Ort: Luxor, Köln
Vorband: Giantree

Wintersleep

Drei BMW seien umlackiert, sagte mein fünfjähriger Neffe am Samstagnachmittag zu mir, als ich ihn vom Fernseher abholte. Es lief das Qualifying zum DTM Rennen in Hockenheim und für meinen Neffen war es dringend notwendig, sich das anzuschauen. „Aha“, antwortete ich, weil ich mich in Autosachen so überhaupt gar nicht auskenne und sonst nichts antworten konnte. „Aha, und warum wurden die umlackiert?“ „Na weil doch jetzt eine neue Sasion beginnt und es andere Fahrer gibt.“ Als er mir dann noch sagte, dass das gerade kein Audi sei sondern ein BMW, war ich ganz schnell ganz still und lockte ihn wenig später nach draußen.
‚Du Schlaumeier, lass uns mal Fußball spielen.‘ Mein Neffe ist ein kleiner großer Autofan, aber Fußballspielen kann er nicht. Ich zwar auch nicht, aber für einen fünfjährigen Bengel reicht es noch so gerade. Fazit: Ausgleich in Sportdingen und alles in allem ein ruhiges entspanntes Wochenende.
Die passende Musik zum Wochenende wäre „Island in the sun“ oder irgendwas ähnlich fluffig, seichtes, leichtes. „Califorina“ von Phantom Planet zum Beispiel.

Wie komme ich jetzt zu Wintersleep? Die Band aus Halifax ist nicht unbedingt bekannt für ihre Sommerhits, obwohl, vielleicht reichen die Sommer in Kanadas Provinz Nova Scotia nicht zu mehr Fluffigkeit und Leichtheit, so dass Wintersleep Songs Sommersongs sind und wir das nur nicht mitbekommen. Ich weiß es nicht, ich war noch nie dort und es ist jetzt ja auch nicht so, als ob Wintersleep die Miesepeter und Herbstgänger wären.

Wintersleep Songs sind getragen, reserviert zurückhaltend, stimmt. Aber ein bisschen Sonne scheint doch in ihnen. Vielleicht eher Herbstsonne als aggressive Frühlingssonne, aber Sonne.
Und ihre Songs sind großartig. Wintersleep sind jedoch eine dieser Bands, die gerne und völlig zu Unrecht unterschätzt werden. Sie machen tolle Songs, in der Musikpresse lese ich aber so gut wie nichts über sie. Dabei haben sie mit Welcome to the Night Sky und New Inheritors zwei wunderbare Alben geschrieben, und auch ihre neue Scheibe Hello hum finde ich wunderschön. Wobei ich glaube, dass ich der einzige mit dieser Meinung bin.
Ich habe Wintersleep bisher zweimal gesehen, das erste Mal hatte ich mir extra viel Zeit mitgenommen, um sie als erste von zwei Vorbands beim Editors Konzert im Palladium nicht zu verpassen. Damals hatten sie mich mit genau drei Songs gefangen: „Drunk on Aluminium“, „Murderer“, „Dead letter & the infinite yes“, die alle vom dritten Album Welcome tot he nichgt sky stammen.
„Dead letter & the infinite yes“ und “Drunk on Aluminium” spielen sie auch 2013 immer noch, was ich sehr gut finde, “Murderer“ steht bei dieser Tour jedoch nicht mehr auf ihrer Setlist. Aber das machte nichts, genug anderes tolles Zeugs haben sie ja.

Die Kanadier um Sänger Paul Murphy, Schlagzeuger Loel Campbell und Tim D’eon – die drei Kernmitglieder Wintersleeps – kann man sich jederzeit gefahrlos ansehen, dass unsere gemeinsame Meinung, als wir gegen halb elf das Luxor verlassen. So wie I like trains, 2:54, Beach House, Esben and the witch oder andere Bands und Musiker, deren Namen mir gerade leider nicht einfallen. Gute und stimmige Indiekost, unabhängig und losgelöst von aktuellen Platten, Hits oder Enttäuschungen.
Genau so waren Wintersleeps knappe 90 Minuten Konzert: Ein schönes Konzert ohne Enttäuschungen. Sie hatten zwar einige Längen, im Mittelteil um den folkiger Stampfer und ihren vermeidlich größten Smasher „Weightly ghost“ wurde es kurzzeitig dröge, aber auch viele Hits. Zu Beginn „In came the flood“ und „Resuscitate“ oder am sehr guten Setlistenende mit „Laser beams“, „Baltic“ und „Miasmal smoke & the yellow bellied freaks“, was sie auf famose Art und Weise in voller Länge über acht Minuten ausspielten. Die in der Zugabe gespielten „Drunk on Aluminium“ und „Oblivion“ vervollständigten die Hitparade.
Bei „Oblivion“ hatte ich nach langer Zeit mal wieder folgenden Gedanken: Bands spielen live ihre Songs oft schneller als auf Platte. Bei „Oblivion“ war das in den Gesangparts deutlich hörbar. Nicht, dass sich die Stimme von Paul Murphy überschlug, aber er spurtete beinahe durch die Textzeilen (also im Vergleich zur Studioaufnahme). Vielleicht fiel es mir aber auch nur auf, weil das gesamte Zusammenspiel beim letzten Song des Abends nicht recht passte. In der Summe klang „Oblivion“ …ähhh… interessant.
Aber das störte mich wenig, ich muss nicht die perfekte Livedarbietung haben. Ich geh ja nicht auf Jazzkonzerte. Im Gegenteil, zeigt nicht manchmal der konfuse und „anders als auf Platte“ klingende Konzertsong erst die wahre Schönheit und den wahren Charme einer Band? Ich erinnere nur an Pavement
Wintersleep waren an diesem Abend gut. Punkt. Aus.

Von der österreichischen Vorband Giantree haben wir nicht viel mitbekommen. Durch den relativ frühen Konzertbeginn von 20 Uhr (oh je, früher fand ich 20 Uhr immer sehr okay, heutzutage ist mir ein späterer Konzertanfang um einiges lieber) waren wir spät dran und da wir uns länger nicht gesehen hatten, waren Updategespräche spannender als die Musik. Dabei mag ich österreichische Bands irgendwie. Das, was wir mitbekamen, klang nach Manchester. Der Eindruck kann aber auch täuschen, wir hatten ihn zu Beginn ihres Auftritts. Ich muss nochmals nachhören…

Kontextkonzerte:
Wintersleep – Köln, 06.09.2010
Editors – Köln, 12.11.2009

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Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Schon komisch, aber irgendwie bekommen Wintersleep nicht die verdiente Anerkennung, da stimme ich dir zu. Hello Hum war ne geile Scheibe, vor allem Permanent Sigh und Nothing Is Anything Without You. Großartigst! Bin derzeit zwar Konzertmuffel, aber ich bereue es angesichts deiner Schilderung schon ein wenig, dass ich mir den Berlin-Gig habe entgehen lassen.

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