Ort: Club Volta, Köln
Vorband: ATZUR

Algiers - Köln, 05.03.2023

Algiers im Club Volta. Das hatte ich doch schon einmal? Richtig, 2020, kurz vor dem Lockdown spielten Algiers auch ein Konzert im kleinen Club Volta des Kölner Carlswerks in Mühlheim. Damals waren sie mit ihrem – wie heißt es doch – Kritikerliebling There is no year auf Tour. Und obwohl ich die Band bereits zwei Jahre vorher schon auf einem Festival in Genk gesehen hatte, wurde ich durch einen Bericht im ARD Magazin Titel Thesen Temperamente erneut, und eigentlich erst so richtig, aufmerksam gemacht. Damals, 2018 in Genk liefen Algiers bei glühender Nachmittagshitze ehrlich gesagt komplett an mir vorbei. Ich war aber auch voll auf mein erstes Sun Kil Moon Konzert fokussiert. Mark Kozelek und Co. sollten am späteren Abend spielen und ich freute mich sehr auf dieses Konzert sehr.
Über den Lockdown wurde There is no year zu einem Lieblingsalbum; mir gefiel und gefällt das vorantreibende, unruhige Wesen der Songs und die Verknüpfung von Blues mit Rock und Gospel mit Post-Punk. Die Band kommt aus den Südstaaten, und das hört man.

Immer noch toll, immer noch fiebrig: der Gospel-Industrial der Weltschmerzpatienten.

schreibt der Musikexpress. Immer wenn ich Algiers höre, muss ich an Virgil Tubbs oder den Film Mississippi Burning denken, an durchgeschwitzte Hemden und schwüle Nächte.
Mittlerweile sind wir drei Jahre weiter und Algiers haben ein neues Album veröffentlicht. Shook heißt es und es ist das vierte Album der Band, die vor There is no year bereits Algiers und The underside of power veröffentlicht hat. Shook kenne ich noch nicht, es ist also eine kleine Wundertüte, die mich an diesem Abend erwartet. Eine kleine Wundertüte, weil sie über den Abend auch älteres Material (was ich kenne) spielen: „And when you fall“, vom ersten Album, „Death March“ vom zweiten oder „There is no year“ vom vorletzten Album. Insgesamt sind es allerdings nur übersichtliche 15 Songs, die ich an diesem Abend höre. Schade, ein bisschen mehr hätte doch gehen können.

Eine leicht verspätete Regionalbahn bringt mich sehr pünktlich in den Club Volta. Hätte ich nicht erst den falschen Eingang genommen, nämlich den des Carlswerks, wo an diesem Abend auch etwas stattfindet, wäre ich auf die Minute pünktlich zu ATZUR, der Vorband, vor Ort gewesen. So platze ich in ihren ersten Song. ATZUR fällt das aber nicht auf, allen anderen auch nicht. ATZUR, oder Atzur ist ein österreichisch/spanisches Duo, das – ich sag mal – Indietronic und Indiepop macht. Ein bisschen wie Hundreds. Nachmittags stolperte ich über ihre Single „Do you feel the same“. Das ist ein Hit und ich beschloss, mir die Band abends anzusehen.
Auf der Bühne haben Patricia und Paul Unterstützung durch den Gitarristen Toby Whyle. Ihr halbstündiges Konzert ist gut, alle anderen Songs haben ein ähnliches Muster wie „Do you feel the same“. Das klingt gut, ist kurzweilig und unterhaltsam.

Algiers haben später nicht viel zu sagen. Oder besser: Sie lassen nur ihre Musik sprechen. Ein paar thanks und ein goodbye, mehr ist Sänger Franklin James Fisher nicht bereit zu sagen. Vielleicht schmeckt aber auch der Whiskey zu gut, den er in den Songpausen ab und an schlürft.
Algiers sind neben Franklin James Fisher noch Ryan Mahan, Lee Tesche und Matt Tong. Live haben sie noch einen zweiten Schlagzeuger dabei. War das vor ein paar Jahren auch schon so? Ich kann mich nicht erinnern. Das Konzert ist inzwischen gut besucht, das Gebäude 9 wäre jetzt zu klein. Wegen der Anreise mag ich den Club Volta nicht sonderlich, aber ausstattungstechnisch und von Drumherum her ist er top. Der Sound ist gut und laut. Ich stehe direkt am Schlagzeug, bekomme ordentlich was auf die Ohren, höre aber alle Instrumente sehr gut. Überhitzt, treibend, leidend und getrieben klingen ihre Songs nicht nur auf Platte. Live ist alles etwas wilder, aber der Grundton bleibt bestehen.

Egal ob Franklin James Fisher singt, oder ob sie die Gaststimmen in die Songs hinein samplen. Ich sollte erwähnen, dass Shook nur so von Gastsänger*innen strotzt. Ja, darauf verzichten können sie bei Konzerten nicht, zu wichtig sind zum Beispiel  die Rapparts von Billy Woods und der Rapperin Backxwash in „Bite Back“, oder Nadah El Shazlys Zutun in „Cold war“. Der ist übrigens besonders schön anzuhören. Vielleicht, weil er etwas beruhigender wirkt, oder, weil Nadah El Shazly so vollkommen exotisch im Algiers Kosmos wirkt und eine ganz andere, neue Perspektive auf einen Algiers Song eröffnet. Beide Songs bringen neue Stile, die ich so von Algiers bisher nicht kannte. Das ist interessant.
Hinein gesamplet werden auch Samuel T. Herring in “I can’t stand it!” und Mark Cisneros in „Out of style tragedy“. „Out of style tragedy“ ist übrigens enorm gospellastig und großartig. Mark Cisneros war übrigens Schlagzeuger bei The Make-Up, nach deren Reunion 2012. The Make-Up in den 1990er Jahren waren nicht so übel, man sollte sie kennen, „I am pentagon“ wäre mein Anspieltipp. 2017 spielten The Make-Up beim Primavera Sound. Ich habe sie verpasst.

„Void“ und „The underside of power“ sind nach einer Stunde ein schöner Abschluss des Konzertes. Das eine ist eher Punk, das andere Pop. Aber beide aufwühlend und wütend. Jetzt bemerke ich gerade, dass die Zugabe die Band und das gesamte Konzert gut zusammenfasst.

Setlist:
01: Irreversible damage
02: Walk like a Panther
03: And when you fall
04: A good man
05: Irony. Utility. Pretext.
06: There is no year
07: Cry of the martyrs
08: 73%
09: Cold world
10: I can’t stand it!
11: Out of style tragedy
12: Bite back
13: Death March
Zugabe:
14: Void
15: The underside of power

Kontextkonzerte:
Algiers – Köln, 14.02.2020 / Club Volta
Algiers – Absolutely free Festival Genk, 04.08.2018

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