Ort: Feierwerk – Kranhalle, München
Vorband: Cate’s Leila

Same, same but different.
Konzertbesuche auf Dienstreisen. Da gibt es immer viel zu erzählen. Neue Klubs, andere Leute, keine etablierten und tausendmal gefahrene Anfahrtswege. Konzertbesuche an fremden Orten in anderen Städten sind kleine Erlebnisse mit hohem Unterhaltungswert und mittlerweile meine liebsten Konzerte. Und so gibt es zum Other lives Konzert im Münchener Feierwerk gleich drei Geschichten und ich fürchte, ich komme nicht umher, sie alle zu erzählen.
Geschichte 1:
Auf Dienstreisen sind die Tage wohl organisiert. Die Zeitpläne der Besprechungen, Schulungen oder Konferenzen bestimmen die Abläufe bis 17 – 18 Uhr. Erst danach wird es schwierig. Manchmal gibt es sogenannte social events, an denen die ganze Teilnehmerbande zu einem gemeinsamen Abendessen gebeten wird. Social events können lustig sein, meistens sind sie jedoch dröge. Allerdings kommt man aus dieser Nummer nur selten raus, wohl oder übel richtet man sich daher einen Abend ein. An den übrigen Abenden jedoch ist man mehr oder weniger sich selbst überlassen. Juhu, Freizeit. Aber was tun? Die Stadt erkunden, im Hotel die Zeit totschlagen oder sich mit Bekannten verabreden – sofern es denn welche in der Fremde gibt. In München war ich dieses Jahr schon drei Mal, die Stadt erkunden ist daher nicht zwingend notwendig. Also schaute ich im Vorfeld, ob sich nicht ein nettes Konzert auftuen möge, das mir die Zeit am Abend etwas vertreiben könne. Ich fand als einzig interessante Möglichkeit das Other lives Konzert im Feierwerk. Nun gut, besser als nichts, so plante ich es ein. Other lives sind nicht unbedingt eine must-see Band von mir, das sollte ich vorwegschicken, allerdings war meine Neugierde groß genug, sie sehen zu wollen. Dass Neugierde nicht nur Katzen tötet, sondern auch gut und richtig sein kann, sollte ich drei Stunden später mit großer Zufriedenheit feststellen. Das Other lives Konzert brachte mir einen wundervoller Abend!

Geschichte 2:
Ich erwischte die U-Bahn auf den letzten Drücker. Einmal umsteigen am HBF und ich sollte das Feierwerk erreichen. Den Klub kannte ich noch vom Mai, das Mudhoney Konzert fand an gleicher Stelle statt. Auf der Fahrt zum Hauptbahnhof teilte ich den Viererblock mit einem amerikanischen Touristenpaar. Man erkennt sie ja sofort: New Balance Freizeitschuhe, Sportrucksäcke und weite, leichte Ausflugskleidung. Die Frau schien erkältet zu sein, sie studierte intensiv den Beipackzettel einer Flasche Hustenlöser. Soweit, so unspektakulär. Lustig wurde die Geschichte erst, als sie den Beipackzettel zurücklegte und skeptisch dreinblickend zu ihrem Mann sagte: „Das ist deutscher Hustensaft. Der schmeckt bestimmt eklig und bitter.“ Genau, Hustensaft in Marshmallow Geschmacksrichtung haben wir nicht. Unsere Medizin schmeckt nach Medizin, auch die rezeptfreie. „Leckere Medizin hilft auch nicht“ hätte ich am liebsten geantwortet, aber leider musste ich umsteigen.

Geschichte 3:
Um pünktlich im Feierwerk zu sein, sollte ich mich sputen. Welche Linie war das noch? Linie 4? Also rein in die Bahn. Nach zwei Stationen stellte ich fest, dass ich zwar in der richtigen U-Bahnlinie stand, aber in die falsche Richtung fuhr. Also wieder raus und retour. Jetzt passte es. Die nächste Frage jedoch ließ nicht lange auf sich warten: Schwanthaler Höhe muss ich raus, oder? Ich stieg aus, die Station kam mir jedoch unbekannt vor. (Ich bilde mir ein, Orte direkt wiederzuerkennen, auch wenn ich sie nur einmal vorher besucht hatte.) Als ich die U-Bahnstation verließ, war klar, ich bin eine Station zu früh ausgestiegen. Also wieder rein in die U-Bahn und eine Station weiter. Jetzt war ich richtig. Ich entdeckte die Straßenüberführung und marschierte den Rest zu Fuß.

