Ort: Zakk, Düsseldorf
Vorband: Crimson Bloom

Soul Asylum - Düsseldorf, 09.02.2025

Zwiegespalten fuhr ich an diesem Sonntag ins Zakk nach Düsseldorf. Einerseits war ich bei der Konzertankündigung schon stark euphorisiert und freute mich, nach sehr langer Zeit nochmal die Gelegenheit zu haben, Soul Asylum live zu sehen, andererseits ist die Band um Dave Pirner seit knapp 30 Jahren weg aus meinem Musikkosmos.

Ihre letzten sechs Alben kenne ich nicht, nach Let your dim light shine und “Misery” war für mich Schluss. Let your dim light shine fand ich schon schwach und im Vergleich zu den Vorgängern in gewisser Art und Weise zu mainstreaming und an aktuelle Trends anbiedernd. Nach „Runaway train“ hatte ich bei nahezu jedem neuen Soul Asylum Song das Gefühl, die Band wolle unbedingt ein zweites „Runaway train“ nachlegen. Oder zumindest kommerziell in der Spur bleiben. Dabei verliefen sie sich ein wenig und klangen mal wie die Stone Temple Pilots, mal nach Alternative-Poprock a la Live oder den Counting crows.
Grave Dancers Union mochte ich sehr. Allerdings weniger wegen „Runaway train“, mehr wegen „Somebody to shove“ (das mich damals enorm umhaute), „Black Gold“ und „Without a trace“. Das waren die Hits und noch ein paar weiteren guten Songs („April fool“, „Homesick“). Himmel, was war Grave Dancers Union für ein tolles Album.Zurecht gingen Soul Asylum damit durch die Decke.
1993, vier Monate nachdem sie „Runaway train“ veröffentlicht hatten, spielten sie ein Doppelkonzert mit den Lemonheads im Bielefelder PC69. Co-Headliner ist wohl der Fachbegriff. Ich erinnere mich noch gut daran, weil tags zuvor im WDR 1 ein Gewinnspiel veranstaltet wurde, bei dem man Tickets für das Konzert gewinnen konnte. Allerdings hatte auf die Frage, wie heißt der Sänger der Band Soul Asylum, lange Zeit niemand die korrekte Antwort. Ich wusste sie direkt, hatte aber bereits ein Ticket und wollte anderen mit einem Anruf nicht die Chance verbauen, ebenso eins zu ergattern. Überdies hatte ich als Azubi im Büro keinen direkten und ungestörten Telefonzugriff. An den Abend selbst habe ich nur vage Erinnerungen. Ich weiß nur noch, dass das PC69 pickepacke voll war, Soul Asylum den ersten Slot spielten und die Lemonheads unter einem zugedröhnten Evan Dando litten. Angeblich, so spätere Erzählungen, irrte er vor und nach dem Konzert verwirrt durch Bielefeld.
Wie damals noch üblich, kaufte ich mir zur Erinnerung ein T-Shirt. Jaja, ich war schon Fan. Ein grünes Soul Asylum Shirt mit den Tourdaten auf dem Rücken. Statt Bielefeld stand dort Beilefeld, was mir aber erst Tage später auffiel. leider war das T-Shirt irgendwann so aufgetragen, dass ich es wegschmiss. Vielleicht ein Fehler.
Konzertmitschnitte des Abends entdeckte ich letzte Tage zufällig auf YouTube. Ich muss sie mir mal anschauen. Eigentlich war es der perfekte Zeitpunkt, um Soul Asylum live zu sehen. „Runaway train“ war gerade erst in Deutschland angekommen, die Band noch nicht zu überfordert und genervt vom unerwarteten Weltruhm. Der begann ja gerade erst und peakte ein Jahr später.

Soul Asylum and Nirvana began as indie-label post-punks influenced by Minneapolis-based Hüsker Dü and the Replacements. In the early 1990s, both groups released melodic major-label debuts and broke big. But Nirvana released Nevermind on 24 September 1991, preceding Soul Asylum’s Grave Dancers Union by 11 months, and so shifted the epicenter of alternative rock to Seattle and ushered in the everyday use of “grunge” and “alternative” to the mainstream. Today, Nirvana are remembered as the most influential band of the past 30 years. Soul Asylum are remembered mainly for their biggest hit, “Runaway Train”. It could have gone the other way.

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Hätte, hätte Fahrradkette. Die beiden letzten Sätze sind allerdings – aus Soul Asylum Sicht – bittere Wahrheit.

Und so fragte ich mich im Vorfeld des aktuellen Konzertes, wie viele an diesem Abend primär wegen „Runaway train“ im Zakk sind. Grundsätzlich sind es leider nicht ‘viele’. Das Zakk ist bei weitem nicht voll. Der Oberrang ist geschlossen und im Saal ist sehr viel Luft. Soul Asylum 2025 ziehen nicht wirklich. Aber als ich kurz vor sieben noch ohne Probleme vor dem Zakk parken konnte, ahnte ich schon übles. So wenig Zuspruch finde ich jedoch schon etwas ungerechtfertigt. Dass es nicht ausverkauft sein würde okay, aber ich hatte schon mit einem gut gefüllten Zakk spekuliert. Immerhin ist es das einzige Soul Asylum Konzert weit und breit und wie lange war die Band nicht mehr in Europa bzw. in unserer Nähe? Sehr lange nicht mehr.
Wenig überraschend ist das Publikum weit in den Ü40. In der ersten Reihe haben sich eine Handvoll weiblicher Fans versammelt. Dahinter füllt es sich nur langsam. Als ich gegen halb acht das Zakk betrete, sind vielleicht 70 Leute im Saal. Na mal sehen.
Eine feste Vorband haben Soul Asylum auf ihrer The slowly but shirley Tour nicht. In England wurden sie – sehr spannend – von Unbelievable truth (die Band um Andy Yorke, dem Bruder von Thom Yorke) supported. In Düsseldorf übernimmt den Supportslot die Krefelder Nachwuchsband Crimson Bloom. Na mal sehen.

