Ort: Gebäude 9, Köln
Vorband: Merō

Other lives

Ein gern genommener Jahresvorsatz ist dieser: du sollst die Feste feiern, wie sie fallen. Das sagt auch der Rheinländer zum Karneval, egal ob der Festzug nun am Rosenmontag im Februar oder – wie in meinem Wohn- und Lebensort – mitten in der Fastenzeit im März stattfindet.
Ich muss die Feste feiern, wie sie fallen bzw. Konzerte besuchen, wenn sie stattfinden. Das sagte ich mir am Samstagabend, als ich kurzentschlossen die Other lives besuchte. Ich war irgendwie gerade eh in der Stadt und so bot es sich an, einen kurzen Zwischenstopp im Gebäude 9 anzuhängen.
Other lives; da war doch schon mal was mit uns. Unsicher ob des Zeitpunktes und des Ortes recherchierte ich nach und merkte, dass sich Ereignisse doch wiederholen. Vor drei Jahren in München war es ein identischer Antrieb, der mich in das Other lives Konzert fallen ließ: Langeweile und kein Alternativprogramm.
Und so stand ich um kurz vor neun im Gebäude 9. Die Vorband Merō lärmte sich gerade durch ihren letzten Song. Dreampop und Shoegaze, so die Parameter, die ich heraushöre, als ich mich für das Other lives Konzert akklimatisiere. Wie ich später sehen sollte, war die Sängerin Mel Guerison auch Violinistin bei der Hauptband. Jesse Tabish stellte sie in einer der Songpausen vor. Sie sei erst seit drei Tagen bei der Band und hätte in dieser kurzen Zeit alle Songs gelernt. Scheinbar ist Mel Guerison die Aushilfsviolinistin für diese Tour.
So betsand die Band live aus fünf Musikern, die Kerngruppe von Other lives bilden neben Jesse Tabish noch Jonathon Mooney und Josh Onstott. Um diese drei rankt sich alles, sie haben eine Armada von Instrumenten ums ich herum aufgebaut.

Musikalisch sind Other lives viel weniger Folk als ich befürchtet hatte. Noch kurz vor Konzertbeginn wurde mir etwas komisch im Magen, als ich das Banjo und die beiden Geigen unter den Bühneninstrumenten entdeckte. Doch die Streichinstrumente waren toll und das Banjo nahm ich gefühlt gar nicht wahr. Nein, musikalisch haben mich Other lives positiv überrascht. Scheinbar ist ihr aktuelles Album – und damit auch ihr aktueller Sound – viel weniger Folkrockpop als früher. Seinerzeit, also vor drei, vier Jahren, steckte ich sie in die Fleet Foxes, Bon Iver, Midlake und andere Bartträger-Bands Kiste. Heraus kamen Other lives da nie, in meinem Musikgedächtnis hatten sie den Stempel Folk inne.
Diese Gedanken gingen mir durch den Kopf, als ich auf die BAnd wartete. Der Newsfeed der sozialen Meiden war durchgelesen, die aktuellen Fussballergebnisse und Berichte gecheckt, aber dennoch blieb Zeit, rumzuträumen. Die Umbaupause, in der übrigens herrlicher Classic Rock lief, war lang. Und vielleicht auch für die Band länger als gedacht. Denn scheinbar gab es Probleme mit der rechten Monitorbox. Minutenlang knieten Jonathon Mooney, der nicht nur der Multiinstrumentalist der Band ist, sondern auch sowas wie der Haustechniker zu sein scheint, und ein Roadie vor der Box, machten und taten und es dauerte, bis das Ding ans Laufen kam.
Doch wie immer ist das nervige Warten just in dem Moment vorbei, wenn die Band die Bühne betritt. Und damit auch von jetzt auf gleich meine Bedenken hinsichtlich der Musik große Quatschgedanken. Wie auch immer und warum auch immer fühlte ich mich von den ersten Minuten an gut aufgehoben in den schönen und poppigen Songs. Ich kenne weder die ersten beiden Alben Tamer Animals und Other lives noch das aktuelle Rituals, trotzdem klang mir vieles sehr vertraut. Und mir gefiel, was ich hörte. Das Konzert nahm mächtig fahrt auf, trotz weiterhin bestehender kleiner technischer Probleme, ein, zwei Mal mussten Arbeiten an Boxen, Kabeln und anderem durchgeführt werden, die Jesse Tabish mit dem üblichen Ich-weiss-nicht-was-ich-sagen-soll-damit-es-nicht-ganz-ruhig-im-Saal- ist überbrückte. Vielleichte sollte man einfach Musik vom Band einspielen, als sein gefährliches Halbwissen über Maler der Stadt (Gerhard Richter) und Vorlieben für andere Städte zu präsentieren. Obwohl, das wäre nur halb so lustig, also ruhig und viel lieber unnützes Gequatsche. Was da nicht alles für Gerätschaften rumstanden. Noch nie erschien mir die Bühne des Gebäudes 9 gefühlt so klein. Jeder der drei Musiker hatte Unmengen an Instrumenten. Besonders Jonathon Mooney faszinierte mich, wenn er in fließenden Übergängen die Trompete, Gitarre, Violine oder das Keyboard bediente. Das war eine konzentrierte Höchstleistung, die er und alle anderen Musiker da auf der Bühne verbrachten. Soundtechnisch alles picobello. Also nach dem beheben der technischen Problemchen.
Nach einer Stunde war die Messe gelesen. Zur Zugabe eine Überraschung: „Something in the way“. Beim letzten Liveauftritt, den ich von Other lives sah, coverten sie „Now I wanna sniff some glue“ von den Ramones. An diesem Abend nun Nirvana. Beide großartig ausgesucht und hervorragend gespielt.

Ich habe von diesem Konzert nichts erwartet. Zu gleichgültig stand ich Other lives gegenüber, zu unbekannt war mir ihre aktuelle Musik. Dass es dann ein so unterhaltsamer Abend werden würde, überrascht mich selbst ein wenig. Vielleicht ist es ganz gut, auch mal Bands am Rand des eigenen Musikgeschmacks eine Livechance zu geben.
Dann ging es raus in den Abend. Im Auto wartete Ellie Golding. Nach dem Konzert ist vor dem Konzert. Ellie Golding spielt am Freitag, doch bis dahin passiert noch viel anderes.

Kontextkonzert:
Other lives – München, 25.07.2012 // Feierwerk

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