Ort: Lanxess Arena, Köln
Vorband: DeeJay Reborn

Lauryn Hill - Köln, 16.10.2024

Bereits im letzten Jahr spielte ich mit dem Gedanken, mir ein Lauryn Hill / The Fugees Doppelkonzert anzusehen. Im Rahmen ihrer The Miseducation Anniversary Tour zum 25jährigen Bestehen ihres einzigen Soloalbums stand auch ein Termin in der Rockhal in Luxemburg auf dem Tourplan. Die Tour fiel dann jedoch wegen gesundheitlicher Probleme aus, bzw. der Termin in der Rockhal und weitere Termine wurden abgesagt. Ich nahm das so nebenbei hin und nebenbei bemerkte ich dann auch im Frühjahr, dass Nachholtermine angesetzt wurden. Das Motto dieses Mal: The Celebration Continues: The Miseducation Anniversary Tour 2024. Wieder sind Doppel-Headliner Konzerte angedacht, natürlich wieder mit den Fugees. Einziger Unterschied zu 2023: Im 2024er Konzertangebot ist kein Luxemburger Termin zu finden. Doch egal, denn – und das macht die Sache viel besser – dieses Mal steht Köln im Tourplan. Und da ich in diesem Herbst Großkonzerten nicht abgeneigt gegenüberstehe, kaufte ich mir ein Ticket. Warum auch nicht?! Preislich lag es im okayen Bereich und Neugierde hatte ich auch. Braucht es mehr Zutaten für einen Konzertbesuch? Nein.
Dass mir das Konzert allerdings nicht super-super wichtig ist, ist andererseits auch klar. Würde es erneut abgesagt oder verschoben, es wäre okay. Der große Hip-Hop Fanboy bin ich ja nicht, ich bin nur interessierter Beobachter.

Auftakt feiert die Tournee am 9. August in Tampa. Es folgen US-Shows unter anderem in Atlanta, Dallas, Los Angeles sowie Termine in Irland, Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden, Belgien, Schweden und Deutschland. The Fugees werden bei allen Konzerten als Co-Headliner auftreten und YG Marley ist bei ausgewählten Terminen als Support dabei. Auf der Tour werden Tracks von „The Miseducation of Ms. Lauryn Hill“, „The Score“ und anderen zu hören sein.

livenation.de

Soweit die Ankündigung. Das wahre Leben ist dann doch komplizierter, als es sich liest. Und mir war das alles nicht bewusst. Zwei Tage vor dem Start wurden nämlich alle USA Slots der Tour abgesagt. Ein Grund sei wohl ein mäßiger Ticketverkauf, entnehme ich dem Internet. Vielleicht hängt es aber auch ein bisschen mit den Fugees internen Zankereien zusammen, denn erst vor einigen Wochen hat Rapper Pras Michél, neben Lauryn Hill und Wyclef Jean dritter Fugee, eine Klage gegen Lauryn Hill eingereicht. Kurz zusammengefasst: es geht um Geld. Bei laut.de lese ich dazu:

Sie soll ihre letzte Tour schlecht gemanagt und damit ihre beiden (früheren) Crew-Kollegen geschädigt haben. Zudem unterstellt er ihr, den Tour-Etat künstlich aufgeblasen, Gewinne in die eigene Tasche gewirtschaftet und lukrative Angebote für die Fugees eigenmächtig und aus ridikülen Gründen ausgeschlagen zu haben, beispielsweise ein Coachella-Angebot in Höhe von fünf Millionen US-Dollar. Hill sei beleidigt gewesen, dass die Gruppe auf den Plakaten unter No Doubt gelistet worden wäre.

Na ja, solche Sachen halt. Natürlich erzählt Lauryn Hill eine ganz andere Sicht auf die Dinge.