Als ich im Feierwerk ankam, spielte die Vorband bereits. Auf der Bühne erblickte ich eine Frau und einen Mann. Die Frau saß an einem Klavier, der Mann spielte Gitarre. Die drei Songs, die ich von ihnen mitbekam, gefielen mir. Teilweise erinnerten sie mich an eine unplugged Variante der von mir sehr geschätzten Band Hundreds. Im Vordergrund stehender Gesang mit schönen, spärlich und zurückhaltenden Melodien im Hintergrund. Wie die beiden hießen, erfuhr ich zwei Stunden später, als der Other lives Sänger sich bei der Vorband für die Unterstützung bedankte. „Cathy“, verstand ich, in der U-Bahn ließ mich lastfm wissen: Cate’s Leila war der korrekte Name. Das Duo sollte ich mir merken, Cate Martin (Klavier, Gesang) und Micha Holland (Kontrabass, E – Bass, Gesang) sind zusammen Cate´s Leila, ihr Debütalbum „How the ligh gets in“ kommt bald.
Other lives kannte ich nur aus einem Video. In der Vorbereitung zum Primavera Festival hörte ich mir „Dark horse“ an und entschied, sie mir nicht auf dem Festival anzuschauen. Das Video reichte nicht aus um neugierig zu werden, überdies ließ es das andere Bühnenprogramm nicht zu, mir Other lives anzusehen. Ich hätte Wichtigeres verpasst.
In dieser Woche war das anders. Ich verpasste nichts und angefixt durch die Nachfrage, ob ich nicht mit zum Kölner Konzert kommen würde, entschied ich mich für’s neugierig-sein.
Gänzlich ohne Erwartungen stand ich in der Kranhalle, als die Band die Bühne betrat. Der Sänger signierte ein paar Platten, die ihm aus der ersten entgegengehalten wurden, und dann … begann es noch nicht. Die Situation war verwirrend, die Pausenmusik ging aus und auch die übrigen Musiker kamen nach und nach auf die Bühne und schnallten sich ihre Instrumente um. Aber vor dem Konzert stand der Soundcheck, und dieser wurde nun von Other lives durchgeführt. Der lokale Tonmann bemerkte dies auch und wir hörten wieder Pavement und PJ Harvey. Bereits hier machten die Amerikaner einen gutgelaunten und spielfreudigen Eindruck. Nach einer schnellen Viertelstunde Mikrofone und Steckverbindungen testen ging es mit dem Konzert los. Ich war sehr gespannt, wie mir ihre Musik gefallen würde, sympathisch waren Other lives mir zu diesem Zeitpunkt schon allemal. Grundskeptisch hörte ich mir die ersten Songs an, als Folkrockverweigerer entdeckte ich natürlich scheußliche Momente mit Westerntrompete und squaredance-esken Melodien.
Aber schnell merkte ich auch, das Other lives mehr können. Und dieses ‚mehr‘ begeisterte mich. Es waren die lauten Augenblicke, in denen es rockig und interessant wurde, auch weil – wie Christoph schon richtig feststellte – Jesse Tabish Stimme phasenweise sehr nach Paul Banks klang und mir dann sofort Interpol in den Sinn kamen. Das passte musikalisch zwar überhaupt nicht, aber gerade dieser Irrwitz machte den Other lives Auftritt so bemerkenswert. Zwei sehr unterschiedliche Bands, die nun doch irgendwie zusammenkommen und auch zusammen passten. Pluspunkt Nummer zwei. Spätestens ab diesem Zeitpunkt hatten Other lives gewonnen. Daran konnte auch das mit üblen Westerngaloppsound durchsetzte „For 12“ nichts ändern oder die Zugabe „Dusk bowl II“, ein übler Folkrockstampfer. Zu stark waren die tollen Songs. „Dark horse“ (live mochte ich es viel mehr als im Video), das sich in ein acht Minuten Ding ausuferte, indem es in „Landforms“ überging, oder „Weather“ oder „Take us alive“.

Nach den gespielten zwei Zugaben wäre das Konzert eigentlich vorbei, erklärte uns Jon Mooney, als sie erneut auf die Bühne zurückkamen. Das sei der Other lives Konzert-Masterplan 2012, der nur eine bestimmte Anzahl an Songs zuließ. „Wir sind nicht im Training. Wir touren bereits so lange und spielen immer nur diese Songs, da haben wir unsere anderen vergessen.“ Trotzdem wollten sie uns noch nicht entlassen, zu sehr gefiel ihnen der Abend, das Feierwerk und das Publikum. So entschieden sie sich, eine Coverversion zu spielen: „Now I wanna sniff some glue“ von den Ramones. Other live würden es in einer Burt Bacharach Version spielen, versprach Gitarrist und Trompeter Jon Mooney und die Band hielt das Versprechen. „Sniff some glue“ im Easy listening Mantel. Großartig! Das i-Tüpfelchen auf den Abend. Das perfekte Finale, das mich mit einem guten Gefühl zurück ins Hotel schickte.
Oh ja, überzeugt. Other lives sind eine tolle Liveband. Ihre Alben kaufe ich mir dennoch nicht; dieses gute Konzert möchte ich mir nicht vermiesen.

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