Ort: Dach des Museum Ludwig, Köln
Vorband: Mike Donovan

Scout Niblett

Konzerte in besonderer Umgebung machen doppelt Spaß. Seit ein oder zwei Jahren (vielleicht auch schon länger) gibt es sommertags in Köln Konzerte auf dem Museumsdach des Museums Ludwig, einem schönen, guten und wichtigen Museum mit feiner Pop-Art Ausstellung direkt am Dom. Und dieses Museum hat eine Dachterrasse, auf der besagte Konzerte der Reihe King Ludwig veranstaltet werden. letztes Jahr spielte hier u. a. Stephen Malkmus einen wunderbaren Auftritt, nächste ist Kim Gordon zu Gast und an diesem Sonntag eben Scout Niblett. King Ludwig ist dabei ein Namen mash-up aus dem Museum Ludwig und dem King Georg Klub, einer Kölner Bar / Club /Konzertort, in deren Kooperation die konzertreihe durchgeführt wird. Oder, wie ich gestern irgendwo las: der Booker der Konzerte des King Georg, Jan Lankish, zeigt auch für die Konzerte der Reihe King Ludwig verantwortlich.
Das man vom Dach des Museums einen guten Blick auf die Dachziegel der Südseite des Kölner Doms hat, ist selbstreden, und dass der Dom so einen gute Figur als Hintergrundkulisse der Bands abgibt, ebenso. Die kleine Bühne auf dem Museumsdach ist genauso platziert, dass der Dom im Hintergrund nie aus dem Auge des Zuschauers verschwindet. Leider müssen die Konzerte gegen 22 Uhr beendet sein, so dass der imposantere Blick auf den angestrahlten Dom während des Konzertes verwehrt bleibt. Das ergäbe sicherlich ein noch schöneres Gesamtbild, obwohl schön allein in diesem Fall auch so mehr als genug ist. Und das nächtliche Leuchtenspektakel kann anschließend noch der haben, der nach Konzertende noch ein halbes Stündchen auf dem Dach verweilt.
„Hast du nicht auch noch Lust zu kommen“, fragte ich am Tag zuvor, „es gibt bestimmt noch Tickets an der Abendkasse.“ „Wer spielt denn?“ „Scout Niblett.“ „Ist das nicht so eine Frau mit Gitarre?“ „Ja, aber es ist anders und Scout Niblett ist nicht sooo eine Frau mit Gitarre. Und du hast sie schon mal gesehen, beim ersten Primavera.“ „Nee, da war ich bestimmt wen anderes gucken.“ Ein typischer Dialog zwischen Personen mit leicht differierendem Musikgeschmack. Gut, mehr Angebote konnte ich nicht unterbreiten, um den abendlichen Konzertgang schmackhaft zu machen. Leider erwischte ich beim youtube- anklicksen auch just eine Songinterpretation der Engländern, die eher etwas nach Folk-Loop-Singersongwriter Kram klang, als ich es wollte und mein „ist nicht soo eine Frau mit Gitarre“ nicht gerade unterstrich.
Der Sonntag war wettertechnisch ein durchwachsener Tag und es schien lange nicht hundertprozentig klar zu sein, ob das Konzert wirklich auf der Dachterrasse stattfinden kann oder doch in das Museumskino verlegt werden muss. Die sms Informationen, die mich auf der Rückreise von Frankfurt erreichten, sprachen erst von „im Kino, ich halte einen Platz frei“ und dann von „wieder auf‘m Dach“. Letzteres wäre mir auch angenehmer. Zum einen ist Frischluft am Abend immer gut und zum anderen zwänge ich mich als Zuspätkommer sehr ungern durch belegte Sitzreihen, um zu einem freigehaltenen Platz zu gelangen.