In einer Stellungnahme gegenüber Variety bezeichnet Lauryn Hill die Klage ihres Bandkollegen als „haltlos“ und „voller falscher Behauptungen und ungerechtfertigter Angriffe“. Sie wiederum behauptet, dass Pras Michel mehr als genug für die Tour bezahlt worden wäre und sie ihm angeblich sogar Geld geliehen hätte, das er bis heute nicht zurückgezahlt habe.

hiphop.de

Schnell wurde erklärt, dass die Europatermine nicht zur Diskussion stehen und dass die Konzerte wie geplant stattfinden werden. Also auch als Doppel-Headliner Show mit den Fugees. Aber sicherlich ohne einen Fugee.
All das las ich am Nachmittag vor dem Konzert. ‘Na bravo, dann ist ja hinter der Bühne schon mal gute Stimmung’, dachte ich. ‚Und die überträgt sich doch sicherlich auf die Show.‘ Ich erwartete daher für den Abend nicht viel Überschwängliches.
Das Konzert lief dann auch sehr routiniert an. Ein DJ legte ab halb acht ein paar Partyscheiben auf, bevor im Anschluss Lauryn Hills Tour DJane DeeJay Reborn für 45 Minuten ein ähnliches Programm ablieferte. Zwischendurch versichert sie mehrmals, dass Lauryn Hill bereits in der Halle sei, dass sie sich nun hinter dem Vorhang aufwärme und dass sie nun sehr bald auf die Bühne käme. Ich muss ihr glauben und warten. Das DJ Entertainment wird immer dröger und ist um kurz nach neun schon zeitlich einen Hauch drüber. Um mich herum werden die Leute ungeduldig. Immerhin scheint Deejay Reborn ihr Set landesspezifisch abgestimmt zu haben, sie spielt gar einen Peter Fox oder Seeed Song. In England oder Frankreich – wo weitere Konzerte der Tour stattfinden – macht sie das vermutlich nicht. 
Um zwanzig nach neun kommen dann immer mehr Musiker auf die Bühne. Insgesamt 13 hat Lauryn Hill um sich versammelt, die wenig später unter einem Baldachin zu ihrem Mikrofon geführt wird. Divenhaft ist sie also auch auf der Bühne. Was ich wusste ist, dass in einem ersten Teil des Konzertes Songs des Albums The Miseducation of Lauryn Hill performt werden und in einem zweiten Teil dann Fugees Sachen. Primär Tracks von The Score. Dazu kommt dann Wyclef Jean auf die Bühne. So der Ablaufplan. Pras Michél erwartet hier ernsthaft niemand.

Lauryn Hill startet direkt mit einem der Hits vom Album, „Everything is everything“. Es folgen vier weitere Songs von The Miseducation of Lauryn Hill, bevor ein erster Gast Rapper auf die Bühne kommt. Bis hierhin ist der Sound zwar ein wenig suboptimal, die Stimmen sind mal zu leise, mal zu laut ausgepegelt, aber das stört nur bedingt. Ich empfinde das Konzert als sehr kurzweilig. Leider bildet die große konkave Videoleinwand etwas unscharf die Kameraaufnahmen und Videoeinspielungen ab. Ein kleiner Wermutstropfen. Stimmungstechnisch ist das alles auch noch ausbaufähig, so richtig und überall in der Halle zündet The Miseducation of Lauryn Hill noch nicht. Die Lanxess Arena ist optisch gut ausgelastet, der Innenraum und die Sitzplätze sind voll. Allerdings bleibt der Oberrang verschlossen. Komplett ausverkauft ist das Konzert also bei weitem nicht.

Der Einfluss, den „The Miseducation of Lauryn Hill“ auf die Musik, Mode sowie die amerikanische und weltweite Kultur hatte, ist unermesslich und beeinflusst weiterhin die größten Künstlerinnen der Welt. Das 2015 in die Library of Congress aufgenommene, Diamant-zertifizierte Album von Lauryn Hill war das erste Hip-Hop-Album, das einen Grammy Award als Album des Jahres erhielt. Zudem war Lauryn Hill damit die erste Frau, die in einem Jahr für zehn Grammys nominiert wurde und fünf Grammys in einer Nacht gewann. Anfang des Jahres veröffentlichte Apple Music seine Liste der 100 besten Alben, in der das Solo-Werk von 1996 zum besten Album gekürt wurde und den Spitzenplatz vor Nirvana, Amy Winehouse, Michael Jackson und den Beatles einnahm.

