Ort: Bürgerhaus Stollwerck, Köln
Vorband: Horsey

King Krule KonzertPrimavera Sound Festival. Pitchfork Bühne. Ich nahm mir ein paar Minuten Zeit und hörte einem jungen Mann zu, dessen Stimme mich an Billy Bragg denken ließ und dessen Saxophonsequenzen mich auf undefinierbare Art und Weise beeindruckten. Der junge Mann – oder besser gesagt, der Teenager – nennt sich King Krule und spielte mit seiner Band einen Song namens „Dum Surfer“.
Es war dieses jazzig schräge Saxophonsolo gleich zu Beginn des Songs, das mich spontan begeisterte und mich eigentlich zum Bleiben aufforderte. Das Wörtchen ‘eigentlich‘ ist beim Primavera jedoch allgegenwärtig. Eigentlich wollte ich da hin, eigentlich wollte ich die sehen. So halt. Da ich mir King Krule vorher nicht allzu ausführlich angehört hatte und zeitgleich andere lukrative Sachen warteten, blieb es bei ein, zwei Blicken von den Treppenstufen des Übergangs hinab auf die Pitchfork Bühne. Hätte ich gewusst, was für eine coole Socke King Krule ist, wäre ich sicher etwas länger geblieben. Das mit der coolen Socke wurde mir erst nach dem Primavera so richtig klar, als ich ein paar Videomitschnitte auf youtube entdeckte. Ach, und wieder alles falsch gemacht! Vielleicht sollte ich zukünftig a) mich doch besser vorbereiten und b) einfach mal da bleiben, wo viele Menschen vor einer Bühne stehen. Der Geschmack des Massenschwarms ist zwar oft nicht meiner, aber manchmal ist es vielleicht ratsam, ihm zu folgen, wenn man gerade nicht genau weiß, was sehenswert erscheint.
„Dum surfer“ ist einer der Hits des aktuellen Albums The Ooz, das im Frühjahr noch gar nicht auf dem Markt war. Erst vor acht oder 10 Wochen veröffentlichte King Krule sein zweites Album. Das Konzert im Stollwerck war da schon lange ausverkauft. Genauso wie alle anderen Konzerte seiner Herbsttour. Ich verstand nicht, warum. Woher und wieso ist King Krule so angesagt? Und überhaupt, wer ist der Typ eigentlich, den ich doch eher für einen wenig bekannten Newcomer hielt.

King Krule ist Archy Ivan Marshall. Als Kid Zoo nahm er 2010 ein paar Songs auf, seit zwei Alben und 2011 nennt er sich King Krule.  Aha, okay. Soweit die Fakten. Darüber hinaus ist noch das hier interessant:

Eine Genre-Klassifizierung fällt schwer: er steht dem Minimalismus des Dubstep nahe, spielt mit Elektronik, packt gleichzeitig allerhand Elemente aus dem Rap in seine Songs.

Das sage nicht ich, das sagt laut.de. Stimmt aber. Soviel kann ich sagen, nachdem ich mich ein wenig tiefer in den Songkatalog von King Krule hineingehört habe.

Das Bürgerhaus Stollwerck ist voll. Die Leute um mich herum sind jung, nicht älter als Archy Ivan Marshall. Der ist 23 Jahre alt. Ich hatte mit einem älteren Publikum gerechnet und weniger mit einem Erstsemester Party Geschmäckle. Woher kennen die King Krule? Wieso ist er jemand, dessen Songs man mitsingt? Liegt es an den Zusammenarbeiten mit Mount Kimbie, an seinem eigenen Modelabel oder an der neuen Hippness des Jazzsaxophons, das der Brite sehr geschickt in seine Songs einbaut? Ach, dieses Konzert hält so viele Fragen für mich bereit, auf die ich so wenig Antworten habe.
Weiß noch jemand, wie Konzerte in den 1990er Jahren waren? Falls nein, bei diesem Konzert gab es Anschauungsmaterial in Hülle und Fülle. Der Modetrend spült Doc Martens, Flanellhemden und Schifffahrerwollmützen auf Köpfe sowie an Körper und Füße. Aber nicht nur optisch ist das letzte Jahrzehnt des letzten Jahrtausends im Stollwerck präsent. Dem visuellen Backflash steht der geruchstechnische in Nichts nach. Es wird geraucht auf Teufel komm‘ raus. So wie früher immer auf Konzerten. Wie fürchterlich stickig waren die Klubs damals und wie abstoßend muffig man selbst, wenn man tags drauf ungeduscht durch die Gegend lief und  das T-Shirt nicht gewechselt hatte. Tagelang hang der Zigarettenqualm in den Klamotten. Mittlerweile ist das Rauchverbot da, und das ist auch gut. Es wäre besser, wenn jeder sich daran halten würde. Denn dieses Verbot ist sinnvoll und gut. Aber um das zu kapieren, braucht es ein bisschen Grips und ein Maß an rücksichtsvollem Verhalten. Ich überlege kurz und versuche mir vorzustellen, wie es wäre, wenn die Saalordner die Traute hätten, einfach mal rigoros durchzugreifen und Verstöße gegen das Rauchverbot zu ahnden. Egal ob hier oder anderswo. Als ich noch ein bisschen gedanklich abschweife, werde ich angesprochen. Ob ich ein long pape hätte. Hä? Ich musste zweimal nachfragen, und schaute dabei wohl sehr irritiert, denn nach Bruchteilen von Sekunden entschuldigte sich mein Nebenmann: ‘Ach, Sie rauchen nicht.‘ Haha, gesiezt wurde ich auch lange nicht mehr.

Die Umbaupause hat potential! Und dauert einigermaßen lang. Die King Krule Band, sie setzt sich aus sieben Musikern zusammen, lässt sich Zeit. Die eher schwache Vorband Horsey ist schon länger fort, als Archy Ivan Marshall die diffus in Blau- und Rottönen ausgeleuchtete Bühne betritt. Die Gitarre schlackert ihm um den Hals, oft umklammert er den Mikrofonständer, als müsse er sich an ihm festhalten, um nicht abzustürzen. „Has this hit“ ist das erste, was ich höre. Danach vermischen sich die Songs zu einer Melange aus Jazz, Rock, Dub, Drum’n’Bass. Musikalisch wirkt der Mix enorm ausgeglichen und erwachsen, oder anders gesagt: es schleicht in mir das Gefühl hoch, dass hier einer genau weiß, was er tut. Die Präsenz des jungen Briten ist beeindruckend. King Krule ist direkt im Konzert, der Abend braucht keine Warmlaufphase. Seine Stimme, latent aggressiv und anklagend. Live erinnerte sie mich noch mehr an Billy Bragg als auf Platte. Billy Bragg ist mir jedoch ein bisschen egal, daher beeindruckte mich das nicht so sehr. Viel stärker faszinierte mich da schon das Saxophonspiel, das so herrlich quer durch die Songs schießt. Das hatte was Tolles. Aber auch alles andere war Stimmung und schön anzuhören. The Ooz scheint ein gutes Album zu sein. Am Merchstand verzichtete ich noch darauf, es zu kaufen. Aber ganz bald werde ich es mir zulegen.

Es war ein bemerkenswerter Abend mit einem schlaksigen, unscheinbaren Rotschopf.

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