Ort: Parc del Forum, Barcelona
Bands: Merchandise, Django Django, The Breeders, The Jesus and Mary Chain, James Blake, Blur, Sex Jams, Swans

Merchandise

„Ola luna!“ (Damon Albarn)
Der Freitag ist der Hauptkampftag des Primavera. Schon früh ist es voll auf dem Festivalgelände. Wir beginnen früh gegen 19 Uhr den Tag und entscheiden uns zum einzigen Mal an diesem Tag (na ja, nicht ganz) gegen eine der beiden großen Bühnen und für Merchandise auf der ATP. Wie kommt bloß auf die Idee, seine Band so zu nennen? Carson Cox (Gesang), David Vassalotti (Gitarre), Patrick Brady (Bass) aus Tampa (Florida) hatten diese Idee und finden sich nun auf der ATP Bühne wieder. Aber nicht nur dort sollten sie uns über den Weg laufen. Auch für das morgige Parkkonzert waren sie nominiert und überdies spielen sie am Sonntagabend noch eine Show im Apollo. Ja, für Merchandise ist dieses Primavera Schwerstarbeit. Beim vorhören möglicher sehenswerter Bands machten Merchandise das Rennen gegen die zeitgleich spielenden Peace, Kurt Vile und Nick Waterhouse. Ihr, ich schreibe mal, Postrock gefiel sehr und live bestätigte sich der Eindruck nach wenigen Minuten. Merchandise waren somit unser Eröffnungstag für den Hauptbühnen Tag. Nach Django sollten die Breeders, The Jesus and Mary Chain, James Blake und Blur unsere Aufmerksamkeit erhaschen. Da tat es ganz gut, sich im kleinen Warmzulaufen. Der erste Tag steckte nur noch leicht in den Knochen, die Kondition war noch nicht angeschlagen, obwohl es nach zwei Nächten mit wenig Schlaf durchaus berechtigt gewesen wäre.
Merchandise erinnerten mich irgendwie an Glasvegas. Musikalisch ist das unsinnig und ich erntete zurecht Kopfschütteln, als ich meinen Mitguckern davon erzählte, denn ihr langgezogener Post-Punkrock hat nun so gar nichts mit den quälenden Rock der Glasgow-band gemein. Trotzdem, ich wurde diese Referenz nicht los. Die Band spielt ewig lange Songs. Immer wenn man glaubt, es geht nicht mehr weiter, kommt noch eine Wendung, noch ein Bruch und es folgen Minuten von melodischen Gitarrenlärm. „Winter’s Dream“ ist ein gutes und treffendes Beispiel dafür. So sind ihre Songs zwar langatmig, aber nie langweilig. Ein Blick nach Spotify zeigt mir gerade, dass es schon vier Platten von Merchandise gibt, und das – die Ausnahme ist das aktuelle Album „Total nite“ – ihre Songs gar nicht so lang sind wie sie live gespielt wurden. Sei es drum, Merchandise gefielen sehr und ihre aktuelle scheibe ist gekauft.
Django Django

Djano Django kommen in neuen Bandhemden. Sie würden sie heute zum ersten Mal tragen, erzählt uns Sänger Vincent Neff nach wenigen Minuten. Ich hatte Django Django im letzten Jahr im Gebäude 9 gesehen und war mächtig angetan von dem psychodelisch angehauchten wummernden Synthiesongs der Band. Es hat damals ganz schön gescheppert und es war sehr tanzbar. Genauso wie an diesem frühen Abend. Django Django spielten auf der großen Heineken Bühne und es zog eine ganze Menge Party-Spanier dorthin. Mir war es für diese Uhrzeit ehrlich gesagt etwas zu viel Kifferei um mich herum. Ach ja, ich sollte vielleicht erwähnen, dass das Primavera ein Drogenproblem hat. Andauernd wird man gefragt, ob man nicht Koks oder andere Pillen kaufen möchte, und irgendeiner im Umkreis von fünf Metern hat immer einen Joint in der Hand oder erweiterte Pupillen und ein mildes Lächeln im Gesicht. Na, ist ja jeder alt genug und muss wissen, was er tut. Es ist halt manchmal nur nervig. Django Django spielten ein Set ohne Überraschungen und in bestmöglicher Manier. Es war ihr erster Primaveraauftritt und wenn ihr zweites Album nur annähernd so gut wird wie ihr Debüt, wird es nicht ihr letzter gewesen sein. „Life’s a beach“, hier direkt am Meer passte es gut.

