Ort: Live Music Hall, Köln
Vorband: The Posies
1996. Nada Surf veröffentlichen ihr fulminantes Debütalbum High/Low. Als Produzent verpflichteten sie hierfür einen gewissen Rick Ocasek, den damaligen Hitproduzenten der Sparte Indiepop / College Rock schlechthin. Rick Ocasek produzierte unter anderem Weezer’s blaue und grüne Album, oder auch diverses Material von Guided by Voices).
In diesem Jahr feiert nach mathematischen Gesetzmäßigkeiten High/Low 20 jähriges Veröffentlichungsjubiläum. Eigentlich Grund genug für eine schöne Albumtour. Die wäre der Knaller, weil Nada Surf knappe 40 Minuten lang nur Hits spielen müssten. „Treehouse“, „Deeper Well“ oder „Popular“ – kennt ja jeder- wären dabei die Welthits unter den Hits. Mit „Popular“ wurden Nada Surf bekannt, das Video zu diesem teils gesprochenem Song ist die College Rock Video Blaupause schlechthin. Neben dem musikalischen Stil College rock geht es auch inhaltlich im weitesten Sinn um’s College und sehr amerikanisches jugendliches Teenagergehabe wie das Cheerleader Dasein, Schulmannschafts-Kapitän, etc.
The whole song, except for the chorus, are parts made up from the 1964 teen advice book Penny’s Guide to Teen-Age Charm and Popularity, written by television actress Gloria Winters. The excerpts are spoken in a sarcastic tone by Matthew Caws.
Matthew Caws ist der Sänger der Band Nada Surf. Zusammen mit Daniel Lorca und Ira Elliot bildet er seit jeher Nada Surf. Waren sie anfänglich nur zu dritt, so kamen spätestens mit dem vierten Album Gastmusiker hinzu, die die Band auch teils auf Tour unterstützten. Einer dieser Musiker ist der Calexico Trompeter Martin Wenk, der Nada Surf zur Albumtour von Lucky begleitete.
2016 haben Nada Surf einen anderen Gastmusiker die Gelegenheit zu drei Kurzeinsätzen gegeben: Ken Stringfellow sang bei drei Songs die zweite Stimme. Ken Stringfellow, der Sänger und Gitarrist der Power-Pop-Band The Posies. Oder auch von R.E.M., auf deren Welttouren er als Multiinstrumentalist mit dabei war und später auch ein paar Platten mit ihnen einspielte. Dass The Posies gleich das Vorprogramm bespielen, ist dabei nur allzu schlüssig und verständlich.
Um es gleich vorneweg zu schreiben: The Posies habe ich verpasst. Der Tag war arbeitsreich und an ein zeitiges Wegkommen bereits morgens um acht Uhr nicht zu denken. Als ich die Live Music Hall betrat waren Ken Stringfellow und Jon Auer bereits am abbauen. Ihr Auftritt schien nur eine knappe halbe Stunde gewährt zu haben, so spät war es nämlich noch nicht. Die Posies scheinen zu dieser Art von Bands zu gehören, auf die sich viele Indiehörer meiner Generation einigen zu können. Denn vor dem Konzert hörte ich von mehreren Seiten beeindruckende Sätze wie „Weißt du wer die Vorband ist?“ Nein, ich wusste es nicht. The Posies, das sagte mir überhaupt nichts, die Namen Ken Stringfellow und Jon Auer waren mir gänzlich unbekannt. Ist das eine Bildungslücke? Ich fürchte ja.
Die entscheidendere Frage, die mich anschließend beschäftigte war die, ob ich mit dem Verpassen der Posies auch den eigentlichen Höhepunkt des Konzertabends verpasst hatte. Denn – und da mache ich mir nichts vor – ein Nada Surf Konzert ist zwar jedes Mal ein gutes und unterhaltsames Konzert, aber es ist, wenn man die Band bereits ein paar Mal gesehen hat, keine Wow-Veranstaltung. ‘Kennst du ein Nada Surf Konzert, kennst du alle‘. Oder: ‘kennst du einen Nada Surf Song, kennst du alle.‘ Die Band bleibt sich treu. Größtenteils. Ihr Intervall ist der amerikanische Indiepop, oder früher College Rock genannt. Ihre Grenzen sind abgesteckt. Nada Surf machen keine Experimente in benachbarte Stilrichtungen, erfinden sich nicht mit jeder Platte neu. Jedes Album ist wie ein neues Modell eines VW Golfs: nicht weit weg vom Vorgängermodell aber immer irgendwie zeitgemäß schön. Sich treu bleiben, sagt man wohl dazu.
