ich außer 23 keine weitere Blonde Redhead Platte besitze Auf beide Fragen habe ich heute keine Antworten.
Vielleicht kannte ich Blonde Redhead auch von irgendeinem Samplerbeitrag und wurde so auf 23 – mit einer vierbeinigen Tennisspielerin auf dem Cover – aufmerksam. Es ist das siebte Album der Band, veröffentlicht vor 11 Jahren. Blonde Redhead, die Band der beiden Zwillinge Amedeo Pace and Simone Pace sowie der Japanerin Kazu Makino existiert also schon länger. Richtig. Und sie haben ein paar veritable Hits: „Dr Strangeluv“, „23“ und „Spring and by summer fall“. Alles Knallersongs!

Blonde Redhead machen über den Daumen gepeilt Shoegaze und Dreampop. Mal mit mehr, mal mit weniger lauten Gitarren. Die aktuelle EP 3 o’clock ist etwas gesetzter und hat ein paar easy listening Einflüsse, wie mir beim schnellen Hördurchlauf am Nachmittag auffiel. Es ist nach vier Jahren und seit der Platte Barragán die erste Veröffentlichung der Band. Die dazwischenliegenden Remixalben zähle ich mal nicht mit. 3 o’clock gefällt mir auf Anhieb. Gut möglich, dass die EP meine nächste Blonde Redhead CD wird. Es wäre dann meine zweite, denn bisher ziert nur das zartblaue Cover von 23 mein CD Regal.

Das Luxor ist erschreckend leer. Ein Drittel voll, schätze ich. Mhh, so ganz verstehe ich das nicht. Blonde Redhead touren ja nicht gerade jährlich durch die Clubs. Ich schieb‘ es auf die Sommerzeit und die Hitze. Das geht meistens durch.

Der Musiker Niklas Paschburg eröffnet den Abend vor vielleicht 50 Leuten und spielt ein paar Tracks von seinem Album Oceanic. Eine schöne, ruhige Einstimmung auf den Abend. Oceanic ist ein wohlüberlegter Albumtitel, denke ich nach den ersten Tracks. Die mich an Melodien von Moderat bzw. Apparat erinnernden Beats täuschen Weite und Raum vor, wo keiner ist und sind mitunter so dicht und düster, wie ich mir das Meer vorstelle. Oceanic ist ein prima Soundtrack für die nächtliche Autofahrt, aber auch im Luxor funktioniert es für 35 Minuten ausgezeichnet. Fazit: Ich fühle mich gut unterhalten.

Umbaupause.
Worüber unterhält man sich dann so? Im günstigsten Fall über ehemalige Konzerte der gleich auftretenden Band, im ungünstigeren Fall über irgendetwas anderes. Und so kam, dass ich mich, als das Gespräch auf längst vergangene Blonde Redhead Konzerte in Köln kam, erinnerte: 2007 im Palladium, als Vorband von Interpol. Tatsächlich, ich hatte Blonde Redhead schon einmal gesehen. Ich hatte das völlig vergessen.

Blonde Redhead gefielen auf Anhieb. Die Band setzt sich aus zwei Herren mittleren Alters an Schlagzeug und Gitarre sowie einer Sängerin / Keyboardertin / Gitarristin zusammen. Hätten sie in ihren gitarrenlastigen Stücken eine Gitarre mehr an Bord, würden sie noch ein Stück stärker an Ride oder Slowdive erinnern. Aber Blonde Redhead nutzen stattdessen Keyboards und bringen so mehr sanfte Melodien und klangliche Strukturen in ihre Songs. Und die waren gut, sehr gut sogar. Von der melancholisch molligen Grundstimmung passten sie sehr gut zu Interpol und gaben so eine perfekte Einstimmung auf die New Yorker Indieband.

Ein leicht hinkender Vergleich mit den britischen Shoegaze Bands. Blonde Redhead klingen viel experimenteller, am Schlagzeug baumelt ein Glockenspiel, und mehr nach New York als die englischen Bands. Kazu Makino und die Pace Zwillinge (gibt es eigentlich noch weitere Indienbands mit Zwillingen?) agieren vielschichtiger und ihre Songs sind detailreicher als stumpfer Shoegaze. Sicher, das Konzert war gitarrig laut und die drei Blonde Redheads klingen so, als stünden doppelt so viele Musiker auf der Bühne, aber gerade die von Amedeo Pace gesungenen Songs klingen nach so viel mehr als nur lautem Gitarrengeschrammel und schüchternem Gesang.
Die 14 Songs in knapp anderthalb Stunden Konzert lassen darauf vermuten, dass einzelne Songs ausgedehnt vorgetragen wurden und es einige Instrumentalpassagen gab. Das stimmt auch. Manchmal waren diese Gitarren- oder Keyboard getragenen Passagen schön, manchmal entstanden dadurch gefühlt unnötige Längen im Konzert.Kazu MakinoUnd während dieser schwächeren Momente kommen mir komische Gedanken in den Sinn. So wie dieser: Das Antanzen von Kazu Makino und Amedeo Pace erinnert mich trotz umgehängter Gitarren an Al Bano und Romina Power. Gerade der Blonde Redhead Sänger hat diesen leicht wippenden Schritt, der mir den schlagernden Popsänger Al Bano vor meinem geistigen Auge erscheinen lässt. Puhh, damit war es dann passiert, Al Bano und Romina Power begleiteten mich seitdem in mehreren Momenten des Abends.
Gott sei Dank hatte der Abend ein paar absolute Spitzenmomente, die mich von diesem abenteuerlichen Gedanken ablenkten. „Dr Strangeluv“, „23“, „3 o’clock“ oder „Spring by summer fall“ sind Riesenknaller und live unheimlich stark. Da hatte das Italo Pop Ehepaar keine Chance.

‘If you had and hour, would you find the flower‘ heisst es in „Where your mind wants to go“. Ich benötigte keine Stunde, um Blonde Redhead an diesem Abend wiederzuentdecken. Eine tolle Band, ein sehr schönes Konzert.

Setlist:
01: Falling man
02: Elephant woman
03: Where your mind wants to go
04: Dr. Strangeluv
05: Mind to be had
06: Symphony of treble
07: For the damaged
08: Doll is mine
09: 3 o’clock
10: Dripping
11: Spring and by summer fall
12: 23

Kontextkonzerte:
Interpol – Köln, 19.11.2007 / Palladium

Multimedia:

Blonde Redhead Luxor Köln 19.08.2018

Gepostet von Anna Radozda am Montag, 20. August 2018

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