Setlist:
01. Introduction
02. Hail Bop
03. Storm
04. Firewater
05. Waveforms
06. Love’s Dart
07. Skies over Cairo
08. Default
09. Life’s a beach
10. WOR
11. Silver Rays

The Breeders

Weiter zu den Breeders. Ehrlich gesagt erwartete ich von ihrem Auftritt nicht sonderlich viel. Oder anders, ich erwartete miesen Sound, schlecht vorbereitete Musiker und einen emotionslos kurzen Abriss des „Last splash“ Albums. Die Band um die Deal Schwestern ist derzeit auf Albumtour. Last splash, 1993 erschien, wird aktuell mit einer Sonderedition und begleitender Breeders Tour vermarktet. Und ich verstehe den ganzen Hype drüber nicht. Ist es denn nicht so, dass auf Last splash gerade mal zwei Hits („Cannonball“ und „Divine hammer“) und viele Längen enthalten sind? Mir fiel es schon seinerzeit schwer, das Album komplett durchzuhören. Ich weiß noch, wie ich immer zwischen „Cannonball“ und „Divine Hammer“, vielleicht auch noch „Saints“ hin und her skippte. Leider war dies beim Primaveraauftritt nicht möglich. Nachdem also „Cannonball“ bereits und logischerweise als zweites Stück gespielt werden musste, dauerte es sieben weitere Songs bis zum nächsten Kracher „Divine hammer“. Das ist das Schicksal von Albenkonzerten und fällt eben dann besonders auf, wenn ein Album nur wenige Reißer hat. Ansonsten aber war alles okay: Der Sound war überraschend gut und Kim Deal redselig und freundlich. Nach „Roi (reprise)“ wäre dann eigentlich Schluss gewesen und Last splash abgearbeitet. Aber 40 Minuten sind keine Stunde und so spielten sie noch „Safari“ und „Don’t call home“ von der Safari EP und „Head to Toe“ und „Shocker in Gloomtown“ (ein Rob Pollard Song) von der Head to Toe EP. Das war stimmig, umrahmen doch diese beiden EPs das Last splash Album zeitlich gesehen. Ergänz wurde alles um ein zweites Cover, „Happiness is a warm gun“, auch schon ewig alt. Nach dem Auftritt wurde mir nochmals sehr deutlich klar, dass die Breeders neben „Cannonball“ und „Divine Hammer“ wirklich keine anderen Hits hatten. Eine überschätzte Band. Aber Kim Deal ist toll!

Setlist:
01. New Year
02. Cannonball
03. Invisible Man
04. No Aloha
05. Roi
06. Do you love me now?
07. Flipside
08. I just wanna get along
09. Mad Lucas
10. Divine Hammer
11. S.O.S.
12. Hag
13. Saints
14. Drivin‘ On 9
15. Roi (Reprise)
16. Shocker in Gloomtown
17. Head To Toe
18. Happiness is a warm gun
19. Safari
20. Don’t call home

The Jesus and Mary Chain

Weiter im Grossbühnenhopping. Leidlich, leidlich, so waren an diesem Tag nur die beiden großen Bühnen unsere Ziele. Nach den Breeders sollten The Jesus and Mary Chain auf der circa anderthalb Kilometer entfernten Heineken Bühne für nette 80er Jahre Stimmung und Jugendmelancholie sorgen. The Jesus and Mary Chain war eines unserer lang herbeigesehnten Konzerterlebnisse und somit auch durchaus ein Hauptgrund, dieses Jahre erneut nach Barcelona zu fahren. Was soll ich über ein Konzert einer Band schreiben, von der ich alle Platten im Schrank stehen habe und auf die ich mich sehr freute. Es würde nur Gutes dabei herauskommen, ich würde kein Haar finden und wäre eh von allem sehr begeistert. Also spare ich mir Worte und füge nur an, dass zum eh schon wunderschönen „Just like honey“ die wunderbare Bilinda Butcher kurz vorbeischaute und den Refrain mithauchte. Das war die Steigerung von perfekt. In Würde gealtert, stellten wir nachher unisono fest. Oh ja, das, was The Jesus and Mary Chain boten, war nicht gut, es war herausragend schön. Auch wenn an der ein oder anderen Stelle etwas Lärm und Schrammeligkeit fehlte. Aber das muss ja nicht immer sein. Eine Frage bleibt jedoch weiter offen: Was mag Jim Reid 2013 dabei denken, wenn er Zeilen wie „I wanna die just like Jesus Christ, I wanna die just like JFK I wanna die in the USA“ (aus „Reverence“) singt. Vielleicht könnte das mal ein Journalist vorsichtig nachfragen.