Slowly but shirley ist das 13. Album der Band. Kennt das jemand? Ich gestehe, ich kenne es nicht. Das soll sich mit diesem Abend ändern, denn die Tour heißt nicht ohne Grund wie das Album. Mit dieser Tour promoten Soul Asylum Slowly but shirley. Sieben, acht der 12 Songs aus dem Album stehen im Zakk auf der Setlist. Der Rest sind die fünf Hits „Runaway train“, „Without a trace“, „Misery“, „Somebody to shove“, „Black Gold“ sowie Songs aus den letzten Alben. Musikalisch ein wirres Mix aus allem, was mal in den 1990er Jahren angesagt war: Hardrock, Grunge, Alternative, Rockballaden. Irgendwo sehe ich da auch ein bisschen das Soul Asylum Dilemma. Nach Grave Dancers Union fanden sie nicht zu einem Soul Asylum Sound, der als Markenzeichen herhalten konnte. Standen Nirvana für Grungerock, Soundgarden für wuchtige Hardrockgitarren, die Stone Temple Pilots für Alternative-Grunge oder Alice in chains für dunklen, melancholischen Rock, so waren Soul Asylum nach “Runaway train” in der Mainstreamrock Falle ohne ihr eigentlich gerecht oder gar zugehörig zu werden. Wenn ich Soul Asylum Songs der späteren Alben höre, höre ich all diese Genres und Anleihen an die genannten Bands. Die 1990er in a nutshell. Was hätte werden können hört man ziemlich gut auf ihrem MTV unplugged Album. Das ist verdammt gut und zeitlos schön. Hätten sie da einfach nur angeknüpft, wer weiß. Aber wahrscheinlich hatte Columbia Records nach dem sehr erfolgreichen Jahr 1993/1994 andere Pläne.

Den Abend eröffnen Crimson Bloom, eine – oder gar die – Krefelder Nachwuchshoffnung. Die vier Jungs machen das ganz gut, der Sänger hat eine tolle Stimme. Allerdings werden sie den nächsten Abiball bestimmt mehr rocken als das Zakk. Potential dazu haben sie, der Applaus im Zakk bleibt jedoch abseits von family & friends zurückhaltend höflich. Nein, das passte leider nicht so richtig.

Dann Soul Asylum. Nach knapp 32 Jahren sehe ich Dave Pirner zum zweiten Mal live. Er ist der einzig verbliebene Ur-Soul Asylum Musiker. Aktuell spielt die Band mit Jeremy Tappero am Bass, Ryan Smith an der Gitarre und dem ehemaligen Prince Schlagzeuger Michael Bland. In dieser Formation haben Soul Asylum die letzten beiden Alben eingespielt.
Zu einem Medley aus 80/90er Jahre TV-Serien Soundtracks kommt die Band auf die Bühne. Wie üblich starten sie mit dem ersten Song des neuen Albums in ihr ziemlich genau 90-minütiges Konzert. Bereits als zweites folgt „Somebody to shove“; „Misery“ kurz danach. Das sind so die beiden Songs, die im ersten Konzertdrittel für die meisten im Zakk den höchsten Wiedererkennungswert haben dürften. Die viel älteren „Made to be broken“ und „Little to clean“ laufen da eher so nebenher. Schade.
„Bus named desire“ vom 2006er The silver lining Album und „Just like anyone“ vom 1995er Let your dim light shine sind meine Höhepunkte abseits der gut im Set verteilten Hits. Die Songs vom aktuellen Album gefallen mir dagegen so naja. Ihr signature song „Runaway train“ kommt kurz vor dem Finale und zu passender Zeit. Nach all den neuen Songs breitet sich langsam eine kleine Begeisterungsflaute im Zakk aus, die durch das Doppelpack „Runaway train“ und „Black gold“ Gott sei Dank aufgehalten wurde.

Wer sich allerdings den Zugabenblock ausgedacht hat, nun ja. „String of pearls“ und „April fool“, eine komische Kombi, da habe ich Fragen. Letzterer ist ein superber 90s Rockrausschmeisser, okay, aber „String of pearls“? Hier funktioniert das rausschmeißen doch mehr auf eine nicht-gewollte Art und Weise. Hätten sie stattdessen doch lieber ihr Marvin Gaye Cover „Sexual Healing“ vom AIDS Benefiz Sampler No Alternative ausgepackt. Das ist nämlich unfassbar schön und definitiv einer ihrer besten Songs. Das hätte sicherlich nicht nur mir ein Lächeln ins Gesicht gezaubert.

Fazit: Es war zwar kein überragendes Konzert, aber es war ein gutes Konzert. Und es war kurzweiliger als gedacht. Live steckt noch sehr viel 1990s Alternative Rock in Soul Asylum’s Bühnenshow.

PS: 11-mal erwähne ich in diesem Bericht den Song „Runaway train“. Ich bitte mich zu entschuldigen, Soul Asylum sind einfach „Runaway train“. Selbst wenn man es anders sehen möchte.

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