Ort: Ancienne Belgique, Brüssel
Vorband: Farida Amadou

Cat Power - Köln, 04.06.2008

Unterwegs. Zwangsaufenthalt Köln-Süd. Ein ICE darf einen Güterzug überholen, daher müssen wir, sprich die Regionalbahn, im Bahnhof warten. Aber gleich – in wenigen Minuten – soll es weitergehen. Sagt zumindest der Zugleiter via Mikrofon. Soviel Informationen in einem Wagen der Bahn AG machen Angst. Dauert es doch länger? Ist dies der erste Schritt zur Fahrgastberuhigung? Ich lausche den Gesprächen im Viererblock hinter mir. Es geht um Studienfahrten nach Rom und Urlaube in Barcelona. ‚Ich bin zum ersten Mal mit 19 oder 20 Jahren geflogen. Nach Rom‘, sagt die weibliche Stimme. ‚Cool‘, entgegnet die männliche Stimme,’ich war noch nie in Rom. Bin aber mit 17 Jahren das erste Mal geflogen. Das war ein aufregendes Gefühl.‘ Männliche Einschmeicheltaktik der Generation Billigflieger. Ich überlege kurz, mein erster Flug war mit 28 Jahren, und dann auch noch umweltpolitisch inkorrekt innerdeutsch. Es geht weiter, der Zug rollt. In Köln-West steigen die beiden Stimmen und ich aus.
Gegen 20 Uhr erreiche ich die Live Music Hall. Klappte ja ganz gut! Natürlich ist es vor der Bühne unerträglich! Eine Luft zum schneiden, dabei spielt die Vorband gerademal 10 Minuten. Ich habe hier einiges über sie gelesen. Bin also nicht vorurteilsfrei. ‚Ist das jetzt gut?‘ überlege ich, während der Compi auf der Bühne Elektrobeats ausspuckt, die gar nicht so schlecht zusammengestellt wirken, während die weibliche Hälfte des Duos dazu singt. (Naja, sie versucht es zumindest.) das Duo nennt sich Appaloosa, kommt aus Frankreich und setzt sich zusammen aus Sängerin Anne-Laure und Max Krefeld. In guten Momenten erinnern sie ein bischen an die frühen Intastella, diese 90er Jahre Band aus England mit dieser einen guten Single „Dream some paradise“.
Aber singen kann Anne-Laure nun wirklich nicht richtig, da hat Oliver schon recht. Aber vielleicht will sie das auch gar nicht können. Sei es drum, den Bonus einer englisch singenden / sprechenden Französin kann sie voll verbuchen (das klingt immer sehr lustig, so ohne h und mit schönem französischen Akzent, höre auch Soko) und die Sounds sind so schlecht nicht.
Man munkelt, dass sie nur hier stehen darf, weil sie eine Freundin von Chan Marshall sei. Sie und ihre Bandkollegen von der Dirty Delta Blues Band betreten nach einer überschaubaren Umbaupause gegen 21 Uhr die Bühne. Natürlich ist es mittlerweile noch wärmer, die LMH hat sich gut gefüllt. Meine Entscheidung, mich rechts vor der Bühne zu positionieren, ist die richtige, denn während der Umbaupause wurde die Seitentür geöffnet und so kam wenigstens noch ein bischen frische Luft herein.
Chan ist die Nervosität deutlich anzusehen. Sie weiss nicht wohin mit ihrer linken Hand, versucht immer wieder ihren Daumen in der hinteren Hosentasche einzuhaken oder die Hand vorne in die Tasche zu stecken. Beides scheint ihr aber nicht voll und ganz zu behagen, so wechselt es immer hin und her. Nach den ersten zwei, drei Liedern hatte sie sich aklimatisiert.
Die Band spielt viel vom letzten Album. Genau wie die Vorgruppe steht auch die Band unter verschärfter Beobachtung. Sind sie wirklich so verschnarcht gelangweilt wie ich gelesen habe? Also, der Keyboarder wirkt fidel, ist mit Abstand der jüngste der vier und würde jeden Rod Stewart Frisur look-a-like Wettbewerb gewinnen. Sein Keyboard/ Klavier ist links auf der Bühne aufgebaut. Die anderen drei stehen im hinteren Bühnenbereich. Sie wirken wie typische Tourbegleitmusiker, die mit der eigentlichen Show nichts zu tun haben wollen. Abseits der Lichtkegel verrichten sie ihre Arbeit. Solide, aber ohne grosses Aufsehen.
Aufsehen erweckt Chan, und dreimal auch der Keyboarder. Einmal übernimmt er im Refrain den zweiten Gesangspart, einmal tanzt er leicht mit der Rassel in der Hand über die Bühne und irgendwannmal im Mittelteil der Show bekommt er von Chan Cola und eine Zigarrette gereicht. Letztere wanderte dann noch in die Hände des Publikums.
Sonst drehte sich alles um Chan. Klar, sie ist Cat Power. Sie bestimmt den Weg. Und der führt heute über all die Coversongs, die auf dem letzten Album zu finden sind. Das Konzert beginnt ruhig. Es herrscht eine gelassene und wohlwollende Stimmung. Die Hitze schlägt allen ins Gesicht. Chan scheint das nicht sehr zu stören. Mit Shirt, langer Skinny-Hose und weissen Lederschuhen bekleidet trägt sie auch alles andere als ein Sommeroutfit. Die Musik passt gut zu den Temperaturen. man muss sich nicht allzu viel dazu bewegen, kann einfach nur da stehen und zuhören.
Der erste ganz grosse Moment dann, als „Metal Heart“ erklingt. Gänsehautschauer bei gefühlten 30 Grad. wie geht das physikalisch, so ganz ohne frieren?
Nach einer Stunde verschwindet Chan kurz hinter der Bühne. Sie braucht wohl ne Pause. Die Musiker jammen derzeit als Pausenfüller auf der Bühne weiter. Das Publikum bleibt ruhig. Irgendwie glaubt keiner, dass das Konzert jetzt schon zu Ende ist. Stimmt auch, nach fünf Minuten taucht Chan wieder auf. Es soll noch eine Stunde weitergehen bis zum regularen Konzertende.
So langsam wird es einigen dann doch zu unerträglich. Die Reihen vorne lichten sich ein wenig. Der Flüssigkeitshaushalt bedarf einer Ausgleichung. Auch ich verziehe mich Richtung Theke, erst hier hinten merke ich, dass es vorne so richtig warm war. Leider gehe ich zwei Lieder zu früh. Jetzt werden die obligatorischen Blumen ins Publikum geworfen.
So schön der Auftritt gestern Abend auch war. Die grosse Bühne, die Band, das irritierte. Ich dachte kurz an den letzten Auftritt zurück, den im Gebäude 9 im Jahr 2003. Der war zwar chaotisch, dauert ewig lang, wirkte aber durch die Verwirrtheit auf mich authentischer und besser zur zerbrechlichen Musik Cat Powers passend als die grosse Live Music Hall. Aber vielleicht ist das nur mein subjektiver Eindruck. Und diesmal wurden ja auch kaum eigene Songs gespielt, und die Coverversionen sind doch eine andere Kategorie als die You are free Sachen und älteren Stücke.
Es war ein schönes Konzert. Ich hatte im Vorfeld schlimmeres befürchtet.

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