Setlist:
01. Snakedriver
02. Head on
03. Far gone and out
04. Between Planets
05. Blues from a gun
06. Teenage Lust
07. Sidewalking
08. Cracking up
09. All things must pass
10. Some candy talking
11. Happy when it rains
12. Halfway to Crazy
13. Just like honey
14. Reverence
15. The hardest walk
16. Taste of Cindy
17. Never understand

James Blake

Und zurück zur Primavera Bühne, auf der James Blake spielen sollte. Noch so ein Konzert, auf das ich mich sehr freute. Bereits vor zwei Jahren sah ich den Briten auf diesem Festival, damals auf der etwas kleineren Pitchfork Bühne direkt am Meer. Und bereits damals war ich mächtig beeindruckt von den Livequalitäten. 2013 ist er einer der großen Namen des Festivals und zu recht ist es vor der Bühne gerammelt voll. Ich mag seinen dubbigen Bluespop, seine ruhigen, tanzbaren Sounds. Dass sie auch live funktionieren wusste ich, daher gingen wir kein Risiko und positionierten uns relativ nah vor der Bühne. Insgeheim hoffte ich auch darauf, dass es im Laufe seines Konzertes etwas leerer werden würde, weil doch direkt im Anschluss Blur auf der anderen Seite des Festivals auftreten sollten und somit sicherlich der ein oder andere etwas eher diesen Bühnenvorplatz verlassen wird. Stimmte!
James Blake kam mit einem Schlagzeuger und einem Gitarristen und bot ein gutes Konzert. Ich stand noch etwas unter dem Jesus and Mary Chain Einfluss, konnten mich aber im Laufe im Sets immer mehr auf die Synthies und diese ganz andere Art von Musik einlassen und komplett genießen.
Ich blieb bis zum Schluss, Blur waren mir in diesem Moment sehr egal. Zu fesselnd fand ich James Blake. Und da es bereits ein Uhr nachts durch war, war es auch wurscht. Die vorderen Bereiche sind eh schon alle besetzt, und ob ich nun in der Mitte oder im hinteren Drittel stehen sollte, macht den Kohl auch nicht fett. Da hörte ich doch lieber das schöne „Overgrown“ aus nächster Nähe und ich glaube, ich habe damit alles richtig gemacht.

Setlist:
01. Air & Lack Thereof
02. I never learnt to share
03. CMYK
04. I am sold
05. Our love comes back
06. Digital Lion
07. Unluck
08. Limit to your love
09. To the last
10. Klavierwerke
11. Overgrown
12. Voyeur
13. Retrograde

“Ola luna”. Damon Albarn begrüßte auch den entferntesten Konzertbeobachter. Nun, der Mond hinter uns war nicht viel weiter weg von der Hauptbühne als ich es war. Indirekt fühlte ich mich daher auch angesprochen. Puhh, es war voll. Aber wie naiv wäre der, der es nicht geahnt hätte. Natürlich wollten alle Blur sehen und natürlich waren auch (fast) alle vor der Heineken Bühne. Blur machten keine Gefangene und begannen direkt mit „Girls and Boys“. Gut so! Die Rolle rückwärts, die Graham Coxon in der Mitte des Songs machte, wurde von den beiden vor uns stehenden Briten in Fussballkommentatorenart. „Ahh, Coxon wieder.“
Obwohl die Sicht auf Bühne und eine der Leinwände okay waren, fühlte ich mich unbehaglich. Warum stehe ich hier eigentlich? Gibt es auf den anderen Bühnen nicht ein schöneres, dichteres Liveerlebnis? So wie hier kann ich Blur auch zuhause auf DVD sehen. Während der nächster Songs manifestierte sich meine Absicht, hier nicht alt zu werden. „There’s no other way“ und „Beetlebum” gab ich mir noch, dann machte ich mich auf den Weg zu einer der anderen Bühnen. Und erst jetzt bemerkte ich so richtig, wie voll es war. Bis fast nach hinten an den Getränkehangar standen die Leute und guckten in Richtung Bühne. Unglaublich.

Swans

Auf dem Weg zur Ray-ban, ich hatte mich mittlerweile für die Swans als Band der Stunde entschieden, kamen mir immer noch Leute entgegen und ich war der einzige, der ihnen entgegen kam. Fast hätte ich es nicht bis zu den Swans geschafft, einer junge Band mit Namen Sex Jams gelang es, meine Aufmerksamkeit zu erlangen. Ihre Sängerin Katarina Trenk sah aus wie Debbie Harry (Pluspunkt eins) und ihr Song klang wie eine Mischung aus Sonic Youth und Blondie (Pluspunkt zwei). Ich blieb für vier Lieder bei den Wienern stecken. Ach diese Österreicher, ich merk‘ die mir mal.
Bei den Swans war es gut gefüllt. Scheinbar war ich nicht der einzige Blur Verweigerer. Bei den Sex Jams waren circa 20 Menschen vor der adidas Bühne, die Swans zogen einige hundert mehr. So ließ ich den Abend mit lautem, zeitweise unstrukturiert anmutenden Gitarrenlärm ausklingen. Mehr weiß ich leider nicht mehr.
Wer sich für das Blur Konzert interessiert, findet hier alles in lesenswerter Form aufbereitet.

Multimedia:

 

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