Als ich gegen kurz nach acht um das Museum ging, hörte ich jedoch seicht Musik und da war mir klar, es ist das Dach. Bestätigt wurde ich an der nächsten Gebäudeecke. Die Schlange vor der Nebentür zum Treppenaufgang auf die Dachterrasse war nicht zu übersehen. Gut so und ebenso gut so, dass ich noch einigermaßen pünktlich in Köln ankam.
Der Tag war nämlich ein Ausflugstag in das nicht so weit entfernte Frankfurt. Ich kannte die Stadt noch nicht so genau und es bot sich die Gelegenheit, dies an diesem Sonntag einfach mal nachzuholen. Hochhäuser angucken gefällt mir, selbst wenn es nur fünf Stück sind. Und Museen sind eh toll, und so verbrachte ich erst den Nachmittag im Städel-Museum mit alten Meistern, bevor es abends aufs Museum ging. Also alles passend.
Scout Niblett kannte ich, ich hatte sie vor drei Jahren auf dem Primavera gesehen. Ich weiß noch, dass mich ihr damaliger Auftritt sehr beeindruckt hatte und ich angenehmst überrascht war von dem Lärm und den krachigen Songs, den die junge Frau alleine präsentierte. Seitdem steht Scout Niblett auf meinem Zettel. Seitdem hatte ich aber auch keine Gelegenheit mehr, sie live zu sehen. Als daher im Frühjahr ihre kleine Deutschlandtour angekündigt wurde und kurz darauf auch ihr Museumsbesuch feststand, stand für mich fest: Hingehpflicht. Auch wenn davor ein Ausflugstag liegt, der mich etwas abgeschlafft zurückließ. Das sollte doch egal sein.
Und so saß ich gegen halb neun auf einem Bierkasten vor einer Bühne und sah einer gutgelaunten Musikerin beim Gitarre stimmen zu. Da war vor dem Konzert. Ein paar Minuten später stand sie dann am Mikrofon und spielte die ersten Stücke ohne Bandbegleitung. Dass es eine Band geben würde, verriet der Bühnenaufbau. Es stand noch ein Schlagzeug herum und eine zweite Gitarre lungerte im Gitarrenständer. Nach zwei, drei Songs kamen dann auch die beiden Begleitmusiker hinzu. Die erste Amtshandlung des Schlagzeugers bestand darin, sich eine Zigarette anzuzünden um dann koordinativ beachtenswert die beiden Schlagzeugstöcke und die Kippe in den beiden Händen zu jonglieren. Waren die ersten beiden Songs noch etwa gemäßigt laut, wurde es jetzt, natürlich auch aufgrund er zwei Instrumente mehr, noch etwas lauter.
Scout Niblett ließ spätestens jetzt das Singersongwriter, das ihr tags zuvor noch unterstellt wurde, sie aber eh nie hatte, auch visuell hinter sich. Nun war eine Band auf der Bühne, die es ordentlich krachen ließ. Die Musikfachseite Wikipedia beschreibt das als „cites among her influences a number of grunge period bands, including Mudhoney, Sonic Youth and Nirvana, and in particular the guitar of Kurt Cobain;”. Na ja, ein bisschen was könnte dran sein.
Scout Niblett und Band spielten viel vom neuen Album „It‘s up to Emma“, kleiner Höhepunkt dabei das Duett mit dem Organisator Jan Lankisch, der zu „Scrubs“ die zweite Gesangsstimme übernahm. Das war lustig, dieses ungleiche Duo beim Singen zu beobachten; überhaupt war Scout Niblett sehr zum Lachen und Kieksen aufgelegt. Mitte des Konzertes reichten denn auch Schlagzeug und Gitarre nicht mehr aus, eine Violistin und ein Cellist komplettierten für einige Stücke die Band und unterlegten das Ganze mit einer orchestralen Gesamtstimmung. Das war toll und passte soweit hervorragend. Wie bisher alles passte.
‚Warum verlassen wir eigentlich die Bühne, wenn wir doch eh wissen, dass wir wieder zurückkommen?‘ Scout Niblett stellte die verbotene Frage über das obligatorische Zugaberitual. Zwei Songs obendrauf, darunter das schöne „Kiss, waren aber nicht genug. Noch einmal musste die Gute ihren Reiserucksack abschnallen und zur Gitarre greifen. Dann war aber endgültig Schluss, die Abmoderation ließ keine weiter Zugabe mehr zu (mit Hinweis auf die Uhrzeit) und bat uns nur noch, die Bierkästen hinten an der Wand zu stapeln, was wir sehr getan haben. Man hilft ja, wo man kann.
Den Wikipedia Artikel könnte ich noch um folgendes ergänzen: Und wenn sie allein auf der Bühne steht, klingt sie sanft nach PJ Harvey. Mach ich aber nicht!

Ob es die Veranstalter wohl schaffen, wenigstens zum Kim Gordon Konzert wieder diese tollen Konzertposter an den Start zu bringen. Das hellrosa farbene Stephen Malkmus Poster vom letzten Jahr könnte durchaus noch ein Pendant an der Wand vertragen.

Multimedia I:

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