Seit Jahren veröffentlichen Nada Surf ab und an ein neues Alben, doch nach The Weight is a gift habe ich mich vom Platten kaufen und Songs hören verabschiedet. Ich kenne also viele Songs, die sie an diesem Abend spielen, nicht. Oder eben doch. ‘Kennst du einen Nada Surf Song, kennst du alle. ‘
Matthew Caws schreibt schöne Songs mit tollen Melodien. Und das immer nie zu wild, nie zu schmalzig, nie zu ruhig. Auf dem aktuellen Album You know who you are ist das nicht anders. „Cold to see clear“, „Believe you`re mine“, „Animal“ oder „Friend Hospital“ klingen nicht anders als Songs von vor 14 Jahren. Vielleicht ein bisschen gesetzter, vielleicht etwas älter.
So recht scheint die Band, die live um den Gitarristen Doug Gillard komplettiert wird, nicht mehr zu ziehen. Die Live Music Hall ist vielleicht zur Hälfte gefüllt. Der Fluch der Gleichförmigkeit? Der Fluch der altbackenen Musik? Und wie groß sind Nada Surf eigentlich noch?
Ich habe keine Ahnung und kann es nicht einschätzen. Mir fiel nur auf, dass die Band überwiegend den alten Fanstamm gehalten hat, aber keine neuen Fans mehr hinzugewinnt. Man kennt sich halt, irgendwie. Nicht nur die Band ist älter geworden. Und man weiß, was man erwarten darf und man weiß, was man bekommt. Und so hält sich alles im überschaubaren Rahmen. Keine übertriebenen Bühnenaktionen, kein übertriebenes Getanze im Publikum, kein zu übertriebener Jubel. Alles ist irgendwie schön und nett und gemütlich. Im guten Sinne.
Ich habe nichts gegen solche Konzertabende, manchmal suche ich sie mir ganz bewusst aus. Und dann genieße ich sie. Freue mich auf und über Songs, die ich lange nicht gehört habe, über alte Lieblingslieder und alte Indiehelden, die unaufgeregt und sich ihrer Position bewusst ein souveränes Konzert spielen.
Die alten Lieblingslieder an diesem Abend waren natürlich „Popular“, und natürlich „ Happy Kid“ und natürlich „Always love“. Den ersten gab es nach ein, zwei Songs mit „Weightless“. Es war der erste Song, den ich wirklich kannte und bereits zu diesem Zeitpunkt war ich zufrieden mit dem Konzert. Die neueren Stücke zuvor passten gut, gerade der Eröffnungssong „Cold to see clear“ gefiel mir außerordentlich. Auch wenn es zu Beginn noch ein kleines gesangliches Manko gab und Matthew Caws‚ markante helle Stimme nicht die richtigen Töne treffen wollte. Nach ein paar Minuten war aber alles in Butter, die Stimme eingepegelt.
Zum aktuellen Album You know who you are brauchte Matthew Caws ein bisschen Input von außen, wie er erzählte. Daher fragte er Ken Stringfellow, ob er nicht etwas mit dem einen oder anderen Song von You know who you are machen wolle. Die beiden schienen sich zu kennen. Musikerfreunde oder -kollegen oder so.
Dieser wollte und entschied sich dafür, einfach ein paar Hintergrundgesänge einzuspielen und den Songs hinzuzugeben. Auf Platte, und eben auch live. The Posies waren daher nicht nur die Vorband, sondern Ken Stringfellow auch die zweite Gesangsstimme bei drei Nada Surf Songs. Ob das nötig war; ich hörte die zweite Stimme eigentlich kaum, lustig war es auf alle Fälle. Ken Stringfellow scheint ein spaßiger Mensch zu sein, bei jedem seiner Kurzauftritte hatte er einen flapsigen Satz im Gepäck. Gerne hätte ich ihn öfter auf der Bühne gesehen, auch weil der Roadie, der jedes Mal das Mikrofon in der Bühnenmitte platzierte, mich so sehr an Klaus Meine erinnerte.
Da Nada Surf Songs – wie schon erwähnt – in einem bestimmten Intervall liegen, verläuft das Konzert enorm harmonisch. Es gibt keinerlei musikalische Ausreißer, keine ‚wilden‘ Gitarrensoli, keine ‚aufregenden‘ Gesangskurven, keine ‚spektakulären‘ Instrumente. Hach, irgendwie passte alles zusammen und hach, irgendwie waren es schöne Konzertminuten, die ich vor der Bühne erlebte.
Ich vermag es nicht zu sagen, wann ich zum ersten Mal ein bisschen betrübt auf die Uhr blickte. Eigentlich nach jedem Song ab einer Stunde Spielzeit befürchtete ich das Konzertende. Aber so schnell ließen sich Nada Surf nicht bitten, erst nach gut 90 Minuten gingen sie zum ersten Mal. Um zur Zugabe wiederzukommen. Und die setzte dem Ganzen einen drauf: „Popular”, „Happy kid”,”Always love”, “Blanket years”.
Wer solche Songs mal eben aus dem Ärmel schütteln kann, dem gehört mein Respekt.
Ein Wohlfühlkonzert.
Kontextkonzert:
Nada Surf – Weissenhäuser Strand, 12.11.2011