Lanxess Arena Ankündigung

Zion Marley ist der erste Gast. Er performt zwei Songs, bevor Lauryn Hill wieder übernimmt. Drei Songs später betritt der zweite Marley die Bühne, Rapper YG Marley. Auch er rappt eigene Songs, in Summe drei Stück. Der Applaus ist wie zuvor bei Zion Marley höflich, aber definitiv nicht überschwänglich. Da ich mich in den Hill’schen und Marley’schen Familiendingen nicht auskenne, recherchiere ich nach: Joshua Omaru ‘YG’ Marley und Zion Marley sind die Söhne von Lauryn Hill und Rohan Marley, einem Sohn von Bob Marley. Okay. Jetzt weiß ich das auch.
Dann noch einmal The Miseducation of Lauryn Hill. Der zweite große Hit des Albums, „Doo wop (that thing)“, fehlt ja noch. Er bildet den Abschluss dieses ersten Blocks. Es ist um halb elf Uhr rum, als Lauryn Hill ihre musikalische Sozialisierung mit einem langen namedropping aufpimpt: von Nina Simone über die Temptations bis hin zu Stevie Wonder. Nahezu alles, was im Motown, Rhythm’n’Blues und Soul Rang und Namen hat, wird genannt. Irgendwann stoppt sie mit der Aufzählung und einer der vier bis fünf Keyboarder spielt die ersten markanten Pianotöne von „Doo wop (that thing)“. Es ist wie ein Startschuss. Zum ersten Mal an diesem Abend, so mein Eindruck, kocht der Innenraum richtig hoch.

Neun Songs von The Miseducation of Lauryn Hill hat die Lauryn Hill Crew damit gespielt. Ist das okay, ginge das nicht besser? Brauchte es wirklich ein über sechsminütiges (handgestoppt) Show Opening mit wiederkeherenden Videosequenzen? Brauchte es wirklich den Rapnachwuchs auf der Bühne? Ich weiß es nicht.

Die Band und Lauryn Hill nehmen die Stimmung mit. „Doo wop (that thing)“ geht nahtlos über in den anschließenden Fugees Block. Mit einem Mix aus „Maria, Maria“ (Santana’s „Maria, Maria“) und „Vocab“ mit Wyclef Jean an der Gitarre startet der zweite Teil des Konzerts. Ich habe den Eindruck, für viele geht das Konzert erst jetzt richtig los. Wyclef Jean ist daran sicherlich nicht ganz schuldlos. Er zieht das Tempo nochmal kräftig an, gibt durch seine Bühnenpräsenz dem Abend einen Extraschub. Die Stimmung ist nun so, wie ich sie eigentlich die ganze Zeit über erwartet hätte. Jetzt hat Lauryn Hill einen ebenbürtigen Rap-Kompagnon an ihrer Seite. Es ist so, als ob sich beide gegenseitig hochschaukeln und die ganze Band dabei mitreißen. Die Songs wirken nun zackiger und energischer, das ganze Konzert dynamischer. ‘Warum nicht gleich nicht so’, denke ich mehr als einmal.

Neben The Miseducation Of Lauryn Hill wird auch das Fugees Album The Score explizit auf den Tourplakaten erwähnt. Da finde ich es schon ein bisschen schade, dass die beiden nur sechs Songs von The Score spielen. Von The Miseducation Of Lauryn Hill waren es zuvor immerhin neun Songs. Albumkonzerte gehen anders, denke ich. Aber na gut, das ist ein bisschen jammern auf hohem Niveau. 

“Ready or not”?! Uhh la la laaa…

Wir wickeln Dich um den Finger wie’n Schneider Garn
Transportieren Dich besser als die deutsche Bundesbahn
In Orte, von denen Du nie glaubtest, dass es sie gibt
„Killing me softly“ mit einem Lied

(5 Sterne Deluxe)

Setlist:
01: Everything is everything
02: When it hurts so bad
03: Final hour
04: Lost ones
05: Ex-Factor
06: To Zion
07: Why won’t you stay
08: Best of me
09: In the sky
10: Nothing even matters
11: Can’t take my eyes off you
12: I used to love him
13: Forgive them father
14: Marching to freedom
15: Praise jah in the moonlight
16: Survival
17: Doo Wop (That thing)
18: Vocab
19: How many mics
20: Zealots
21: No woman, no cry
22: 911
23: Maria Maria
24: Guantanamera
25: Killing me softly with his song
26: Ready or not
27: Fu-Gee-La

Kontextkonzerte:

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